Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

und er legte leicht seine Hand auf ihre und
sagte wie überwältigt: "Sophokles!" --

Am nächsten mondhellen Abende darauf be¬
stellte Gaspard Fackeln, damit das Coliseo mit
seinem Riesen-Kreis zuerst im Feuer vor ihnen
stände. Dem Ritter, der nur allein mit dem
Sohne düster im düstern Werke, wie zwei Gei¬
ster der alten Zeit, umhergehen wollte, drang
sich noch die Fürstinn auf, aus zu lebhaftem
Wunsch, mit dem edlen Jüngling große Mi¬
nuten und wohl gar ihr Herz und seines zu
theilen. Die Weiber begreifen nicht genug, daß
die Idee, wenn sie den männlichen Geist er¬
füllt und erhebt, ihn dann vor der Liebe ver¬
schließe und die Personen verdränge, indeß bei
Weibern alle Ideen leicht zu Menschen wer¬
den. --

Sie giengen über das Forum auf der via
sacra
zum Coliseo, dessen hohe zerspaltene Stirn
unter dem Mondlicht bleich herniederschauete.
Sie standen vor den grauen Felsenwänden, die
sich auf vier Säulenreihen übereinander hinauf¬
baueten und die Flammen schossen hinauf in
die Bogen der Arkaden, hoch oben das grüne

und er legte leicht ſeine Hand auf ihre und
ſagte wie überwältigt: „Sophokles!“ —

Am nächſten mondhellen Abende darauf be¬
ſtellte Gaſpard Fackeln, damit das Coliſeo mit
ſeinem Rieſen-Kreis zuerſt im Feuer vor ihnen
ſtände. Dem Ritter, der nur allein mit dem
Sohne düſter im düſtern Werke, wie zwei Gei¬
ſter der alten Zeit, umhergehen wollte, drang
ſich noch die Fürſtinn auf, aus zu lebhaftem
Wunſch, mit dem edlen Jüngling große Mi¬
nuten und wohl gar ihr Herz und ſeines zu
theilen. Die Weiber begreifen nicht genug, daß
die Idee, wenn ſie den männlichen Geiſt er¬
füllt und erhebt, ihn dann vor der Liebe ver¬
ſchließe und die Perſonen verdränge, indeß bei
Weibern alle Ideen leicht zu Menſchen wer¬
den. —

Sie giengen über das Forum auf der via
sacra
zum Coliſeo, deſſen hohe zerſpaltene Stirn
unter dem Mondlicht bleich herniederſchauete.
Sie ſtanden vor den grauen Felſenwänden, die
ſich auf vier Säulenreihen übereinander hinauf¬
baueten und die Flammen ſchoſſen hinauf in
die Bogen der Arkaden, hoch oben das grüne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0055" n="43"/>
und er legte leicht &#x017F;eine Hand auf ihre und<lb/>
&#x017F;agte wie überwältigt: &#x201E;Sophokles!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Am näch&#x017F;ten mondhellen Abende darauf be¬<lb/>
&#x017F;tellte Ga&#x017F;pard Fackeln, damit das Coli&#x017F;eo mit<lb/>
&#x017F;einem Rie&#x017F;en-Kreis zuer&#x017F;t im Feuer vor ihnen<lb/>
&#x017F;tände. Dem Ritter, der nur allein mit dem<lb/>
Sohne dü&#x017F;ter im dü&#x017F;tern Werke, wie zwei Gei¬<lb/>
&#x017F;ter der alten Zeit, umhergehen wollte, drang<lb/>
&#x017F;ich noch die Für&#x017F;tinn auf, aus zu lebhaftem<lb/>
Wun&#x017F;ch, mit dem edlen Jüngling große Mi¬<lb/>
nuten und wohl gar ihr Herz und &#x017F;eines zu<lb/>
theilen. Die Weiber begreifen nicht genug, daß<lb/>
die Idee, wenn &#x017F;ie den männlichen Gei&#x017F;t er¬<lb/>
füllt und erhebt, ihn dann vor der Liebe ver¬<lb/>
&#x017F;chließe und die Per&#x017F;onen verdränge, indeß bei<lb/>
Weibern alle Ideen leicht zu Men&#x017F;chen wer¬<lb/>
den. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Sie giengen über das Forum auf der <hi rendition="#aq">via<lb/>
sacra</hi> zum Coli&#x017F;eo, de&#x017F;&#x017F;en hohe zer&#x017F;paltene Stirn<lb/>
unter dem Mondlicht bleich hernieder&#x017F;chauete.<lb/>
Sie &#x017F;tanden vor den grauen Fel&#x017F;enwänden, die<lb/>
&#x017F;ich auf vier Säulenreihen übereinander hinauf¬<lb/>
baueten und die Flammen &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en hinauf in<lb/>
die Bogen der Arkaden, hoch oben das grüne<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0055] und er legte leicht ſeine Hand auf ihre und ſagte wie überwältigt: „Sophokles!“ — Am nächſten mondhellen Abende darauf be¬ ſtellte Gaſpard Fackeln, damit das Coliſeo mit ſeinem Rieſen-Kreis zuerſt im Feuer vor ihnen ſtände. Dem Ritter, der nur allein mit dem Sohne düſter im düſtern Werke, wie zwei Gei¬ ſter der alten Zeit, umhergehen wollte, drang ſich noch die Fürſtinn auf, aus zu lebhaftem Wunſch, mit dem edlen Jüngling große Mi¬ nuten und wohl gar ihr Herz und ſeines zu theilen. Die Weiber begreifen nicht genug, daß die Idee, wenn ſie den männlichen Geiſt er¬ füllt und erhebt, ihn dann vor der Liebe ver¬ ſchließe und die Perſonen verdränge, indeß bei Weibern alle Ideen leicht zu Menſchen wer¬ den. — Sie giengen über das Forum auf der via sacra zum Coliſeo, deſſen hohe zerſpaltene Stirn unter dem Mondlicht bleich herniederſchauete. Sie ſtanden vor den grauen Felſenwänden, die ſich auf vier Säulenreihen übereinander hinauf¬ baueten und die Flammen ſchoſſen hinauf in die Bogen der Arkaden, hoch oben das grüne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/55
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/55>, abgerufen am 21.11.2024.