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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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bey denen Protestirenden.
lein auf was Art und Weise kan man alsobald erkennen/
wer ein rechtmäßig beruffener Diener/ wer ein wahrhafter
Gläubiger ist? GOtt/ der in das Verborgene siehet/ weiß es.
Wir Menschen können dieses nicht ergründen. Jch sage al-
so weiter nichts/ als daß dergleichen Meinungen nicht ap-
plici
ret werden können/ sondern blosse petitiones principii
sind/ wie man in Schulen redet. Niemand kan feste da-
rauf fussen/ sondern muß hin und her wancken/ und laufft
endlich alles auf leere Grillen naus b).

§. XIII.
b) So raisonniret der angeführte Anonymus in denen AntwortenOb alle Gläu-
bige allein die
Sünde verge-
ben können?

auf etliche Theol. Fragen. Die gantze Gemeine, saget er, und
nicht eine sonderbahre Clerisey, segnete Jesus mit dem Gei-
ste des Mundes GOttes, und hauchte ihnen den lebendigen
Othem, den sie durch den Fall verlohren hatten, nun zu einem
Ausbruch des göttl. Lebens in ihnen, wieder ein. Diejenigen
nun, die dergestalt samt ihm lebendig gemacht, und samt ihm
in das himmlische Wesen versetzt wurden, bekamen Macht Sün-
de zu vergeben auf Erden, auf die Art, wie Christus selber
Macht bekommen hatte, Sünde zu vergeben.
Allein woher kan ich
wissen, dieser oder jener sey ein solcher geistlicher Mensch? Wer
kan in das innerste des Hertzens sehen? Von denen äusserlichen
Handlungen, in einer so wichtigen Sache ein Urtheil zu fällen,
wäre etwas verwegens. Sind nicht viele Handlungen also be-
schaffen, daß sie einen Schein der Gottesfurcht, des göttlichen
Eifers
und so weiter haben? Und dennoch kommen solche aus ei-
nem unreinen Hertzen her. Ja selbst das temperament der Men-
schen ist also zuweilen bewand, daß die Thaten recht tugendhafft
scheinen. Jn der That aber sind es keine rechte Tugenden. Sie
haben nur den Schein, und müssen vielmehr mit der erbarn Auf-
führung der Heyden verglichen werden. vid. Flechier de la faus-
sete des vertus humaines.
Also taugt auch diese Meinung nichts,
wenn ich sage: Die Gläubigen hätten die Gewalt, Sünde
zu vergeben.
Jch kan solche nicht von denen Scheinheiligen
unter-
(Recht der Beicht-Stühle.) u

bey denen Proteſtirenden.
lein auf was Art und Weiſe kan man alſobald erkennen/
wer ein rechtmaͤßig beruffener Diener/ wer ein wahrhafter
Glaͤubiger iſt? GOtt/ der in das Verborgene ſiehet/ weiß es.
Wir Menſchen koͤnnen dieſes nicht ergruͤnden. Jch ſage al-
ſo weiter nichts/ als daß dergleichen Meinungen nicht ap-
plici
ret werden koͤnnen/ ſondern bloſſe petitiones principii
ſind/ wie man in Schulen redet. Niemand kan feſte da-
rauf fuſſen/ ſondern muß hin und her wancken/ und laufft
endlich alles auf leere Grillen naus b).

§. XIII.
b) So raiſonniret der angefuͤhrte Anonymus in denen AntwortenOb alle Glaͤu-
bige allein die
Suͤnde verge-
ben koͤnnen?

