Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stühle, rer Dinge zu geschweigen. Allein die gantze Lehre von ei-ner ecclesia repraesentatiua ist eine Mißgeburt des Gehir- nes einiger Lehrer/ und hat in der gantzen heiligen Schrifft nicht den geringsten Grund. Solche Meinung/ daß eine besondere Geistlichkeit die gantze Kirche repraesentire/ ist ei- ne der vornehmsten Stützen des Papstthums. Die gan- tze Hierarchie ist darauf gebauet/ und wenn man diese Mei- nung denen Einfältigen nicht beygebracht/ würde die Ca- tholische Geistlichkeit nimmermehr so mächtig geworden seyn b). die Kirche re- praesentiret. §. XI. bey Collegiis solche Dinge vorfallen, die nicht ein jedes Glied in- sonderheit verrichten kan, sondern es muß aller Einstimmung, oder doch der meisten ihre dabey seyn. Allein ich nehme nun- mehro vor bekannt an, die Kirche habe das Recht und die Ge- walt Sünde zu vergeben. Wie kommt denn solches auf die Geist- lichkeit? du sprichst: Die Kirche berufft die Geistlichen, und da- durch trägt sie ihnen die Ausübung solches Rechts auf. Also hätten die Geistlichen ihre Gewalt bloß von der Kirche und folg- bar nur von Menschen. Es ergiebet sich hieraus ferner, daß die Kirche die Ausübung solcher Gewalt auch andern als denen Geist- lichen auftragen könnte. Sie wäre befugt, denen Schustern, Schneidern und andern Handwercksleuten, oder denen Juristen, Medicinern u. s. f. dieses Recht auszuüben, zu vergönnen. Die- ses werden aber die Herren Geistlichen nicht einräumen wollen. Allein so sollten sie auch nicht sagen, die Apostel hätten die Kirche repraesentiret, als ihnen Christus die Macht Sünde zu verge- ben verwilliget. b) Bedentung des
Worts Kirche.Das Wort Kirche ekklesia, so offt es in der Bibel vorkommt, deutet entweder eine jede Menge des Volckes an, Actor. XIX, 32. oder die Menge der Gläubigen in Christum, Matth. XVI, 18. Rom. XVI, 16. Gal. I, 3. Eph. V. 23. sq. oder die Gläubigen an einem gewissen Ort, ob solche gleich keine äusserliche Zusammenkunfft halten, Actor. II, 47. IV, 32. V, 14. Rom. XVI, 1. seq. 1. Cor. VI, 4. oder die I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle, rer Dinge zu geſchweigen. Allein die gantze Lehre von ei-ner eccleſia repræſentatiua iſt eine Mißgeburt des Gehir- nes einiger Lehrer/ und hat in der gantzen heiligen Schrifft nicht den geringſten Grund. Solche Meinung/ daß eine beſondere Geiſtlichkeit die gantze Kirche repræſentire/ iſt ei- ne der vornehmſten Stuͤtzen des Papſtthums. Die gan- tze Hierarchie iſt darauf gebauet/ und wenn man dieſe Mei- nung denen Einfaͤltigen nicht beygebracht/ wuͤrde die Ca- tholiſche Geiſtlichkeit nimmermehr ſo maͤchtig geworden ſeyn b). die Kirche re- præſentiret. §. XI. bey Collegiis ſolche Dinge vorfallen, die nicht ein jedes Glied in- ſonderheit verrichten kan, ſondern es muß aller Einſtimmung, oder doch der meiſten ihre dabey ſeyn. Allein ich nehme nun- mehro vor bekannt an, die Kirche habe das Recht und die Ge- walt Suͤnde zu vergeben. Wie kommt denn ſolches auf die Geiſt- lichkeit? du ſprichſt: Die Kirche berufft die Geiſtlichen, und da- durch traͤgt ſie ihnen die Ausuͤbung ſolches Rechts auf. Alſo haͤtten die Geiſtlichen ihre