Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stühle, Noch unförmlicher kommt es heraus/ wenn man dasjeni-ge auf die heutige Beichte ziehen will/ was Nehemias von dem Jüdischen Volck d)/ und der Evangelist Lucas von einer gewissen Sünderin aufgezeichnet e). Nichts destowe- niger so vergehen sich grosse und berühmte Leute also/ daß sie auf diese Exempel verfallen/ wenn sie unsere heutige Art zu beichten aus der göttlichen Schrifft herholen und be- weisen wollen. §. V. solches keinesweges: Auf diese deine Beichte vergebe ich dir die Sünde krafft meines heiligen Amtes, als dein Hoffprediger, sondern er sprach diese Wort: So hat der HErr auch deine Sünde weggenommen, du wirst nicht sterben. d) Die heutige Beichte kan man aus Nehe- mia nicht er- weisen.Nehem. IX. Jch finde in dieser Stelle nichts anders, als daß das Volck, da man ihm das göttliche Gesetze vorgelesen, wegen seiner Sünden Leid getragen, und zu weinen angefangen. Die Leviten rufften zu GOtt und baten, er möchte ihnen doch von neuen gnädig seyn. Dieses Gebet der Leviten will Chemnitius cit. l. zur abso- lution machen. Jch habe sonst allen respect vor die Asche die- ses Theologi, allein ich kan doch nicht umhin, zu sagen, daß solche Erklärung gezwungen heraus kommt. Sie ist auch darum nicht richtig, weil aus derselben folget, daß ein jeder, der vor den andern zu GOtt bittet, denselben durch das Gebet absoluirte. Man hät- te ein solches Exempel anführen sollen, da das Volck vor die Prie- ster gekommen, ihnen seine Sünden gebeichtet, die absolution ver- langet, und nachmahls auch an GOttes statt von ihnen absol- uiret worden. e) Noch aus
Christi Hand- lung.Luc. VII, 37. seq. Allein diese absolution ist ja von keinem Men- schen, sondern von dem GOtt-Menschen, Christo JEsu gesprochen worden. Dieser hatte alle Gewalt im Himmel und auf Erden, und absonderlich auch die Gewalt Sünde zu vergeben. Uber dieses so hat ja die Sünderin keine Beichte abgeleget. Sie zeig- te ihr zerknirschtes Hertz bloß durch Minen. u. s. w. Also ist es wunderlich, wenn man aus dieser Schrifft-Stelle unsern heu- tigen Beicht-Stuhl erweisen will. a) Cal- I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle, Noch unfoͤrmlicher kommt es heraus/ wenn man dasjeni-ge auf die heutige Beichte ziehen will/ was Nehemias von dem Juͤdiſchen Volck d)/ und der Evangeliſt Lucas von einer gewiſſen Suͤnderin aufgezeichnet e). Nichts deſtowe- niger ſo vergehen ſich groſſe und beruͤhmte Leute alſo/ daß ſie auf dieſe Exempel verfallen/ wenn ſie unſere heutige Art zu beichten aus der goͤttlichen Schrifft herholen und be- weiſen wollen. §. V. ſolches keinesweges: Auf dieſe deine Beichte vergebe ich dir die Suͤnde krafft meines heiligen Amtes, als dein Hoffprediger, ſondern er ſprach dieſe Wort: So hat der HErr auch deine Suͤnde weggenommen, du wirſt nicht ſterben. d) Die heutige Beichte kan man aus Nehe- mia nicht er- weiſen.Nehem. IX. Jch finde in dieſer Stelle nichts anders, als daß das Volck, da man ihm das goͤttliche Geſetze vorgeleſen, wegen ſeiner Suͤnden Leid getragen, und zu weinen angefangen. Die Leviten rufften zu GOtt und baten, er moͤchte ihnen doch von neuen gnaͤdig ſeyn. Dieſes Gebet der Leviten will Chemnitius cit. l. zur abſo- lution