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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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Vorbericht von der Juristen
und Silas geprediget/ mit Freuden auffgenommen/ und täg-
lich in der Schrifft geforschet, ob es sich also hielte. (f)
Christus/ unser theurer Heiland selbst/ hat es vor gut gehal-
ten/ daß man seine Rede prüffen möchte, ob sie von GOtt
sey.
(g)

Von der Au-
torit
ät, so
sich die Geist-
lichkeit we-
gen Jhrer
Erklärun-
gen anzu-massen hat.
§. IX.

Da nun selbst die Schrifft dergleichen Unter-
suchung allen anbefiehlet/ warum solten die Juristen davon
ausgeschlossen seyn? Vielleicht/ daß sie nicht hinter die
Wahrheit kommen sollen? Denn man hat schon vormahls
dafür gehalten/ daß manches wahr wäre/ welches doch an-
dere Leute nicht wissen solten/ und vieles falsch/ das doch gut
wäre/ denen Leuten als Wahrheiten beyzubringen. (a) Jch
mercke aber schon wo du hinaus wilst. Du sagest die Christli-
che Kirche
hat dieses oder jenes bereits so und so erkläret.
Dieserwegen meinest du bedürffte die Sache keiner weitern
Nachgrüblung. Laß dir dienen: wen verstehest du durch
die Christliche Kirche? Die Patres oder die herrschende
Clerisey? Wo ist es aber gegründet/ daß diese in ihren Er-
klährungen nicht irren? Warum sollen alle andere ihre Sätze
und Meinungen unterschreiben? Jch muß dir in Vertrauen
sagen/ daß mir bey denen Patribus einfält/ was Cicero von
denen Philosophen gesprochen: Er wüste nicht woher es
käme, daß nicht so
absurd könte gesagt werden, was nicht ein

Phi-
(f) Actor. XVII, 11. outoi de esan eugenesteroi ton en thessalonike, oitines
edexanto ton logon meta pases prothumias, to kath' emeran anakrinon-
tes tas graphas, ei ekhoi tauta outos.
(g) Joh. VII, 17. E"an tis thele to thelema autou poiei~n, gnosetai peri tes
didakhes, poteron ektou Theou estin, e ego ap' emautou lalo.
(a) Augustinus de ciuit. Dei Lib. IV. c. 3. Multa esse vera, quae vulgo
scire non sit vtile, & quaedam tametsi falsa sint, aliter existimare po-
pulum expediat &c.

Vorbericht von der Juriſten
und Silas geprediget/ mit Freuden auffgenommen/ und taͤg-
lich in der Schrifft geforſchet, ob es ſich alſo hielte. (f)
Chriſtus/ unſer theurer Heiland ſelbſt/ hat es vor gut gehal-
ten/ daß man ſeine Rede pruͤffen moͤchte, ob ſie von GOtt
ſey.
(g)

Von der Au-
torit
aͤt, ſo
ſich die Geiſt-
lichkeit we-
gen Jhrer
Erklaͤrun-
gen anzu-maſſen hat.
§. IX.

Da nun ſelbſt die Schrifft dergleichen Unter-
ſuchung allen anbefiehlet/ warum ſolten die Juriſten davon
ausgeſchloſſen ſeyn? Vielleicht/ daß ſie nicht hinter die
Wahrheit kommen ſollen? Denn man hat ſchon vormahls
dafuͤr gehalten/ daß manches wahr waͤre/ welches doch an-
dere Leute nicht wiſſen ſolten/ und vieles falſch/ das doch gut
waͤre/ denen Leuten als Wahrheiten beyzubringen. (a) Jch
mercke aber ſchon wo du hinaus wilſt. Du ſageſt die Chriſtli-
che Kirche
hat dieſes oder jenes bereits ſo und ſo erklaͤret.
Dieſerwegen meineſt du beduͤrffte die Sache keiner weitern
Nachgruͤblung. Laß dir dienen: wen verſteheſt du durch
die Chriſtliche Kirche? Die Patres oder die herrſchende
Cleriſey? Wo iſt es aber gegruͤndet/ daß dieſe in ihren Er-
klaͤhrungen nicht irren? Warum ſollen alle andere ihre Saͤtze
und Meinungen unterſchreiben? Jch muß dir in Vertrauen
ſagen/ daß mir bey denen Patribus einfaͤlt/ was Cicero von
denen Philoſophen geſprochen: Er wuͤſte nicht woher es
kaͤme, daß nicht ſo
abſurd koͤnte geſagt werden, was nicht ein

