sie als Schlachtopfer des von ihr verachteten Roquairol's nach ihrem scharfen unerbittlichen System sehr kalt angesehen, indeß Idoine, welche, durch ihre größere Kenntniß der Menschen, Milde gegen die weiblichen Irthümer des Herzens und Augenblicks mit Strenge gegen Männer verbinden lernen, nur sanft und gerecht gewe¬ sen war.
Als sie in die Kirche voll Trauerlampen traten: schlich sich Albano in eine unbeleuchtete Ecke weg, um nicht zu stören und gestört zu werden. Am hellen Altare stand heiter der ehrwürdige Spener mit dem unbedeckten Haupt voll Silberlocken, der lange Sarg des Bruders stand vor dem Altare zwischen Lichter-Linien. Am Gewölbe der Kirche hieng Nacht und die Ge¬ stalten verlohren sich in das Dunkel, unten durch¬ kreuzten sich Strahlen und Schlagschatten und Menschen. Albano sah wie eine Todespforte die eiserne Gitterthüre des Erbbegräbnisses auf¬ gethan, worein seine frommen Eltern gezogen waren; und ihm war als schreite noch einmal Schoppens brausender Geist hinein, um in das letzte Haus des Menschen einzubrechen. Der
N n 2
ſie als Schlachtopfer des von ihr verachteten Roquairol's nach ihrem ſcharfen unerbittlichen Syſtem ſehr kalt angeſehen, indeß Idoine, welche, durch ihre größere Kenntniß der Menſchen, Milde gegen die weiblichen Irthümer des Herzens und Augenblicks mit Strenge gegen Männer verbinden lernen, nur ſanft und gerecht gewe¬ ſen war.
Als ſie in die Kirche voll Trauerlampen traten: ſchlich ſich Albano in eine unbeleuchtete Ecke weg, um nicht zu ſtören und geſtört zu werden. Am hellen Altare ſtand heiter der ehrwürdige Spener mit dem unbedeckten Haupt voll Silberlocken, der lange Sarg des Bruders ſtand vor dem Altare zwiſchen Lichter-Linien. Am Gewölbe der Kirche hieng Nacht und die Ge¬ ſtalten verlohren ſich in das Dunkel, unten durch¬ kreuzten ſich Strahlen und Schlagſchatten und Menſchen. Albano ſah wie eine Todespforte die eiſerne Gitterthüre des Erbbegräbniſſes auf¬ gethan, worein ſeine frommen Eltern gezogen waren; und ihm war als ſchreite noch einmal Schoppens brauſender Geiſt hinein, um in das letzte Haus des Menſchen einzubrechen. Der
N n 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0575"n="563"/>ſie als Schlachtopfer des von ihr verachteten<lb/>
Roquairol's nach ihrem ſcharfen unerbittlichen<lb/>
Syſtem ſehr kalt angeſehen, indeß Idoine, welche,<lb/>
durch ihre größere Kenntniß der Menſchen, Milde<lb/>
gegen die weiblichen Irthümer des Herzens<lb/>
und Augenblicks mit Strenge gegen Männer<lb/>
verbinden lernen, nur ſanft und gerecht gewe¬<lb/>ſen war.</p><lb/><p>Als ſie in die Kirche voll Trauerlampen<lb/>
traten: ſchlich ſich Albano in eine unbeleuchtete<lb/>
Ecke weg, um nicht zu ſtören und geſtört zu<lb/>
werden. Am hellen Altare ſtand heiter der<lb/>
ehrwürdige Spener mit dem unbedeckten Haupt<lb/>
voll Silberlocken, der lange Sarg des Bruders<lb/>ſtand vor dem Altare zwiſchen Lichter-Linien.<lb/>
Am Gewölbe der Kirche hieng Nacht und die Ge¬<lb/>ſtalten verlohren ſich in das Dunkel, unten durch¬<lb/>
kreuzten ſich Strahlen und Schlagſchatten und<lb/>
Menſchen. Albano ſah wie eine Todespforte<lb/>
die eiſerne Gitterthüre des Erbbegräbniſſes auf¬<lb/>
gethan, worein ſeine frommen Eltern gezogen<lb/>
waren; und ihm war als ſchreite noch einmal<lb/>
Schoppens brauſender Geiſt hinein, um in das<lb/>
letzte Haus des Menſchen einzubrechen. Der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">N n 2<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[563/0575]
ſie als Schlachtopfer des von ihr verachteten
Roquairol's nach ihrem ſcharfen unerbittlichen
Syſtem ſehr kalt angeſehen, indeß Idoine, welche,
durch ihre größere Kenntniß der Menſchen, Milde
gegen die weiblichen Irthümer des Herzens
und Augenblicks mit Strenge gegen Männer
verbinden lernen, nur ſanft und gerecht gewe¬
ſen war.
Als ſie in die Kirche voll Trauerlampen
traten: ſchlich ſich Albano in eine unbeleuchtete
Ecke weg, um nicht zu ſtören und geſtört zu
werden. Am hellen Altare ſtand heiter der
ehrwürdige Spener mit dem unbedeckten Haupt
voll Silberlocken, der lange Sarg des Bruders
ſtand vor dem Altare zwiſchen Lichter-Linien.
Am Gewölbe der Kirche hieng Nacht und die Ge¬
ſtalten verlohren ſich in das Dunkel, unten durch¬
kreuzten ſich Strahlen und Schlagſchatten und
Menſchen. Albano ſah wie eine Todespforte
die eiſerne Gitterthüre des Erbbegräbniſſes auf¬
gethan, worein ſeine frommen Eltern gezogen
waren; und ihm war als ſchreite noch einmal
Schoppens brauſender Geiſt hinein, um in das
letzte Haus des Menſchen einzubrechen. Der
N n 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/575>, abgerufen am 19.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.