machen. Jch habe ſonſt allen reſpect vor die Aſche die- ſes Theologi, allein ich kan doch nicht umhin, zu ſagen, daß ſolche Erklaͤrung gezwungen heraus kommt. Sie iſt auch darum nicht richtig, weil aus derſelben folget, daß ein jeder, der vor den andern zu GOtt bittet, denſelben durch das Gebet abſoluirte. Man haͤt- te ein ſolches Exempel anfuͤhren ſollen, da das Volck vor die Prie- ſter gekommen, ihnen ſeine Suͤnden gebeichtet, die abſolution ver- langet, und nachmahls auch an GOttes ſtatt von ihnen abſol- uiret worden. e) Noch aus
Chriſti Hand- lung.Luc. VII, 37. ſeq. Allein dieſe abſolution iſt ja von keinem Men- ſchen, ſondern von dem GOtt-Menſchen, Chriſto JEſu geſprochen worden. Dieſer hatte alle Gewalt im Himmel und auf Erden, und abſonderlich auch die Gewalt Suͤnde zu vergeben. Uber dieſes ſo hat ja die Suͤnderin keine Beichte abgeleget. Sie zeig- te ihr zerknirſchtes Hertz bloß durch Minen. u. ſ. w. Alſo iſt es wunderlich, wenn man aus dieſer Schrifft-Stelle unſern heu- tigen Beicht-Stuhl erweiſen will. a) Cal- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0155" n="136"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,</hi></fw><lb/> Noch unfoͤrmlicher kommt es heraus/ wenn man dasjeni-<lb/> ge auf die heutige Beichte ziehen will/ was Nehemias von<lb/> dem Juͤdiſchen Volck <note place="foot" n="d)"><note place="left">Die heutige<lb/> Beichte kan<lb/> man aus Nehe-<lb/> mia nicht er-<lb/> weiſen.</note><hi rendition="#aq">Nehem. IX.</hi> Jch finde in dieſer Stelle nichts anders, als daß das<lb/> Volck, da man ihm das goͤttliche Geſetze vorgeleſen, wegen ſeiner<lb/> Suͤnden Leid getragen, und zu weinen angefangen. Die Leviten<lb/> rufften zu GOtt und baten, er moͤchte ihnen doch von neuen gnaͤdig<lb/> ſeyn. Dieſes Gebet der Leviten will <hi rendition="#aq">Chemnitius <hi rendition="#i">cit. l.</hi></hi> zur <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">abſo-<lb/> lution</hi></hi> machen. Jch habe ſonſt allen <hi rendition="#aq">reſpect</hi> vor die Aſche die-<lb/> ſes <hi rendition="#aq">Theologi,</hi> allein ich kan doch nicht umhin, zu ſagen, daß ſolche<lb/> Erklaͤrung gezwungen heraus kommt. Sie iſt auch darum nicht<lb/> richtig, weil aus derſelben folget, daß ein jeder, der vor den andern<lb/> zu GOtt bittet, denſelben durch das Gebet <hi rendition="#aq">abſoluirte.</hi> Man haͤt-<lb/> te ein ſolches Exempel anfuͤhren ſollen, da das Volck vor die Prie-<lb/> ſter gekommen, ihnen ſeine Suͤnden gebeichtet, die <hi rendition="#aq">abſolution</hi> ver-<lb/> langet, und nachmahls auch an <hi rendition="#fr">GOttes ſtatt</hi> von ihnen <hi rendition="#aq">abſol-<lb/> uiret</hi> worden.</note>/ und der Evangeliſt Lucas von<lb/> einer gewiſſen Suͤnderin aufgezeichnet <note place="foot" n="e)"><note place="left">Noch aus<lb/> Chriſti Hand-<lb/> lung.</note><hi rendition="#aq">Luc. VII, 37. ſeq.</hi> Allein dieſe <hi rendition="#aq">abſolution</hi> iſt ja von keinem Men-<lb/> ſchen, ſondern von dem GOtt-Menſchen, Chriſto JEſu geſprochen<lb/> worden. Dieſer hatte alle Gewalt im Himmel und auf Erden,<lb/> und abſonderlich auch die Gewalt <hi rendition="#fr">Suͤnde zu vergeben.