auf etliche Theol. Fragen. Die gantze Gemeine, ſaget er, und
nicht eine ſonderbahre Cleriſey, ſegnete Jeſus mit dem Gei-
ſte des Mundes GOttes, und hauchte ihnen den lebendigen
Othem, den ſie durch den Fall verlohren hatten, nun zu einem
Ausbruch des goͤttl. Lebens in ihnen, wieder ein. Diejenigen
nun, die dergeſtalt ſamt ihm lebendig gemacht, und ſamt ihm
in das him̃liſche Weſen veꝛſetzt wurden, bekamen Macht Suͤn-
de zu vergeben auf Erden, auf die Art, wie Chriſtus ſelber
Macht bekom̃en hatte, Suͤnde zu vergeben.
Allein woher kan ich
wiſſen, dieſer oder jener ſey ein ſolcher geiſtlicher Menſch? Wer
kan in das innerſte des Hertzens ſehen? Von denen aͤuſſerlichen
Handlungen, in einer ſo wichtigen Sache ein Urtheil zu faͤllen,
waͤre etwas verwegens. Sind nicht viele Handlungen alſo be-
ſchaffen, daß ſie einen Schein der Gottesfurcht, des goͤttlichen
Eifers
und ſo weiter haben? Und dennoch kommen ſolche aus ei-
nem unreinen Hertzen her. Ja ſelbſt das temperament der Men-
ſchen iſt alſo zuweilen bewand, daß die Thaten recht tugendhafft
ſcheinen. Jn der That aber ſind es keine rechte Tugenden. Sie
haben nur den Schein, und muͤſſen vielmehr mit der erbarn Auf-
fuͤhrung der Heyden verglichen werden. vid. Flechier de la faus-
ſeté des vertus humaines.
Alſo taugt auch dieſe Meinung nichts,
wenn ich ſage: Die Glaͤubigen haͤtten die Gewalt, Suͤnde
zu vergeben.
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[153/0172] bey denen Proteſtirenden. lein auf was Art und Weiſe kan man alſobald erkennen/ wer ein rechtmaͤßig beruffener Diener/ wer ein wahrhafter Glaͤubiger iſt? GOtt/ der in das Verborgene ſiehet/ weiß es. Wir Menſchen koͤnnen dieſes nicht ergruͤnden. Jch ſage al- ſo weiter nichts/ als daß dergleichen Meinungen nicht ap- pliciret werden koͤnnen/ ſondern bloſſe petitiones principii ſind/ wie man in Schulen redet. Niemand kan feſte da- rauf fuſſen/ ſondern muß hin und her wancken/ und laufft endlich alles auf leere Grillen naus b). §. XIII. b) So raiſonniret der angefuͤhrte Anonymus in denen Antworten auf etliche Theol. Fragen. Die gantze Gemeine, ſaget er, und nicht eine ſonderbahre Cleriſey, ſegnete Jeſus mit dem Gei- ſte des Mundes GOttes, und hauchte ihnen den lebendigen Othem, den ſie durch den Fall verlohren hatten, nun zu einem Ausbruch des goͤttl. Lebens in ihnen, wieder ein. Diejenigen nun, die dergeſtalt ſamt ihm lebendig gemacht, und ſamt ihm in das him̃liſche Weſen veꝛſetzt wurden, bekamen Macht Suͤn- de zu vergeben auf Erden, auf die Art, wie Chriſtus ſelber Macht bekom̃en hatte, Suͤnde zu vergeben. Allein woher kan ich wiſſen, dieſer oder jener ſey ein ſolcher geiſtlicher Menſch? Wer kan in das innerſte des Hertzens ſehen? Von denen aͤuſſerlichen Handlungen, in einer ſo wichtigen Sache ein Urtheil zu faͤllen, waͤre etwas verwegens. Sind nicht viele Handlungen alſo be- ſchaffen, daß ſie einen Schein der Gottesfurcht, des goͤttlichen Eifers und ſo weiter haben? Und dennoch kommen ſolche aus ei- nem unreinen Hertzen her. Ja ſelbſt das temperament der Men- ſchen iſt alſo zuweilen bewand, daß die Thaten recht tugendhafft ſcheinen. Jn der That aber ſind es keine rechte Tugenden. Sie haben nur den Schein, und muͤſſen vielmehr mit der erbarn Auf- fuͤhrung der Heyden verglichen werden. vid. Flechier de la faus- ſeté des vertus humaines. Alſo taugt auch dieſe Meinung nichts, wenn ich ſage: Die Glaͤubigen haͤtten die Gewalt, Suͤnde zu vergeben. Jch kan ſolche nicht von denen Scheinheiligen unter- (Recht der Beicht-Stuͤhle.) u

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/172>, abgerufen am 21.11.2024.