Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung
Ob durch
Verände-
rung der
Pfarre in ei-
ner Stadt
auch der
Beicht Va-
ter noth-
wendig zuändern?
§. VIII.

Ja bißweilen scheinet es zuträglicher zu seyn/
einem andern als dem ordentlichen Pfarrer zu beichten. Jch
setze den Fall/ daß jemand in einer Stadt wohnet/ da mehr
als eine Parochie ist. Er besitzet kein eigen Haus/ und muß
bald hie bald dorthin ziehen/ dadurch er immer in eine an-
dere Pfarre kommt. Soll man nun demjenigen nicht er-
lauben/ daß er denjenigen/ welchen er vormahls zum Beicht-
Vater gehabt/ auch führohin behalte/ ob er schon in einer
andern Parochie zu wohnen kommt? Er setzet in den vori-
gen ein grösseres Vertrauen, lässet aber im übrigen den neuen
Pfarrer in seinem Wehrt. Meinem Erachten nach soll
man in diesem Fall allerdings von dem gewöhnlichen
Zwang-Recht abweichen/ vermöge dessen man keinen an-
dern/ als den Pfarrer zum Beicht-Vater haben soll. Wir
wären sonst hierinn noch weit strenger als die Papisten/
und würden auch verschiedene Sätze unserer Theologen
über einen Hauffen fallen. a)

§. IX.
cui quasi pectus meum aperire volo. Prius quis admittet? Er-
go posterius verum erit. Neque nostra sententia inde infirmari
potest, quod magis Deo quam confessionario confessio talis fiat.
Nam cum & sic cor suum denudare cupiat poenitens coram con-
fessionario, & ab eo solatium petere, quomodo id facere potest,
si fiducia destituitur erga proprium Parochum? saepe enim angor
conscientiae talem pleniorem denudationem requirit. Quomo-
do vero quis expectabit consolationem a tali, in quo nullam po-
nere potest fiduciam intimiorem.
a) Wird vernei-
net.
Denn man behauptet ja, der Beicht-Vater solte nicht leicht ver-
ändert, und ein anderer angenommen werden. Es entstünde
aus solcher Unordnung Aergernüß. Diesemnach wird der Beicht-
Vater nicht zu ändern seyn, wenn man das Quartier ändert.
Dieses aber ist ohnstreitig, daß dem ordentlichen Pfarrer nichts
desto minder dasjenige honorarium zu reichen, welches man ihm
geben
II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung
Ob durch
Veraͤnde-
rung der
Pfarre in ei-
ner Stadt
auch der
Beicht Va-
ter noth-
wendig zuaͤndern?
§. VIII.

Ja bißweilen ſcheinet es zutraͤglicher zu ſeyn/
einem andern als dem ordentlichen Pfarrer zu beichten. Jch
ſetze den Fall/ daß jemand in einer Stadt wohnet/ da mehr
als eine Parochie iſt. Er beſitzet kein eigen Haus/ und muß
bald hie bald dorthin ziehen/ dadurch er immer in eine an-
dere Pfarre kommt. Soll man nun demjenigen nicht er-
lauben/ daß er denjenigen/ welchen er vormahls zum Beicht-
Vater gehabt/ auch fuͤhrohin behalte/ ob er ſchon in einer
andern Parochie zu wohnen kommt? Er ſetzet in den vori-
gen ein groͤſſeres Vertrauen, laͤſſet aber im uͤbrigen den neuen
Pfarrer in ſeinem Wehrt. Meinem Erachten nach ſoll
man in dieſem Fall allerdings von dem gewoͤhnlichen
Zwang-Recht abweichen/ vermoͤge deſſen man keinen an-
dern/ als den Pfarrer zum Beicht-Vater haben ſoll. Wir
waͤren ſonſt hierinn noch weit ſtrenger als die Papiſten/
und wuͤrden auch verſchiedene Saͤtze unſerer Theologen
uͤber einen Hauffen fallen. a)

§. IX.
cui quaſi pectus meum aperire volo. Prius quis admittet? Er-
go poſterius verum erit. Neque noſtra ſententia inde infirmari
poteſt, quod magis Deo quam confeſſionario confesſio talis fiat.
