ster nicht, (sagt' er,) sonst verständen wir uns leichter." Linda's Hand zuckte in seiner, und ihr Auge gieng langsam zu ihm auf und schnell nieder. -- Julienne schien vom Vorwurfe des Geschlechts betroffen zu seyn. Albano dachte an die Zeit, wo er ein Herz aus Wachs zer¬ drückte mit einem aus Eisen und sagte, heller und kälter: "Julienne, ich will gern kein Nein zu Dir sagen, wenn Du es nur für kein Ja ansiehst." -- Er könnte, fiel ihm ein, seinen Widerspruch leicht hinter die Zukunft verstecken, da ja noch kein Krieg in Europa entschieden war; aber er fand das nicht ehrlich und stolz genug. -- "Quäle nicht!" sagte Linda zu ihr. "Ja wohl, (sagte Julienne aufspringend,) ich darf ja nur an das und an das denken -- was weiß ich!" und sah sehr ernsthaft aus. "Noch zwei Tage (setzte sie dazu und suchte aus dem Ernst zu kommen,) können wir auf der Insel wie Götter, ja wie Göttinnen, ver¬ leben; wiewohl zu einem Gott taug' ich allen¬ falls, nur zu keiner Göttinn; diese muß länger seyn; ich bin nur die Folie der Gräfinn aus unendlicher Güte." Denn Juliennens Gestalt
ſter nicht, (ſagt' er,) ſonſt verſtänden wir uns leichter.“ Linda's Hand zuckte in ſeiner, und ihr Auge gieng langſam zu ihm auf und ſchnell nieder. — Julienne ſchien vom Vorwurfe des Geſchlechts betroffen zu ſeyn. Albano dachte an die Zeit, wo er ein Herz aus Wachs zer¬ drückte mit einem aus Eiſen und ſagte, heller und kälter: „Julienne, ich will gern kein Nein zu Dir ſagen, wenn Du es nur für kein Ja anſiehſt.“ — Er könnte, fiel ihm ein, ſeinen Widerſpruch leicht hinter die Zukunft verſtecken, da ja noch kein Krieg in Europa entſchieden war; aber er fand das nicht ehrlich und ſtolz genug. — „Quäle nicht!“ ſagte Linda zu ihr. „Ja wohl, (ſagte Julienne aufſpringend,) ich darf ja nur an das und an das denken — was weiß ich!“ und ſah ſehr ernſthaft aus. „Noch zwei Tage (ſetzte ſie dazu und ſuchte aus dem Ernſt zu kommen,) können wir auf der Inſel wie Götter, ja wie Göttinnen, ver¬ leben; wiewohl zu einem Gott taug' ich allen¬ falls, nur zu keiner Göttinn; dieſe muß länger ſeyn; ich bin nur die Folie der Gräfinn aus unendlicher Güte.“ Denn Juliennens Geſtalt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0212"n="200"/>ſter nicht, (ſagt' er,) ſonſt verſtänden wir uns<lb/>
leichter.“ Linda's Hand zuckte in ſeiner, und<lb/>
ihr Auge gieng langſam zu ihm auf und ſchnell<lb/>
nieder. — Julienne ſchien vom Vorwurfe des<lb/>
Geſchlechts betroffen zu ſeyn. Albano dachte<lb/>
an die Zeit, wo er ein Herz aus Wachs zer¬<lb/>
drückte mit einem aus Eiſen und ſagte, heller<lb/>
und kälter: „Julienne, ich will gern kein Nein<lb/>
zu Dir ſagen, wenn Du es nur für kein Ja<lb/>
anſiehſt.“— Er könnte, fiel ihm ein, ſeinen<lb/>
Widerſpruch leicht hinter die Zukunft verſtecken,<lb/>
da ja noch kein Krieg in Europa entſchieden<lb/>
war; aber er fand das nicht ehrlich und ſtolz<lb/>
genug. —„Quäle nicht!“ſagte Linda zu ihr.<lb/>„Ja wohl, (ſagte Julienne aufſpringend,) ich<lb/>
darf ja nur an das und an das denken —<lb/>
was weiß ich!“ und ſah ſehr ernſthaft aus.<lb/>„Noch zwei Tage (ſetzte ſie dazu und ſuchte<lb/>
aus dem Ernſt zu kommen,) können wir auf<lb/>
der Inſel wie Götter, ja wie Göttinnen, ver¬<lb/>
leben; wiewohl zu einem Gott taug' ich allen¬<lb/>
falls, nur zu keiner Göttinn; dieſe muß länger<lb/>ſeyn; ich bin nur die Folie der Gräfinn aus<lb/>
unendlicher Güte.“ Denn Juliennens Geſtalt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[200/0212]
ſter nicht, (ſagt' er,) ſonſt verſtänden wir uns
leichter.“ Linda's Hand zuckte in ſeiner, und
ihr Auge gieng langſam zu ihm auf und ſchnell
nieder. — Julienne ſchien vom Vorwurfe des
Geſchlechts betroffen zu ſeyn. Albano dachte
an die Zeit, wo er ein Herz aus Wachs zer¬
drückte mit einem aus Eiſen und ſagte, heller
und kälter: „Julienne, ich will gern kein Nein
zu Dir ſagen, wenn Du es nur für kein Ja
anſiehſt.“ — Er könnte, fiel ihm ein, ſeinen
Widerſpruch leicht hinter die Zukunft verſtecken,
da ja noch kein Krieg in Europa entſchieden
war; aber er fand das nicht ehrlich und ſtolz
genug. — „Quäle nicht!“ ſagte Linda zu ihr.
„Ja wohl, (ſagte Julienne aufſpringend,) ich
darf ja nur an das und an das denken —
was weiß ich!“ und ſah ſehr ernſthaft aus.
„Noch zwei Tage (ſetzte ſie dazu und ſuchte
aus dem Ernſt zu kommen,) können wir auf
der Inſel wie Götter, ja wie Göttinnen, ver¬
leben; wiewohl zu einem Gott taug' ich allen¬
falls, nur zu keiner Göttinn; dieſe muß länger
ſeyn; ich bin nur die Folie der Gräfinn aus
unendlicher Güte.“ Denn Juliennens Geſtalt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/212>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.