Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.lich. Sie spielte Lianen so gut sie wußte nach Er wurde täglich ihr wärmerer Freund, lich. Sie ſpielte Lianen ſo gut ſie wußte nach Er wurde täglich ihr wärmerer Freund, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0082" n="70"/> lich. Sie ſpielte Lianen ſo gut ſie wußte nach<lb/> und nahm den Nonnenſchleier einer religiöſen<lb/> Jungfräulichkeit aus ihrer Bühnen-Garderobe<lb/> hervor, obgleich genialiſche Weiber meiſtens<lb/> ungläubig ſind wie genialiſche Männer gläu¬<lb/> big. Sie machte ihn zum Vertrauten ihrer —<lb/> Vergangenheit und gab die Geſchichte derer,<lb/> die für ſie geſtorben waren, oder doch ver¬<lb/> ſchmachtet, nach weiblicher Art mehr froh als<lb/> reuig; nur das Verhältniß mit ſeinem Vater<lb/> ließ ſie ſchonend hinter einem rührenden Leichen¬<lb/> ſchleier auferſtehen, und ahmte überhaupt dem<lb/> Sohne in der Achtung für den Ritter nach,<lb/> den ſie innerlich bitter haßte. Wenn Albano<lb/> ſtundenlang die Gegenwart vergaß und ſtarr<lb/> ins Opferfeuer der Vergangenheit und Kunſt<lb/> blickte und ihr auf den Bergen ſeiner Welt<lb/> Flammen zeigte, die nicht auf ihrem Altar<lb/> brannten, ſo begleitete ſie ihn geduldig auf<lb/> dieſem Kunſt-Wege und hielt nur wo ſie konn¬<lb/> te, vor Stellen an, wo man einige Ausſicht in<lb/> die — Gegenwart hatte.</p><lb/> <p>Er wurde täglich ihr <hi rendition="#g">wärmerer</hi> Freund,<lb/> ohne ſie nur zu errathen. Nur ein Mann —<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0082]
lich. Sie ſpielte Lianen ſo gut ſie wußte nach
und nahm den Nonnenſchleier einer religiöſen
Jungfräulichkeit aus ihrer Bühnen-Garderobe
hervor, obgleich genialiſche Weiber meiſtens
ungläubig ſind wie genialiſche Männer gläu¬
big. Sie machte ihn zum Vertrauten ihrer —
Vergangenheit und gab die Geſchichte derer,
die für ſie geſtorben waren, oder doch ver¬
ſchmachtet, nach weiblicher Art mehr froh als
reuig; nur das Verhältniß mit ſeinem Vater
ließ ſie ſchonend hinter einem rührenden Leichen¬
ſchleier auferſtehen, und ahmte überhaupt dem
Sohne in der Achtung für den Ritter nach,
den ſie innerlich bitter haßte. Wenn Albano
ſtundenlang die Gegenwart vergaß und ſtarr
ins Opferfeuer der Vergangenheit und Kunſt
blickte und ihr auf den Bergen ſeiner Welt
Flammen zeigte, die nicht auf ihrem Altar
brannten, ſo begleitete ſie ihn geduldig auf
dieſem Kunſt-Wege und hielt nur wo ſie konn¬
te, vor Stellen an, wo man einige Ausſicht in
die — Gegenwart hatte.
Er wurde täglich ihr wärmerer Freund,
ohne ſie nur zu errathen. Nur ein Mann —
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