Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite
I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stühle,
e) Unter-
scheid zwi-
schen unse-
rer und der
Papisten
Beichte we-
gen der Ge-nugthuung.
§. III.

Die unsrigen verwerffen auch die vekannte pa-
pistische Genugthuung vor die Sünde. Man umschreibet
aber dieselbe/ daß sie sey: Eine Compensation vor das geschehe-
ne Unrecht
a). Niemand könnte die Vergebung der Sün-
den erhalten/ wenn man nicht eine Straffe litte/ ob schon
dieselbe dem Verbrechen nicht gleich käme. Allein was ist
dieses vor eine Compensation, da man weniger gibt/ als man
schuldig ist? Es ist also keine Genugthuung da/ wenn man
zu wenig bezahlet. Ziegler hat recht geurtheilet/ da er ge-
sprochen b): Es ist falsch, wenn man vorgiebt, daß die Schuld
einem Sünder nicht erlassen würde, es wäre denn, daß er auch

eine
liche Art zu beichten, solche Gründe herfür gebracht, daß man
nichts dawider einwenden kan. Jch beruffe mich anjetzo nur auf
den eintzigen Chemnitium, der in seinem examine Concilii Tri-
Meinung
der unsrigen
von Erzehlung
der Sünden.
dentini die Sache also abgehandelt, daß die Papisten nichts dar-
wieder zu Marckte bringen können, so den Stich hält. Unsere
Geistlichkeit verbietet niemand die besondere Erzehlung der
Sünden in der Beicht, allein sie geben doch solche vor kein noth-
wendiges Stücke
aus. Die so Lust haben ihre Sünden herzu-
zehlen, denen gehen sie mit Rath an die Hand, und reichen Mit-
tel zur Genesung von seiner Kranckheit dar. Dieses ist zwar gantz
gut, doch düncket mich man könne dazu auch ohne solche Beichte
gelangen. Dieses sage ich aber nur os en parodo.
a) Was die Ge-
nugthuung
seyn soll.
Satisfactio est quaedam in juriae illatae compensatio. Lancellottus Lib.
II. Tit. V. §. 12. Inst. jur. can.
Maldonatus cit. l. p. 78.
saget die Genug-
thuung, wenn man solche überhaupt umschreiben wolte, wäre nichts
anders, als eine Handlung der Justitiae commutatiuae, dadurch
diese beleidigte Gerechtigkeit wiederum hergestellet würde. Sa-
tisfactio, si generaliter definiatur, nihil aliud est, quam actio
quaedam justitiae commutatiuae, qua justitia commutatiua, quae
violata fuerat quasi resarcitur & redintegratur.
Dieses will er
nachmahls durch verschiedene Exempel beweisen.
b) Man bedarff
wegen der
Sünden keiner.
In not. ad Lancell. Lib. II. not. 175. edit. Thomasii. Falsum est, quod
culpa non aliter remittatur homini peccatori, quam si is poenam

quoque
I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,
e) Unter-
ſcheid zwi-
ſchen unſe-
rer und der
Papiſten
Beichte we-
gen der Ge-nugthuung.
§. III.

Die unſrigen verwerffen auch die vekannte pa-
piſtiſche Genugthuung vor die Suͤnde. Man umſchreibet
aber dieſelbe/ daß ſie ſey: Eine Compenſation vor das geſchehe-
ne Unrecht
a). Niemand koͤnnte die Vergebung der Suͤn-
den erhalten/ wenn man nicht eine Straffe litte/ ob ſchon
dieſelbe dem Verbrechen nicht gleich kaͤme. Allein was iſt
dieſes vor eine Compenſation, da man weniger gibt/ als man
ſchuldig iſt? Es iſt alſo keine Genugthuung da/ wenn man
zu wenig bezahlet. Ziegler hat recht geurtheilet/ da er ge-
ſprochen b): Es iſt falſch, wenn man vorgiebt, daß die Schuld
einem Suͤnder nicht erlaſſen wuͤrde, es waͤre denn, daß er auch