Nam cum & ſic cor ſuum denudare cupiat pœnitens coram con-
fesſionario, & ab eo ſolatium petere, quomodo id facere poteſt,
ſi fiducia deſtituitur erga proprium Parochum? ſæpe enim angor
conſcientiæ talem pleniorem denudationem requirit. Quomo-
do vero quis expectabit conſolationem a tali, in quo nullam po-
nere poteſt fiduciam intimiorem.
a) Wird vernei-
net.
Denn man behauptet ja, der Beicht-Vater ſolte nicht leicht ver-
aͤndert, und ein anderer angenommen werden. Es entſtuͤnde
aus ſolcher Unordnung Aergernuͤß. Dieſemnach wird der Beicht-
Vater nicht zu aͤndern ſeyn, wenn man das Quartier aͤndert.
Dieſes aber iſt ohnſtreitig, daß dem ordentlichen Pfarrer nichts
deſto minder dasjenige honorarium zu reichen, welches man ihm
geben
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0213" n="194"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">I.</hi> Cap. Von Erwehlung</hi> </fw><lb/>
            <note place="left">Ob durch<lb/>
Vera&#x0364;nde-<lb/>
rung der<lb/>
Pfarre in ei-<lb/>
ner Stadt<lb/>
auch der<lb/>
Beicht Va-<lb/>
ter noth-<lb/>
wendig zua&#x0364;ndern?</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. <hi rendition="#aq">VIII.</hi></head>
            <p>Ja bißweilen &#x017F;cheinet es zutra&#x0364;glicher zu &#x017F;eyn/<lb/>
einem <hi rendition="#fr">andern</hi> als dem <hi rendition="#fr">ordentlichen Pfarrer</hi> zu beichten. Jch<lb/>
&#x017F;etze den Fall/ daß jemand in einer Stadt wohnet/ da mehr<lb/>
als eine <hi rendition="#aq">Parochie</hi> i&#x017F;t. Er be&#x017F;itzet kein eigen Haus/ und muß<lb/>
bald hie bald dorthin ziehen/ dadurch er immer in eine an-<lb/>
dere Pfarre kommt. Soll man nun demjenigen nicht er-<lb/>
lauben/ daß er denjenigen/ welchen er vormahls zum Beicht-<lb/>
Vater gehabt/ auch fu&#x0364;hrohin behalte/ ob er &#x017F;chon in einer<lb/>
andern <hi rendition="#aq">Parochie</hi> zu wohnen kommt? Er &#x017F;etzet in den vori-<lb/>
gen ein <hi rendition="#fr">gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres Vertrauen,</hi> la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et aber im u&#x0364;brigen den neuen<lb/>
Pfarrer in &#x017F;einem Wehrt. Meinem Erachten nach &#x017F;oll<lb/>
man in die&#x017F;em Fall allerdings von dem gewo&#x0364;hnlichen<lb/>
Zwang-Recht abweichen/ vermo&#x0364;ge de&#x017F;&#x017F;en man keinen an-<lb/>
dern/ als den Pfarrer zum Beicht-Vater haben &#x017F;oll. Wir<lb/>
wa&#x0364;ren &#x017F;on&#x017F;t hierinn noch weit &#x017F;trenger als die Papi&#x017F;ten/<lb/>
und wu&#x0364;rden auch ver&#x017F;chiedene Sa&#x0364;tze un&#x017F;erer <hi rendition="#aq">Theologen</hi><lb/>
u&#x0364;ber einen Hauffen fallen. <note xml:id="g86" next="#g87" place="foot" n="a)"><note place="left">Wird vernei-<lb/>
net.</note>Denn man behauptet ja, der Beicht-Vater &#x017F;olte nicht leicht ver-<lb/>
a&#x0364;ndert, und ein anderer angenommen werden. Es ent&#x017F;tu&#x0364;nde<lb/>
aus &#x017F;olcher Unordnung Aergernu&#x0364;ß. Die&#x017F;emnach wird der Beicht-<lb/>
Vater nicht zu a&#x0364;ndern &#x017F;eyn, wenn man das Quartier a&#x0364;ndert.<lb/>
Die&#x017F;es aber i&#x017F;t ohn&#x017F;treitig, daß dem ordentlichen Pfarrer nichts<lb/>
