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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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Glanz-Getümmel des Abendroths heften und
lange noch hinsehen, wenn schon Epomeo's Gi¬
pfel in der Nacht verwittert; und dann werd'
ich heiter in das mit Lichtern umstellte Grab
der Farben unter mir schauen -- frohe Gesän¬
ge werden durch die Dämmerung ziehen -- die
Sterne werden liebreich schimmern -- und ich
werde sagen: ""ich bin allein und still, aber
unaussprechlich seelig, denn Linda hat mein
Herz und ich weine nur aus Liebe, weil ich an
ihres denke,"" und trunken werd' ich durch den
Blüthenrauch des Bergs hinuntergehen." --


Er kam langsam nach Neapel zu seinem
Freunde Dian zurück, alle Fest-Lust, die ihm
begegnete, das ganze Odeum der Wonne, in
welchem das klingende Rad der Leier schwin¬
delnd umrollte, schien ihm bloß sein Nachklang
zu seyn, indeß sonst erst den äußern sinnli¬
chen Saiten des Menschen die innern nachklin¬
gen. Er wollte nur immer weiter, und noch
-- wenn es gienge -- diese Nacht auf den
Weg nach dem Vesuv, für ihn gab es jetzt

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Glanz-Getümmel des Abendroths heften und
lange noch hinſehen, wenn ſchon Epomeo's Gi¬
pfel in der Nacht verwittert; und dann werd'
ich heiter in das mit Lichtern umſtellte Grab
der Farben unter mir ſchauen — frohe Geſän¬
ge werden durch die Dämmerung ziehen — die
Sterne werden liebreich ſchimmern — und ich
werde ſagen: „„ich bin allein und ſtill, aber
unausſprechlich ſeelig, denn Linda hat mein
Herz und ich weine nur aus Liebe, weil ich an
ihres denke,““ und trunken werd' ich durch den
Blüthenrauch des Bergs hinuntergehen.“ —


Er kam langſam nach Neapel zu ſeinem
Freunde Dian zurück, alle Feſt-Luſt, die ihm
begegnete, das ganze Odeum der Wonne, in
welchem das klingende Rad der Leier ſchwin¬
delnd umrollte, ſchien ihm bloß ſein Nachklang
zu ſeyn, indeß ſonſt erſt den äußern ſinnli¬
chen Saiten des Menſchen die innern nachklin¬
gen. Er wollte nur immer weiter, und noch
— wenn es gienge — dieſe Nacht auf den
Weg nach dem Veſuv, für ihn gab es jetzt

M 2
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[179/0191] Glanz-Getümmel des Abendroths heften und lange noch hinſehen, wenn ſchon Epomeo's Gi¬ pfel in der Nacht verwittert; und dann werd' ich heiter in das mit Lichtern umſtellte Grab der Farben unter mir ſchauen — frohe Geſän¬ ge werden durch die Dämmerung ziehen — die Sterne werden liebreich ſchimmern — und ich werde ſagen: „„ich bin allein und ſtill, aber unausſprechlich ſeelig, denn Linda hat mein Herz und ich weine nur aus Liebe, weil ich an ihres denke,““ und trunken werd' ich durch den Blüthenrauch des Bergs hinuntergehen.“ — Er kam langſam nach Neapel zu ſeinem Freunde Dian zurück, alle Feſt-Luſt, die ihm begegnete, das ganze Odeum der Wonne, in welchem das klingende Rad der Leier ſchwin¬ delnd umrollte, ſchien ihm bloß ſein Nachklang zu ſeyn, indeß ſonſt erſt den äußern ſinnli¬ chen Saiten des Menſchen die innern nachklin¬ gen. Er wollte nur immer weiter, und noch — wenn es gienge — dieſe Nacht auf den Weg nach dem Veſuv, für ihn gab es jetzt M 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/191>, abgerufen am 25.11.2024.