Gewalt bloß von der Kirche und folg- bar nur von Menſchen. Es ergiebet ſich hieraus ferner, daß die Kirche die Ausuͤbung ſolcher Gewalt auch andern als denen Geiſt- lichen auftragen koͤnnte. Sie waͤre befugt, denen Schuſtern, Schneidern und andern Handwercksleuten, oder denen Juriſten, Medicinern u. ſ. f. dieſes Recht auszuuͤben, zu vergoͤnnen. Die- ſes werden aber die Herren Geiſtlichen nicht einraͤumen wollen. Allein ſo ſollten ſie auch nicht ſagen, die Apoſtel haͤtten die Kirche repræſentiret, als ihnen Chriſtus die Macht Suͤnde zu verge- ben verwilliget. b) Bedentung des
Worts Kirche.Das Wort Kirche ἐκκλησία, ſo offt es in der Bibel vorkommt, deutet entweder eine jede Menge des Volckes an, Actor. XIX, 32. oder die Menge der Glaͤubigen in Chriſtum, Matth. XVI, 18. Rom. XVI, 16. Gal. I, 3. Eph. V. 23. ſq. oder die Glaͤubigen an einem gewiſſen Ort, ob ſolche gleich keine aͤuſſerliche Zuſammenkunfft halten, Actor. II, 47. IV, 32. V, 14. Rom. XVI, 1. ſeq. 1. Cor. VI, 4. oder die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0167" n="148"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,</hi></fw><lb/> rer Dinge zu geſchweigen. Allein die gantze Lehre von ei-<lb/> ner <hi rendition="#aq">eccleſia repræſentatiua</hi> iſt eine Mißgeburt des Gehir-<lb/> nes einiger Lehrer/ und hat in der gantzen heiligen Schrifft<lb/> nicht den geringſten Grund. Solche Meinung/ daß eine<lb/> beſondere Geiſtlichkeit die gantze Kirche <hi rendition="#aq">repræſenti</hi>re/ iſt ei-<lb/> ne der vornehmſten Stuͤtzen des Papſtthums. Die gan-<lb/> tze <hi rendition="#aq">Hierarchie</hi> iſt darauf gebauet/ und wenn man dieſe Mei-<lb/> nung denen Einfaͤltigen nicht beygebracht/ wuͤrde die Ca-<lb/> tholiſche Geiſtlichkeit nimmermehr ſo maͤchtig geworden<lb/> ſeyn <note xml:id="g33" next="#g34" place="foot" n="b)"><note place="left">Bedentung des<lb/> Worts Kirche.</note>Das Wort Kirche ἐκκλησία, ſo offt es in der Bibel vorkommt,<lb/> deutet entweder eine jede Menge des Volckes an, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Actor. XIX,</hi> 32.</hi><lb/> oder die Menge der <hi rendition="#fr">Glaͤubigen in Chriſtum,</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Matth. XVI, 18.<lb/> Rom. XVI, 16. Gal. I, 3. Eph. V. 23. ſq.</hi></hi> oder die <hi rendition="#fr">Glaͤubigen an einem<lb/> gewiſſen Ort,</hi> ob ſolche gleich keine aͤuſſerliche Zuſammenkunfft<lb/> halten, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Actor. II, 47. IV, 32. V, 14. Rom. XVI, 1. ſeq. 1. Cor. VI,</hi> 4.</hi> oder<lb/> <fw place="bottom" type="catch">die</fw></note>.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">§. <hi rendition="#aq">XI.</hi></fw><lb/> <note place="left">Apoſtel haͤtten<lb/> die Kirche <hi rendition="#aq">re-<lb/> præſenti</hi>ret.