jede Schönheit, sie mochte an der Statue, auf der Leinwand, oder auf der singenden Lippe oder auf den Gipfeln blühen, prangte und duf¬ tete üppiger und dann flog ich von der kleinen Blume auf zur blühenden Linda? --
Wie herrschet die dunkle Gewalt hinter der Wolke! Versiegelte Befehle giebt sie uns mit, damit wir sie auf einer späten fremden Stelle erbrechen. Gott, erst auf Ischia's Epomeo mußt' ich meinen öffnen, da gieng ein Augen¬ blick über das Leben und gebahr die Ewigkeit, der Schmetterling brachte die Göttinn!
Der Abend geht unter und ich muß schwei¬ gen. Wüßt' ich nur, wie der Deinige ist! Mein Leben besteht jetzt aus zwei Stunden, Deinen und meinen, und ich kann nicht mehr mit mir allein leben. -- Dieser Tag sey Dir doch reich und mild entwichen und Dein Abend wie meiner! Die Sonne röthet nur noch den Vesuv, die Inseln verglühen langsam im dun¬ keln Meer, ich schaue nun ohne mit Dir zu sprechen, den großen Abend an, aber o Gott so anders als in Rom! Seelig werd' ich mein Auge nur an Deine auslöschende Insel im
jede Schönheit, ſie mochte an der Statue, auf der Leinwand, oder auf der ſingenden Lippe oder auf den Gipfeln blühen, prangte und duf¬ tete üppiger und dann flog ich von der kleinen Blume auf zur blühenden Linda? —
Wie herrſchet die dunkle Gewalt hinter der Wolke! Verſiegelte Befehle giebt ſie uns mit, damit wir ſie auf einer ſpäten fremden Stelle erbrechen. Gott, erſt auf Iſchia's Epomeo mußt' ich meinen öffnen, da gieng ein Augen¬ blick über das Leben und gebahr die Ewigkeit, der Schmetterling brachte die Göttinn!
Der Abend geht unter und ich muß ſchwei¬ gen. Wüßt' ich nur, wie der Deinige iſt! Mein Leben beſteht jetzt aus zwei Stunden, Deinen und meinen, und ich kann nicht mehr mit mir allein leben. — Dieſer Tag ſey Dir doch reich und mild entwichen und Dein Abend wie meiner! Die Sonne röthet nur noch den Veſuv, die Inſeln verglühen langſam im dun¬ keln Meer, ich ſchaue nun ohne mit Dir zu ſprechen, den großen Abend an, aber o Gott ſo anders als in Rom! Seelig werd' ich mein Auge nur an Deine auslöſchende Inſel im
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0190"n="178"/>
jede Schönheit, ſie mochte an der Statue, auf<lb/>
der Leinwand, oder auf der ſingenden Lippe<lb/>
oder auf den Gipfeln blühen, prangte und duf¬<lb/>
tete üppiger und dann flog ich von der kleinen<lb/>
Blume auf zur blühenden Linda? —</p><lb/><p>Wie herrſchet die dunkle Gewalt hinter der<lb/>
Wolke! Verſiegelte Befehle giebt ſie uns mit,<lb/>
damit wir ſie auf einer ſpäten fremden Stelle<lb/>
erbrechen. Gott, erſt auf Iſchia's Epomeo<lb/>
mußt' ich meinen öffnen, da gieng ein Augen¬<lb/>
blick über das Leben und gebahr die Ewigkeit,<lb/>
der Schmetterling brachte die Göttinn!</p><lb/><p>Der Abend geht unter und ich muß ſchwei¬<lb/>
gen. Wüßt' ich nur, wie der Deinige iſt!<lb/>
Mein Leben beſteht jetzt aus zwei Stunden,<lb/>
Deinen und meinen, und ich kann nicht mehr<lb/>
mit mir allein leben. — Dieſer Tag ſey Dir<lb/>
doch reich und mild entwichen und Dein Abend<lb/>
wie meiner! Die Sonne röthet nur noch den<lb/>
Veſuv, die Inſeln verglühen langſam im dun¬<lb/>
keln Meer, ich ſchaue nun ohne mit Dir zu<lb/>ſprechen, den großen Abend an, aber o Gott<lb/>ſo anders als in Rom! Seelig werd' ich mein<lb/>
Auge nur an Deine auslöſchende Inſel im<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[178/0190]
jede Schönheit, ſie mochte an der Statue, auf
der Leinwand, oder auf der ſingenden Lippe
oder auf den Gipfeln blühen, prangte und duf¬
tete üppiger und dann flog ich von der kleinen
Blume auf zur blühenden Linda? —
Wie herrſchet die dunkle Gewalt hinter der
Wolke! Verſiegelte Befehle giebt ſie uns mit,
damit wir ſie auf einer ſpäten fremden Stelle
erbrechen. Gott, erſt auf Iſchia's Epomeo
mußt' ich meinen öffnen, da gieng ein Augen¬
blick über das Leben und gebahr die Ewigkeit,
der Schmetterling brachte die Göttinn!
Der Abend geht unter und ich muß ſchwei¬
gen. Wüßt' ich nur, wie der Deinige iſt!
Mein Leben beſteht jetzt aus zwei Stunden,
Deinen und meinen, und ich kann nicht mehr
mit mir allein leben. — Dieſer Tag ſey Dir
doch reich und mild entwichen und Dein Abend
wie meiner! Die Sonne röthet nur noch den
Veſuv, die Inſeln verglühen langſam im dun¬
keln Meer, ich ſchaue nun ohne mit Dir zu
ſprechen, den großen Abend an, aber o Gott
ſo anders als in Rom! Seelig werd' ich mein
Auge nur an Deine auslöſchende Inſel im
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/190>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.