de&#x017F;to minder dasjenige <hi rendition="#aq">honorarium</hi> zu reichen, welches man ihm<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">geben</fw></note></p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">§. <hi rendition="#aq">IX.</hi></fw><lb/>
            <p>
              <note xml:id="g85" prev="#g84" place="foot" n="(a)"> <hi rendition="#aq">cui qua&#x017F;i pectus meum aperire volo. Prius quis admittet? Er-<lb/>
go po&#x017F;terius verum erit. Neque no&#x017F;tra &#x017F;ententia inde infirmari<lb/>
pote&#x017F;t, quod magis Deo quam confe&#x017F;&#x017F;ionario confes&#x017F;io talis fiat.<lb/>
Nam cum &amp; &#x017F;ic cor &#x017F;uum denudare cupiat p&#x0153;nitens coram con-<lb/>
fes&#x017F;ionario, &amp; ab eo &#x017F;olatium petere, quomodo id facere pote&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;i fiducia de&#x017F;tituitur erga proprium Parochum? &#x017F;æpe enim angor<lb/>
con&#x017F;cientiæ talem pleniorem denudationem requirit. Quomo-<lb/>
do vero quis expectabit con&#x017F;olationem a tali, in quo nullam po-<lb/>
nere pote&#x017F;t fiduciam intimiorem.</hi> </note>
            </p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0213] II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung §. VIII. Ja bißweilen ſcheinet es zutraͤglicher zu ſeyn/ einem andern als dem ordentlichen Pfarrer zu beichten. Jch ſetze den Fall/ daß jemand in einer Stadt wohnet/ da mehr als eine Parochie iſt. Er beſitzet kein eigen Haus/ und muß bald hie bald dorthin ziehen/ dadurch er immer in eine an- dere Pfarre kommt. Soll man nun demjenigen nicht er- lauben/ daß er denjenigen/ welchen er vormahls zum Beicht- Vater gehabt/ auch fuͤhrohin behalte/ ob er ſchon in einer andern Parochie zu wohnen kommt? Er ſetzet in den vori- gen ein groͤſſeres Vertrauen, laͤſſet aber im uͤbrigen den neuen Pfarrer in ſeinem Wehrt. Meinem Erachten nach ſoll man in dieſem Fall allerdings von dem gewoͤhnlichen Zwang-Recht abweichen/ vermoͤge deſſen man keinen an- dern/ als den Pfarrer zum Beicht-Vater haben ſoll. Wir waͤren ſonſt hierinn noch weit ſtrenger als die Papiſten/ und wuͤrden auch verſchiedene Saͤtze unſerer Theologen uͤber einen Hauffen fallen. a) §. IX. (a) a) Denn man behauptet ja, der Beicht-Vater ſolte nicht leicht ver- aͤndert, und ein anderer angenommen werden. Es entſtuͤnde aus ſolcher Unordnung Aergernuͤß. Dieſemnach wird der Beicht- Vater nicht zu aͤndern ſeyn, wenn man das Quartier aͤndert. Dieſes aber iſt ohnſtreitig, daß dem ordentlichen Pfarrer nichts deſto minder dasjenige honorarium zu reichen, welches man ihm geben (a) cui quaſi pectus meum aperire volo. Prius quis admittet? Er- go poſterius verum erit. Neque noſtra ſententia inde infirmari poteſt, quod magis Deo quam confeſſionario confesſio talis fiat. Nam cum & ſic cor ſuum denudare cupiat pœnitens coram con- fesſionario, & ab eo ſolatium petere, quomodo id facere poteſt, ſi fiducia deſtituitur erga proprium Parochum? ſæpe enim angor conſcientiæ talem pleniorem denudationem requirit. Quomo- do vero quis expectabit conſolationem a tali, in quo nullam po- nere poteſt fiduciam intimiorem.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/213
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/213>, abgerufen am 24.11.2024.