</note> <p> <note xml:id="g32" prev="#g31" place="foot" n="(a)">bey <hi rendition="#aq">Collegiis</hi> ſolche Dinge vorfallen, die nicht ein jedes Glied in-<lb/> ſonderheit verrichten kan, ſondern es muß aller Einſtimmung,<lb/> oder doch der meiſten ihre dabey ſeyn. Allein ich nehme nun-<lb/> mehro vor bekannt an, die Kirche habe das Recht und die Ge-<lb/> walt Suͤnde zu vergeben. Wie kommt denn ſolches auf die Geiſt-<lb/> lichkeit? du ſprichſt: Die Kirche berufft die Geiſtlichen, und da-<lb/> durch traͤgt ſie ihnen die Ausuͤbung ſolches Rechts auf. Alſo<lb/> haͤtten die Geiſtlichen ihre Gewalt bloß von der Kirche und folg-<lb/> bar nur von Menſchen. Es ergiebet ſich hieraus ferner, daß die<lb/> Kirche die Ausuͤbung ſolcher Gewalt auch andern als denen Geiſt-<lb/> lichen auftragen koͤnnte. Sie waͤre befugt, denen Schuſtern,<lb/> Schneidern und andern Handwercksleuten, oder denen <hi rendition="#aq">Juri</hi>ſten,<lb/><hi rendition="#aq">Medici</hi>nern u. ſ. f. dieſes Recht auszuuͤben, zu vergoͤnnen. Die-<lb/> ſes werden aber die Herren Geiſtlichen nicht einraͤumen wollen.<lb/> Allein ſo ſollten ſie auch nicht ſagen, die Apoſtel haͤtten die Kirche<lb/><hi rendition="#aq">repræſenti</hi>ret, als ihnen Chriſtus die Macht Suͤnde zu verge-<lb/> ben verwilliget.</note> </p> </div><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0167]
I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,
rer Dinge zu geſchweigen. Allein die gantze Lehre von ei-
ner eccleſia repræſentatiua iſt eine Mißgeburt des Gehir-
nes einiger Lehrer/ und hat in der gantzen heiligen Schrifft
nicht den geringſten Grund. Solche Meinung/ daß eine
beſondere Geiſtlichkeit die gantze Kirche repræſentire/ iſt ei-
ne der vornehmſten Stuͤtzen des Papſtthums. Die gan-
tze Hierarchie iſt darauf gebauet/ und wenn man dieſe Mei-
nung denen Einfaͤltigen nicht beygebracht/ wuͤrde die Ca-
tholiſche Geiſtlichkeit nimmermehr ſo maͤchtig geworden
ſeyn b).
§. XI.
(a)
b) Das Wort Kirche ἐκκλησία, ſo offt es in der Bibel vorkommt,
deutet entweder eine jede Menge des Volckes an, Actor. XIX, 32.
oder die Menge der Glaͤubigen in Chriſtum, Matth. XVI, 18.
Rom. XVI, 16. Gal. I, 3. Eph. V. 23. ſq. oder die Glaͤubigen an einem
gewiſſen Ort, ob ſolche gleich keine aͤuſſerliche Zuſammenkunfft
halten, Actor. II, 47. IV, 32. V, 14. Rom. XVI, 1. ſeq. 1. Cor. VI, 4. oder
die
(a) bey Collegiis ſolche Dinge vorfallen, die nicht ein jedes Glied in-
ſonderheit verrichten kan, ſondern es muß aller Einſtimmung,
oder doch der meiſten ihre dabey ſeyn. Allein ich nehme nun-
mehro vor bekannt an, die Kirche habe das Recht und die Ge-
walt Suͤnde zu vergeben. Wie kommt denn ſolches auf die Geiſt-
lichkeit? du ſprichſt: Die Kirche berufft die Geiſtlichen, und da-
durch traͤgt ſie ihnen die Ausuͤbung ſolches Rechts auf. Alſo
haͤtten die Geiſtlichen ihre Gewalt bloß von der Kirche und folg-
bar nur von Menſchen. Es ergiebet ſich hieraus ferner, daß die
Kirche die Ausuͤbung ſolcher Gewalt auch andern als denen Geiſt-
lichen auftragen koͤnnte. Sie waͤre befugt, denen Schuſtern,
Schneidern und andern Handwercksleuten, oder denen Juriſten,
Medicinern u. ſ. f. dieſes Recht auszuuͤben, zu vergoͤnnen. Die-
ſes werden aber die Herren Geiſtlichen nicht einraͤumen wollen.
Allein ſo ſollten ſie auch nicht ſagen, die Apoſtel haͤtten die Kirche
repræſentiret, als ihnen Chriſtus die Macht Suͤnde zu verge-
ben verwilliget.
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Zitationshilfe: | Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/167>, abgerufen am 16.02.2025. |