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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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Er schwieg -- gieng langsam auf und ab
-- sah ernst einem Waffen- und Larventanz
innerer Gespenster zu -- stand still -- Die Schat¬
ten schwarzer Thaten spielten durch einander
um ihn -- plötzlich fuhr er auf, ein Wetter¬
strahl eines Gedankens hatte in sein Herz ge¬
schlagen -- er lief auf und ab, schrie: "Töne
her, gräbliche Töne her!" -- und die Hochzeit¬
musik aus Don Juan, die ihn bisher begleitet
hatte, erhob das Zetergeschrei des Schreckens
-- "göttlich!" sagte er und nur einzelne Wor¬
te, nur Tygerflecken erschienen verschwindend
am vorübergehenden Unthier -- "teuflisch! --
das Rosen-Seyn, das Blüthen-Seyn -- nun
ja! -- -- ich wickle mich selber in die Lauwine
und rolle hinunter -- und dann sterb' ich schön
auf meiner Schlummerinsel" beschloß er sanft
und matt.

"O Lilia! gewähre mir Eine Bitte!"
rief er der kommenden Schwester entgegen.
"Jede, die mich nicht am Sterben hindert"
sagte sie. Er legte ihr die Bitte vor: sie sollte
ihre Freundinn Athenais in die "Nachtlaube"
der Insel jetzt Nachts unter dem Vorwand be¬

Er ſchwieg — gieng langſam auf und ab
— ſah ernſt einem Waffen- und Larventanz
innerer Geſpenſter zu — ſtand ſtill — Die Schat¬
ten ſchwarzer Thaten ſpielten durch einander
um ihn — plötzlich fuhr er auf, ein Wetter¬
ſtrahl eines Gedankens hatte in ſein Herz ge¬
ſchlagen — er lief auf und ab, ſchrie: „Töne
her, gräβliche Töne her!“ — und die Hochzeit¬
muſik aus Don Juan, die ihn bisher begleitet
hatte, erhob das Zetergeſchrei des Schreckens
— „göttlich!“ ſagte er und nur einzelne Wor¬
te, nur Tygerflecken erſchienen verſchwindend
am vorübergehenden Unthier — „teufliſch! —
das Roſen-Seyn, das Blüthen-Seyn — nun
ja! — — ich wickle mich ſelber in die Lauwine
und rolle hinunter — und dann ſterb' ich ſchön
auf meiner Schlummerinſel“ beſchloß er ſanft
und matt.

„O Lilia! gewähre mir Eine Bitte!“
rief er der kommenden Schweſter entgegen.
„Jede, die mich nicht am Sterben hindert“
ſagte ſie. Er legte ihr die Bitte vor: ſie ſollte
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[405/0417] Er ſchwieg — gieng langſam auf und ab — ſah ernſt einem Waffen- und Larventanz innerer Geſpenſter zu — ſtand ſtill — Die Schat¬ ten ſchwarzer Thaten ſpielten durch einander um ihn — plötzlich fuhr er auf, ein Wetter¬ ſtrahl eines Gedankens hatte in ſein Herz ge¬ ſchlagen — er lief auf und ab, ſchrie: „Töne her, gräβliche Töne her!“ — und die Hochzeit¬ muſik aus Don Juan, die ihn bisher begleitet hatte, erhob das Zetergeſchrei des Schreckens — „göttlich!“ ſagte er und nur einzelne Wor¬ te, nur Tygerflecken erſchienen verſchwindend am vorübergehenden Unthier — „teufliſch! — das Roſen-Seyn, das Blüthen-Seyn — nun ja! — — ich wickle mich ſelber in die Lauwine und rolle hinunter — und dann ſterb' ich ſchön auf meiner Schlummerinſel“ beſchloß er ſanft und matt. „O Lilia! gewähre mir Eine Bitte!“ rief er der kommenden Schweſter entgegen. „Jede, die mich nicht am Sterben hindert“ ſagte ſie. Er legte ihr die Bitte vor: ſie ſollte ihre Freundinn Athenais in die „Nachtlaube“ der Inſel jetzt Nachts unter dem Vorwand be¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/417>, abgerufen am 22.11.2024.