eine
liche Art zu beichten, ſolche Gruͤnde herfuͤr gebracht, daß man
nichts dawider einwenden kan. Jch beruffe mich anjetzo nur auf
den eintzigen Chemnitium, der in ſeinem examine Concilii Tri-
Meinung
der unſrigen
von Erzehlung
der Suͤnden.
dentini die Sache alſo abgehandelt, daß die Papiſten nichts dar-
wieder zu Marckte bringen koͤnnen, ſo den Stich haͤlt. Unſere
Geiſtlichkeit verbietet niemand die beſondere Erzehlung der
Suͤnden in der Beicht, allein ſie geben doch ſolche vor kein noth-
wendiges Stuͤcke
aus. Die ſo Luſt haben ihre Suͤnden herzu-
zehlen, denen gehen ſie mit Rath an die Hand, und reichen Mit-
tel zur Geneſung von ſeiner Kranckheit dar. Dieſes iſt zwar gantz
gut, doch duͤncket mich man koͤnne dazu auch ohne ſolche Beichte
gelangen. Dieſes ſage ich aber nur ὥς ἐν παρόδω.
a) Was die Ge-
nugthuung
ſeyn ſoll.
Satisfactio eſt quædam in juriæ illatæ compenſatio. Lancellottus Lib.
II. Tit. V. §. 12. Inſt. jur. can.
Maldonatus cit. l. p. 78.
ſaget die Genug-
thuung, wenn man ſolche uͤberhaupt umſchreiben wolte, waͤre nichts
anders, als eine Handlung der Juſtitiæ commutatiuæ, dadurch
dieſe beleidigte Gerechtigkeit wiederum hergeſtellet wuͤrde. Sa-
tisfactio, ſi generaliter definiatur, nihil aliud eſt, quam actio
quædam juſtitiæ commutatiuæ, qua juſtitia commutatiua, quæ
violata fuerat quaſi reſarcitur & redintegratur.
Dieſes will er
nachmahls durch verſchiedene Exempel beweiſen.
b) Man bedarff
wegen der
Suͤndẽ keiner.
In not. ad Lancell. Lib. II. not. 175. edit. Thomaſii. Falſum eſt, quod
culpa non aliter remittatur homini peccatori, quam ſi is pœnam

