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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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und das Abendroth der Verschämtheit zog, wie
Frühlingsröthe in der Nacht, um ihren Himmel
und der weisse Mond der Unschuld stand mit¬
ten darin! -- Albano zergieng vom Thauwind
dieser Verzeihung, warf sich seine süße Freude
an ihrer Umkehrung als selbstsüchtigen Stolz
über sein Siegen vor und konnte in der schö¬
nen Verwirrung des Glücks kaum das süße
Staunen regieren und das aufgelößte Herz, das
vor ihr zerrinnen wollte wie ein Gewitter in
Abendthau. Er legte in sein Auge die Seele
und gab sie der Geliebten. Vor Chariton mußt'
er sich verhüllen. Zu Dian und Linda sagt' er,
als sie in die hinuntersteigende Sonne sahen,
bloß das Wort: Ischia!

"Da liegt nun freilich, lieber Anastasius
(sagte Chariton zu Dian,) meine gute Fräulein
Liane begraben und man weiß nicht eigentlich
wo im Garten, denn man sieht ja nichts als
Blumen und Blumen; sie hat's aber so be¬
stellt." -- "Das ist sehr betrübt und hübsch,
(sagte Dian,) aber lass' es, -- weg bleibt
weg, Chariton!" und führte sie seitwärts von
den Liebenden schonend. An Albano, der nichts

über¬

und das Abendroth der Verſchämtheit zog, wie
Frühlingsröthe in der Nacht, um ihren Himmel
und der weiſſe Mond der Unſchuld ſtand mit¬
ten darin! — Albano zergieng vom Thauwind
dieſer Verzeihung, warf ſich ſeine ſüße Freude
an ihrer Umkehrung als ſelbſtſüchtigen Stolz
über ſein Siegen vor und konnte in der ſchö¬
nen Verwirrung des Glücks kaum das ſüße
Staunen regieren und das aufgelößte Herz, das
vor ihr zerrinnen wollte wie ein Gewitter in
Abendthau. Er legte in ſein Auge die Seele
und gab ſie der Geliebten. Vor Chariton mußt'
er ſich verhüllen. Zu Dian und Linda ſagt' er,
als ſie in die hinunterſteigende Sonne ſahen,
bloß das Wort: Iſchia!

„Da liegt nun freilich, lieber Anaſtaſius
(ſagte Chariton zu Dian,) meine gute Fräulein
Liane begraben und man weiß nicht eigentlich
wo im Garten, denn man ſieht ja nichts als
Blumen und Blumen; ſie hat's aber ſo be¬
ſtellt.“ — „Das iſt ſehr betrübt und hübſch,
(ſagte Dian,) aber laſſ' es, — weg bleibt
weg, Chariton!“ und führte ſie ſeitwärts von
den Liebenden ſchonend. An Albano, der nichts

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[384/0396] und das Abendroth der Verſchämtheit zog, wie Frühlingsröthe in der Nacht, um ihren Himmel und der weiſſe Mond der Unſchuld ſtand mit¬ ten darin! — Albano zergieng vom Thauwind dieſer Verzeihung, warf ſich ſeine ſüße Freude an ihrer Umkehrung als ſelbſtſüchtigen Stolz über ſein Siegen vor und konnte in der ſchö¬ nen Verwirrung des Glücks kaum das ſüße Staunen regieren und das aufgelößte Herz, das vor ihr zerrinnen wollte wie ein Gewitter in Abendthau. Er legte in ſein Auge die Seele und gab ſie der Geliebten. Vor Chariton mußt' er ſich verhüllen. Zu Dian und Linda ſagt' er, als ſie in die hinunterſteigende Sonne ſahen, bloß das Wort: Iſchia! „Da liegt nun freilich, lieber Anaſtaſius (ſagte Chariton zu Dian,) meine gute Fräulein Liane begraben und man weiß nicht eigentlich wo im Garten, denn man ſieht ja nichts als Blumen und Blumen; ſie hat's aber ſo be¬ ſtellt.“ — „Das iſt ſehr betrübt und hübſch, (ſagte Dian,) aber laſſ' es, — weg bleibt weg, Chariton!“ und führte ſie ſeitwärts von den Liebenden ſchonend. An Albano, der nichts über¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/396>, abgerufen am 22.11.2024.