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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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len hat, der durch das Leben geht, nicht von
Minute zu Minute, von Mensch zu Menschen
wechselt -- das ist die Hauptsache." -- "Lin¬
da, (rief Albano,) ich höre meine Seele -- es
giebt Wörter, welche Thaten sind, Ihre sind's."
Wenn sie so ihre Seele aussprach, verschwand
vor seinem bezauberten Geiste die schöne Ge¬
stalt, wie die goldne Saite verschwindet, wenn
sie zu tönen anfängt. Von der Vergangenheit
verwundet und bestraft für seine oft harte Kraft
hauchte er -- ob ihn gleich jetzt das Leben, die
Welt und selber das Land kühner, heller, fe¬
ster und heisser gemacht -- die unisonen
Äolssaiten, dieser vieltönigen Seele, nur mit
leisem Athem an. Aber wie mußte sie ein
Mann bezaubern, zugleich so mächtig und so
zart -- ein sanftes Sternbild aus nahen Son¬
nen -- ein schöner Kriegsgott mit der Lyra --
eine Sturmwolke voll Aurora -- ein muthiger,
heisser Jüngling, der so redlich dachte! -- Aber
sie sagte es nicht, sondern liebte bloß wie er.

Er warf einen zufälligen Blick auf ihre
kleine Tisch-Bibliothek. "Lauter Franzosen!"
sagte sie; er fand den Montaigne, das Leben

len hat, der durch das Leben geht, nicht von
Minute zu Minute, von Menſch zu Menſchen
wechſelt — das iſt die Hauptſache.“ — „Lin¬
da, (rief Albano,) ich höre meine Seele — es
giebt Wörter, welche Thaten ſind, Ihre ſind's.“
Wenn ſie ſo ihre Seele ausſprach, verſchwand
vor ſeinem bezauberten Geiſte die ſchöne Ge¬
ſtalt, wie die goldne Saite verſchwindet, wenn
ſie zu tönen anfängt. Von der Vergangenheit
verwundet und beſtraft für ſeine oft harte Kraft
hauchte er — ob ihn gleich jetzt das Leben, die
Welt und ſelber das Land kühner, heller, fe¬
ſter und heiſſer gemacht — die uniſonen
Äolsſaiten, dieſer vieltönigen Seele, nur mit
leiſem Athem an. Aber wie mußte ſie ein
Mann bezaubern, zugleich ſo mächtig und ſo
zart — ein ſanftes Sternbild aus nahen Son¬
nen — ein ſchöner Kriegsgott mit der Lyra —
eine Sturmwolke voll Aurora — ein muthiger,
heiſſer Jüngling, der ſo redlich dachte! — Aber
ſie ſagte es nicht, ſondern liebte bloß wie er.

Er warf einen zufälligen Blick auf ihre
kleine Tiſch-Bibliothek. „Lauter Franzoſen!“
ſagte ſie; er fand den Montaigne, das Leben

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[157/0169] len hat, der durch das Leben geht, nicht von Minute zu Minute, von Menſch zu Menſchen wechſelt — das iſt die Hauptſache.“ — „Lin¬ da, (rief Albano,) ich höre meine Seele — es giebt Wörter, welche Thaten ſind, Ihre ſind's.“ Wenn ſie ſo ihre Seele ausſprach, verſchwand vor ſeinem bezauberten Geiſte die ſchöne Ge¬ ſtalt, wie die goldne Saite verſchwindet, wenn ſie zu tönen anfängt. Von der Vergangenheit verwundet und beſtraft für ſeine oft harte Kraft hauchte er — ob ihn gleich jetzt das Leben, die Welt und ſelber das Land kühner, heller, fe¬ ſter und heiſſer gemacht — die uniſonen Äolsſaiten, dieſer vieltönigen Seele, nur mit leiſem Athem an. Aber wie mußte ſie ein Mann bezaubern, zugleich ſo mächtig und ſo zart — ein ſanftes Sternbild aus nahen Son¬ nen — ein ſchöner Kriegsgott mit der Lyra — eine Sturmwolke voll Aurora — ein muthiger, heiſſer Jüngling, der ſo redlich dachte! — Aber ſie ſagte es nicht, ſondern liebte bloß wie er. Er warf einen zufälligen Blick auf ihre kleine Tiſch-Bibliothek. „Lauter Franzoſen!“ ſagte ſie; er fand den Montaigne, das Leben

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/169>, abgerufen am 27.11.2024.