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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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pforten voll Blumengewinde für ihn geblühet
hatten. O der junge Honig der Liebe, der alte
Wein der Freundschaft, beide waren ja vom
Schicksal in Gräber gegossen! --

Der Todte wurde in das neue Schloß des
Prinzengartens gebracht. Nur Albano und
Siebenkäs folgten ihm nach. Als sie allein
waren, sah Albano erst, daß der Freund sei¬
nes Freundes bebe und wanke und daß bis
jetzt nur der Geist den Körper getragen. "Nun
wir beide (sagte Albano) dürfen vor einander
trauern; aber nur Ihnen glaub' ich. Gott wie
war denn sein Ende?" Siebenkäs ließ vor ihm
die letzten Mienen und Laute des Armen vor¬
übergehen. "O Gott, (sagte Albano,) er starb
nicht leicht, wenn der Wahnsinn der Monate
zu Einer Minute wurde -- reißend mußte der
Höllenfluß seyn, der ein so festes Leben weg¬
riß." -- Siebenkäs nahm schwer den Glauben
an dessen Wahnsinn an, weil der Todte so oft
in seinen schönsten Momenten auf ähnliche
Weise verkannt worden; aber Albano über¬
wand ihn endlich. Er erzählte weiter, daß er
auf der Heimreise begriffen gewesen, als ihn

Titan IV. K k

pforten voll Blumengewinde für ihn geblühet
hatten. O der junge Honig der Liebe, der alte
Wein der Freundſchaft, beide waren ja vom
Schickſal in Gräber gegoſſen! —

Der Todte wurde in das neue Schloß des
Prinzengartens gebracht. Nur Albano und
Siebenkäs folgten ihm nach. Als ſie allein
waren, ſah Albano erſt, daß der Freund ſei¬
nes Freundes bebe und wanke und daß bis
jetzt nur der Geiſt den Körper getragen. „Nun
wir beide (ſagte Albano) dürfen vor einander
trauern; aber nur Ihnen glaub' ich. Gott wie
war denn ſein Ende?“ Siebenkäs ließ vor ihm
die letzten Mienen und Laute des Armen vor¬
übergehen. „O Gott, (ſagte Albano,) er ſtarb
nicht leicht, wenn der Wahnſinn der Monate
zu Einer Minute wurde — reißend mußte der
Höllenfluß ſeyn, der ein ſo feſtes Leben weg¬
riß.“ — Siebenkäs nahm ſchwer den Glauben
an deſſen Wahnſinn an, weil der Todte ſo oft
in ſeinen ſchönſten Momenten auf ähnliche
Weiſe verkannt worden; aber Albano über¬
wand ihn endlich. Er erzählte weiter, daß er
auf der Heimreiſe begriffen geweſen, als ihn

Titan IV. K k
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[513/0525] pforten voll Blumengewinde für ihn geblühet hatten. O der junge Honig der Liebe, der alte Wein der Freundſchaft, beide waren ja vom Schickſal in Gräber gegoſſen! — Der Todte wurde in das neue Schloß des Prinzengartens gebracht. Nur Albano und Siebenkäs folgten ihm nach. Als ſie allein waren, ſah Albano erſt, daß der Freund ſei¬ nes Freundes bebe und wanke und daß bis jetzt nur der Geiſt den Körper getragen. „Nun wir beide (ſagte Albano) dürfen vor einander trauern; aber nur Ihnen glaub' ich. Gott wie war denn ſein Ende?“ Siebenkäs ließ vor ihm die letzten Mienen und Laute des Armen vor¬ übergehen. „O Gott, (ſagte Albano,) er ſtarb nicht leicht, wenn der Wahnſinn der Monate zu Einer Minute wurde — reißend mußte der Höllenfluß ſeyn, der ein ſo feſtes Leben weg¬ riß.“ — Siebenkäs nahm ſchwer den Glauben an deſſen Wahnſinn an, weil der Todte ſo oft in ſeinen ſchönſten Momenten auf ähnliche Weiſe verkannt worden; aber Albano über¬ wand ihn endlich. Er erzählte weiter, daß er auf der Heimreiſe begriffen geweſen, als ihn Titan IV. K k

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/525>, abgerufen am 22.11.2024.