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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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Plötzlich fiengen im Thal die Flöten an, die
der fromme Vater zu seinen Abendgebeten
spielen ließ. Wie Töne auf dem Schlachtfeld,
riefen sie den Mord heran -- da schmolz Lin¬
da's goldner Thron des Glücks und Lebens
glühend nieder und sie sank herab und das
weisse Brautkleid ihrer Unschuld wurde zerris¬
sen und zu Asche.

"Nun die Deinige bis in meinen Tod!"
sagte sie leise mit Thränenströmen. "Nur bis
in meinen" sagte er und weinte jetzt weich mit
den weinenden Flöten. An der goldnen Kugel
auf dem Berge glomm schon der Mond, der
wie ein bewaffneter Komet, wie ein einäugi¬
ger Riese heraufdrang, den Sünder aus seinem
Eden zu jagen. "Bleibe bis der Mond kommt,
damit ich in Dein Angesicht sehe" bat sie.
"Nein, Du Göttliche, mein Freudenpferd wie¬
hert schon, die Todesfackel brennt herab in
meine Hand" sagte er tragisch-leise. Der Sturm
war vom Himmel auf die Erde gezogen; sie
fragte: "der Sturm ist so laut, was sagtest
Du, Schöner?" -- Er küßte wild ihre Lippe
und ihren Busen wieder; er konnte nicht gehen,

Plötzlich fiengen im Thal die Flöten an, die
der fromme Vater zu ſeinen Abendgebeten
ſpielen ließ. Wie Töne auf dem Schlachtfeld,
riefen ſie den Mord heran — da ſchmolz Lin¬
da's goldner Thron des Glücks und Lebens
glühend nieder und ſie ſank herab und das
weiſſe Brautkleid ihrer Unſchuld wurde zerris¬
ſen und zu Aſche.

„Nun die Deinige bis in meinen Tod!“
ſagte ſie leiſe mit Thränenſtrömen. „Nur bis
in meinen“ ſagte er und weinte jetzt weich mit
den weinenden Flöten. An der goldnen Kugel
auf dem Berge glomm ſchon der Mond, der
wie ein bewaffneter Komet, wie ein einäugi¬
ger Rieſe heraufdrang, den Sünder aus ſeinem
Eden zu jagen. „Bleibe bis der Mond kommt,
damit ich in Dein Angeſicht ſehe“ bat ſie.
„Nein, Du Göttliche, mein Freudenpferd wie¬
hert ſchon, die Todesfackel brennt herab in
meine Hand“ ſagte er tragiſch-leiſe. Der Sturm
war vom Himmel auf die Erde gezogen; ſie
fragte: „der Sturm iſt ſo laut, was ſagteſt
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[378/0390] Plötzlich fiengen im Thal die Flöten an, die der fromme Vater zu ſeinen Abendgebeten ſpielen ließ. Wie Töne auf dem Schlachtfeld, riefen ſie den Mord heran — da ſchmolz Lin¬ da's goldner Thron des Glücks und Lebens glühend nieder und ſie ſank herab und das weiſſe Brautkleid ihrer Unſchuld wurde zerris¬ ſen und zu Aſche. „Nun die Deinige bis in meinen Tod!“ ſagte ſie leiſe mit Thränenſtrömen. „Nur bis in meinen“ ſagte er und weinte jetzt weich mit den weinenden Flöten. An der goldnen Kugel auf dem Berge glomm ſchon der Mond, der wie ein bewaffneter Komet, wie ein einäugi¬ ger Rieſe heraufdrang, den Sünder aus ſeinem Eden zu jagen. „Bleibe bis der Mond kommt, damit ich in Dein Angeſicht ſehe“ bat ſie. „Nein, Du Göttliche, mein Freudenpferd wie¬ hert ſchon, die Todesfackel brennt herab in meine Hand“ ſagte er tragiſch-leiſe. Der Sturm war vom Himmel auf die Erde gezogen; ſie fragte: „der Sturm iſt ſo laut, was ſagteſt Du, Schöner?“ — Er küßte wild ihre Lippe und ihren Buſen wieder; er konnte nicht gehen,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/390>, abgerufen am 22.11.2024.