</hi> Uber<lb/> dieſes ſo hat ja die Suͤnderin keine Beichte abgeleget. Sie zeig-<lb/> te ihr zerknirſchtes Hertz bloß durch Minen. u. ſ. w. Alſo iſt<lb/> es wunderlich, wenn man aus dieſer Schrifft-Stelle unſern heu-<lb/> tigen Beicht-Stuhl erweiſen will.<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">a) Cal-</hi></fw></note>. Nichts deſtowe-<lb/> niger ſo vergehen ſich groſſe und beruͤhmte Leute alſo/ daß<lb/> ſie auf dieſe Exempel verfallen/ wenn ſie unſere heutige Art<lb/> zu beichten aus der goͤttlichen Schrifft herholen und be-<lb/> weiſen wollen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">§. <hi rendition="#aq">V.</hi></fw><lb/> <p> <note xml:id="g22" prev="#g21" place="foot" n="(c)">ſolches keinesweges: Auf dieſe deine Beichte vergebe ich dir<lb/> die Suͤnde krafft meines heiligen Amtes, als <hi rendition="#fr">dein Hoffprediger,</hi><lb/> ſondern er ſprach dieſe Wort: <hi rendition="#fr">So hat der HErr auch deine<lb/> Suͤnde weggenommen, du wirſt nicht ſterben.</hi></note> </p> </div><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [136/0155]
I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,
Noch unfoͤrmlicher kommt es heraus/ wenn man dasjeni-
ge auf die heutige Beichte ziehen will/ was Nehemias von
dem Juͤdiſchen Volck d)/ und der Evangeliſt Lucas von
einer gewiſſen Suͤnderin aufgezeichnet e). Nichts deſtowe-
niger ſo vergehen ſich groſſe und beruͤhmte Leute alſo/ daß
ſie auf dieſe Exempel verfallen/ wenn ſie unſere heutige Art
zu beichten aus der goͤttlichen Schrifft herholen und be-
weiſen wollen.
§. V.
(c)
d) Nehem. IX. Jch finde in dieſer Stelle nichts anders, als daß das
Volck, da man ihm das goͤttliche Geſetze vorgeleſen, wegen ſeiner
Suͤnden Leid getragen, und zu weinen angefangen. Die Leviten
rufften zu GOtt und baten, er moͤchte ihnen doch von neuen gnaͤdig
ſeyn. Dieſes Gebet der Leviten will Chemnitius cit. l. zur abſo-
lution machen. Jch habe ſonſt allen reſpect vor die Aſche die-
ſes Theologi, allein ich kan doch nicht umhin, zu ſagen, daß ſolche
Erklaͤrung gezwungen heraus kommt. Sie iſt auch darum nicht
richtig, weil aus derſelben folget, daß ein jeder, der vor den andern
zu GOtt bittet, denſelben durch das Gebet abſoluirte. Man haͤt-
te ein ſolches Exempel anfuͤhren ſollen, da das Volck vor die Prie-
ſter gekommen, ihnen ſeine Suͤnden gebeichtet, die abſolution ver-
langet, und nachmahls auch an GOttes ſtatt von ihnen abſol-
uiret worden.
e) Luc. VII, 37. ſeq. Allein dieſe abſolution iſt ja von keinem Men-
ſchen, ſondern von dem GOtt-Menſchen, Chriſto JEſu geſprochen
worden. Dieſer hatte alle Gewalt im Himmel und auf Erden,
und abſonderlich auch die Gewalt Suͤnde zu vergeben. Uber
dieſes ſo hat ja die Suͤnderin keine Beichte abgeleget. Sie zeig-
te ihr zerknirſchtes Hertz bloß durch Minen. u. ſ. w. Alſo iſt
es wunderlich, wenn man aus dieſer Schrifft-Stelle unſern heu-
tigen Beicht-Stuhl erweiſen will.
a) Cal-
(c) ſolches keinesweges: Auf dieſe deine Beichte vergebe ich dir
die Suͤnde krafft meines heiligen Amtes, als dein Hoffprediger,
ſondern er ſprach dieſe Wort: So hat der HErr auch deine
Suͤnde weggenommen, du wirſt nicht ſterben.
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Zitationshilfe: | Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/155>, abgerufen am 16.02.2025. |