Phi-
(f) Actor. XVII, 11. οὕτοι δὲ ἦσαν ἐυγενέϛεροι τῶν ἐν θεσσαλονἴκη, οἵτινες
ἐδέξαντο τὸν λόγον μετὰ πάσης προθυμίας, τὸ καθ᾽ ἡμέραν ἀνακρίνον-
τες τὰς γραϕὰς, εἰ ἔχοι ταῦτα οὕτως.
(g) Joh. VII, 17. Ε῎αν τις θέλη τὸ θέλημα ἀυτου ποιει῀ν, γνώσεται περὶ τῆς
διδαχῆς, πότερον ἐκτου Θεοῦ ἐϛιν, ἤ ἐγὼ ἀπ᾽ ἐμαυτου λαλῶ.
(a) Auguſtinus de ciuit. Dei Lib. IV. c. 3. Multa eſſe vera, quæ vulgo
ſcire non ſit vtile, & quædam tametſi falſa ſint, aliter exiſtimare po-
pulum expediat &c.
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[10/0029] Vorbericht von der Juriſten und Silas geprediget/ mit Freuden auffgenommen/ und taͤg- lich in der Schrifft geforſchet, ob es ſich alſo hielte. (f) Chriſtus/ unſer theurer Heiland ſelbſt/ hat es vor gut gehal- ten/ daß man ſeine Rede pruͤffen moͤchte, ob ſie von GOtt ſey. (g) §. IX. Da nun ſelbſt die Schrifft dergleichen Unter- ſuchung allen anbefiehlet/ warum ſolten die Juriſten davon ausgeſchloſſen ſeyn? Vielleicht/ daß ſie nicht hinter die Wahrheit kommen ſollen? Denn man hat ſchon vormahls dafuͤr gehalten/ daß manches wahr waͤre/ welches doch an- dere Leute nicht wiſſen ſolten/ und vieles falſch/ das doch gut waͤre/ denen Leuten als Wahrheiten beyzubringen. (a) Jch mercke aber ſchon wo du hinaus wilſt. Du ſageſt die Chriſtli- che Kirche hat dieſes oder jenes bereits ſo und ſo erklaͤret. Dieſerwegen meineſt du beduͤrffte die Sache keiner weitern Nachgruͤblung. Laß dir dienen: wen verſteheſt du durch die Chriſtliche Kirche? Die Patres oder die herrſchende Cleriſey? Wo iſt es aber gegruͤndet/ daß dieſe in ihren Er- klaͤhrungen nicht irren? Warum ſollen alle andere ihre Saͤtze und Meinungen unterſchreiben? Jch muß dir in Vertrauen ſagen/ daß mir bey denen Patribus einfaͤlt/ was Cicero von denen Philoſophen geſprochen: Er wuͤſte nicht woher es kaͤme, daß nicht ſo abſurd koͤnte geſagt werden, was nicht ein Phi- (f) Actor. XVII, 11. οὕτοι δὲ ἦσαν ἐυγενέϛεροι τῶν ἐν θεσσαλονἴκη, οἵτινες ἐδέξαντο τὸν λόγον μετὰ πάσης προθυμίας, τὸ καθ᾽ ἡμέραν ἀνακρίνον- τες τὰς γραϕὰς, εἰ ἔχοι ταῦτα οὕτως. (g) Joh. VII, 17. Ε῎αν τις θέλη τὸ θέλημα ἀυτου ποιει῀ν, γνώσεται περὶ τῆς διδαχῆς, πότερον ἐκτου Θεοῦ ἐϛιν, ἤ ἐγὼ ἀπ᾽ ἐμαυτου λαλῶ. (a) Auguſtinus de ciuit. Dei Lib. IV. c. 3. Multa eſſe vera, quæ vulgo ſcire non ſit vtile, & quædam tametſi falſa ſint, aliter exiſtimare po- pulum expediat &c.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/29>, abgerufen am 23.11.2024.