Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

geliebte Mensch kam noch nicht an sein Herz
und schmachtend sah Albano die Wolken im
Himmel auf dem Weg herziehen, den sein Theue¬
rer unter ihnen auf der Erde nahm. Der Oheim
erzählte ihm lange von einem geheimen Kum¬
mer, der den Bibliothekar oft niederdrücke, und
von dessen Ansatz zur Tollheit, der ihn auch
früher von ihm weggetrieben, weil er unter
allen Menschen keine so fürchte als tolle. Von
Romeiro's Portrait schien er nichts zu wissen.
Albano schwieg verdrüßlich, weil der Spanier
unter die unleidlichen Menschen gehörte, die
mit glattem festen Gesicht und mit zugeschraub¬
ter gehelmter Seele den fremden Widerspruch,
ohne eignen Widerspruch, ohne Echo, ohne
Spiegel und Änderung um sich flattern lassen
können und für welche die fremde Rede nur ein
stiller Thau ist, dessen Fallen keinen Stein aus¬
höhlt. Dazu kam Albano's Erbitterung gegen
dessen neue Unwahrhaftigkeit über Schoppens
Nähe und gegen sein eignes Unvermögen, eine
Stunde lang alles ungläubig anzuhören, was
ein Lügner sagt.

"Schoppe ist auf mein Wort durch einen

geliebte Menſch kam noch nicht an ſein Herz
und ſchmachtend ſah Albano die Wolken im
Himmel auf dem Weg herziehen, den ſein Theue¬
rer unter ihnen auf der Erde nahm. Der Oheim
erzählte ihm lange von einem geheimen Kum¬
mer, der den Bibliothekar oft niederdrücke, und
von deſſen Anſatz zur Tollheit, der ihn auch
früher von ihm weggetrieben, weil er unter
allen Menſchen keine ſo fürchte als tolle. Von
Romeiro's Portrait ſchien er nichts zu wiſſen.
Albano ſchwieg verdrüßlich, weil der Spanier
unter die unleidlichen Menſchen gehörte, die
mit glattem feſten Geſicht und mit zugeſchraub¬
ter gehelmter Seele den fremden Widerſpruch,
ohne eignen Widerſpruch, ohne Echo, ohne
Spiegel und Änderung um ſich flattern laſſen
können und für welche die fremde Rede nur ein
ſtiller Thau iſt, deſſen Fallen keinen Stein aus¬
höhlt. Dazu kam Albano's Erbitterung gegen
deſſen neue Unwahrhaftigkeit über Schoppens
Nähe und gegen ſein eignes Unvermögen, eine
Stunde lang alles ungläubig anzuhören, was
ein Lügner ſagt.

„Schoppe iſt auf mein Wort durch einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0393" n="381"/>
geliebte Men&#x017F;ch kam noch nicht an &#x017F;ein Herz<lb/>
und &#x017F;chmachtend &#x017F;ah Albano die Wolken im<lb/>
Himmel auf dem Weg herziehen, den &#x017F;ein Theue¬<lb/>
rer unter ihnen auf der Erde nahm. Der Oheim<lb/>
erzählte ihm lange von einem geheimen Kum¬<lb/>
mer, der den Bibliothekar oft niederdrücke, und<lb/>
von de&#x017F;&#x017F;en An&#x017F;atz zur Tollheit, der ihn auch<lb/>
früher von ihm weggetrieben, weil er unter<lb/>
allen Men&#x017F;chen keine &#x017F;o fürchte als tolle. Von<lb/>
Romeiro's Portrait &#x017F;chien er nichts zu wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Albano &#x017F;chwieg verdrüßlich, weil der Spanier<lb/>
unter die unleidlichen Men&#x017F;chen gehörte, die<lb/>
mit glattem fe&#x017F;ten Ge&#x017F;icht und mit zuge&#x017F;chraub¬<lb/>
ter gehelmter Seele den fremden Wider&#x017F;pruch,<lb/>
ohne eignen Wider&#x017F;pruch, ohne Echo, ohne<lb/>
Spiegel und Änderung um &#x017F;ich flattern la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
können und für welche die fremde Rede nur ein<lb/>
&#x017F;tiller Thau i&#x017F;t, de&#x017F;&#x017F;en Fallen keinen Stein aus¬<lb/>
höhlt. Dazu kam Albano's Erbitterung gegen<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en neue Unwahrhaftigkeit über Schoppens<lb/>
Nähe und gegen &#x017F;ein eignes Unvermögen, eine<lb/>
Stunde lang alles ungläubig anzuhören, was<lb/>
ein Lügner &#x017F;agt.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Schoppe i&#x017F;t auf mein Wort durch einen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0393] geliebte Menſch kam noch nicht an ſein Herz und ſchmachtend ſah Albano die Wolken im Himmel auf dem Weg herziehen, den ſein Theue¬ rer unter ihnen auf der Erde nahm. Der Oheim erzählte ihm lange von einem geheimen Kum¬ mer, der den Bibliothekar oft niederdrücke, und von deſſen Anſatz zur Tollheit, der ihn auch früher von ihm weggetrieben, weil er unter allen Menſchen keine ſo fürchte als tolle. Von Romeiro's Portrait ſchien er nichts zu wiſſen. Albano ſchwieg verdrüßlich, weil der Spanier unter die unleidlichen Menſchen gehörte, die mit glattem feſten Geſicht und mit zugeſchraub¬ ter gehelmter Seele den fremden Widerſpruch, ohne eignen Widerſpruch, ohne Echo, ohne Spiegel und Änderung um ſich flattern laſſen können und für welche die fremde Rede nur ein ſtiller Thau iſt, deſſen Fallen keinen Stein aus¬ höhlt. Dazu kam Albano's Erbitterung gegen deſſen neue Unwahrhaftigkeit über Schoppens Nähe und gegen ſein eignes Unvermögen, eine Stunde lang alles ungläubig anzuhören, was ein Lügner ſagt. „Schoppe iſt auf mein Wort durch einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/393
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/393>, abgerufen am 27.07.2024.