quoque
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0151" n="132"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stu&#x0364;hle,</hi> </fw><lb/>
            <note place="left"><hi rendition="#aq">e)</hi> Unter-<lb/>
&#x017F;cheid zwi-<lb/>
&#x017F;chen un&#x017F;e-<lb/>
rer und der<lb/>
Papi&#x017F;ten<lb/>
Beichte we-<lb/>
gen der Ge-nugthuung.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. <hi rendition="#aq">III.</hi></head>
            <p>Die un&#x017F;rigen verwerffen auch die vekannte pa-<lb/>
pi&#x017F;ti&#x017F;che <hi rendition="#fr">Genugthuung</hi> vor die Su&#x0364;nde. Man um&#x017F;chreibet<lb/>
aber die&#x017F;elbe/ daß &#x017F;ie &#x017F;ey: <hi rendition="#fr">Eine</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Compen&#x017F;ation</hi></hi> <hi rendition="#fr">vor das ge&#x017F;chehe-<lb/>
ne Unrecht</hi> <note place="foot" n="a)"><note place="left">Was die Ge-<lb/>
nugthuung<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;oll.</note><hi rendition="#aq">Satisfactio e&#x017F;t quædam in juriæ illatæ compen&#x017F;atio. Lancellottus <hi rendition="#i">Lib.<lb/>
II. Tit. V. §. 12. In&#x017F;t. jur. can.</hi> Maldonatus <hi rendition="#i">cit. l. p. 78.</hi></hi> &#x017F;aget die Genug-<lb/>
thuung, wenn man &#x017F;olche u&#x0364;berhaupt um&#x017F;chreiben wolte, wa&#x0364;re nichts<lb/>
anders, als eine Handlung der <hi rendition="#aq">Ju&#x017F;titiæ commutatiuæ,</hi> dadurch<lb/>
die&#x017F;e beleidigte Gerechtigkeit wiederum herge&#x017F;tellet wu&#x0364;rde. <hi rendition="#aq">Sa-<lb/>
tisfactio, &#x017F;i generaliter definiatur, nihil aliud e&#x017F;t, quam actio<lb/>
quædam ju&#x017F;titiæ commutatiuæ, qua ju&#x017F;titia commutatiua, quæ<lb/>
violata fuerat qua&#x017F;i re&#x017F;arcitur &amp; redintegratur.</hi> Die&#x017F;es will er<lb/>
nachmahls durch ver&#x017F;chiedene Exempel bewei&#x017F;en.</note>. Niemand ko&#x0364;nnte die Vergebung der Su&#x0364;n-<lb/>
den erhalten/ wenn man nicht eine Straffe litte/ ob &#x017F;chon<lb/>
die&#x017F;elbe dem Verbrechen nicht gleich ka&#x0364;me. Allein was i&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;es vor eine <hi rendition="#aq">Compen&#x017F;ation,</hi> da man weniger gibt/ als man<lb/>
&#x017F;chuldig i&#x017F;t? Es i&#x017F;t al&#x017F;o keine Genugthuung da/ wenn man<lb/>
zu wenig bezahlet. <hi rendition="#aq">Ziegler</hi> hat recht geurtheilet/ da er ge-<lb/>
&#x017F;prochen <note xml:id="g15" next="#g16" place="foot" n="b)"><note place="left">Man bedarff<lb/>
wegen der<lb/>
Su&#x0364;nde&#x0303; keiner.</note><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">In not. ad Lancell. Lib. II. not. 175. edit. Thoma&#x017F;ii.</hi> Fal&#x017F;um e&#x017F;t, quod<lb/>
culpa non aliter remittatur homini peccatori, quam &#x017F;i is p&#x0153;nam</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">quoque</hi></fw></note>: <hi rendition="#fr">Es i&#x017F;t fal&#x017F;ch, wenn man vorgiebt, daß die Schuld<lb/>
einem Su&#x0364;nder nicht erla&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde, es wa&#x0364;re denn, daß er auch</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">eine</hi></fw><lb/><note xml:id="g14" prev="#g13" place="foot" n="(d)">liche Art zu beichten, &#x017F;olche Gru&#x0364;nde herfu&#x0364;r gebracht, daß man<lb/>
nichts dawider einwenden kan. Jch beruffe mich anjetzo nur auf<lb/>
den eintzigen <hi rendition="#aq">Chemnitium,</hi> der in &#x017F;einem <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">examine</hi> Concilii Tri-</hi><lb/><note place="left"><hi rendition="#g">Meinung</hi><lb/>
der un&#x017F;rigen<lb/>
von Erzehlung<lb/>
der Su&#x0364;nden.</note><hi rendition="#aq">dentini</hi> die Sache al&#x017F;o abgehandelt, daß die Papi&#x017F;ten nichts dar-<lb/>
wieder zu Marckte bringen ko&#x0364;nnen, &#x017F;o den Stich ha&#x0364;lt. Un&#x017F;ere<lb/>
Gei&#x017F;tlichkeit verbietet niemand die <hi rendition="#fr">be&#x017F;ondere Erzehlung</hi> der<lb/>
Su&#x0364;nden in der Beicht, allein &#x017F;ie geben doch &#x017F;olche vor kein <hi rendition="#fr">noth-<lb/>
wendiges Stu&#x0364;cke</hi> aus. Die &#x017F;o Lu&#x017F;t haben ihre Su&#x0364;nden herzu-<lb/>
zehlen, denen gehen &#x017F;ie mit Rath an die Hand, und reichen Mit-<lb/>
tel zur Gene&#x017F;ung von &#x017F;einer Kranckheit dar. Die&#x017F;es i&#x017F;t zwar gantz<lb/>
gut, doch du&#x0364;ncket mich man ko&#x0364;nne dazu auch ohne &#x017F;olche Beichte<lb/>
gelangen. Die&#x017F;es &#x017F;age ich aber nur &#x1F65;&#x03C2; &#x1F10;&#x03BD; &#x03C0;&#x03B1;&#x03C1;&#x03CC;&#x03B4;&#x03C9;.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0151] I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle, §. III. Die unſrigen verwerffen auch die vekannte pa- piſtiſche Genugthuung vor die Suͤnde. Man umſchreibet aber dieſelbe/ daß ſie ſey: Eine Compenſation vor das geſchehe- ne Unrecht a). Niemand koͤnnte die Vergebung der Suͤn- den erhalten/ wenn man nicht eine Straffe litte/ ob ſchon dieſelbe dem Verbrechen nicht gleich kaͤme. Allein was iſt dieſes vor eine Compenſation, da man weniger gibt/ als man ſchuldig iſt? Es iſt alſo keine Genugthuung da/ wenn man zu wenig bezahlet. Ziegler hat recht geurtheilet/ da er ge- ſprochen b): Es iſt falſch, wenn man vorgiebt, daß die Schuld einem Suͤnder nicht erlaſſen wuͤrde, es waͤre denn, daß er auch eine (d) a) Satisfactio eſt quædam in juriæ illatæ compenſatio. Lancellottus Lib. II. Tit. V. §. 12. Inſt. jur. can. Maldonatus cit. l. p. 78. ſaget die Genug- thuung, wenn man ſolche uͤberhaupt umſchreiben wolte, waͤre nichts anders, als eine Handlung der Juſtitiæ commutatiuæ, dadurch dieſe beleidigte Gerechtigkeit wiederum hergeſtellet wuͤrde. Sa- tisfactio, ſi generaliter definiatur, nihil aliud eſt, quam actio quædam juſtitiæ commutatiuæ, qua juſtitia commutatiua, quæ violata fuerat quaſi reſarcitur & redintegratur. Dieſes will er nachmahls durch verſchiedene Exempel beweiſen. b) In not. ad Lancell. Lib. II. not. 175. edit. Thomaſii. Falſum eſt, quod culpa non aliter remittatur homini peccatori, quam ſi is pœnam quoque (d) liche Art zu beichten, ſolche Gruͤnde herfuͤr gebracht, daß man nichts dawider einwenden kan. Jch beruffe mich anjetzo nur auf den eintzigen Chemnitium, der in ſeinem examine Concilii Tri- dentini die Sache alſo abgehandelt, daß die Papiſten nichts dar- wieder zu Marckte bringen koͤnnen, ſo den Stich haͤlt. Unſere Geiſtlichkeit verbietet niemand die beſondere Erzehlung der Suͤnden in der Beicht, allein ſie geben doch ſolche vor kein noth- wendiges Stuͤcke aus. Die ſo Luſt haben ihre Suͤnden herzu- zehlen, denen gehen ſie mit Rath an die Hand, und reichen Mit- tel zur Geneſung von ſeiner Kranckheit dar. Dieſes iſt zwar gantz gut, doch duͤncket mich man koͤnne dazu auch ohne ſolche Beichte gelangen. Dieſes ſage ich aber nur ὥς ἐν παρόδω.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/151
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/151>, abgerufen am 24.11.2024.