Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Geheimhaltung der Beichte.
die verschwiegen bleiben sollen, verheele, dieweil solches ge-
meiniglich an etwas gefüget wird, damit es nicht kund wer-
de, zum Exempel zu denen Testamenten, und auch zu denen
Brieffen guter Freunde. Wenn aber ja jemand von einer
Sache Wissenschafft erlangen soll, die man doch verschwie-
gen halten muß, so soll er die Zunge mit einem Siegel verwah-
ren, nach dem Sprichwort: wenn dir etwas geheimes ent-
decket worden, so verschliesse deine Zunge, denn was man ei-
nem vor Worte anvertrauet, die sind höher als Geld zu ach-
ten. Und was
Lucanus saget: damit die Zunge die geheimen
Sachen verborgen halte, muß man sie versiegeln.
Alexan-
der M.
wolte seinen Rath Haephestionem ebenfalls des Still-
schweigens erinnern, da er ein Siegel auf seinen Mund ge-
halten.
Da man nun die Verschwiegenheit unter die vor-
nehmsten Tugenden eines Beicht-Vaters gerechnet/ so ist
endlich sigillum confessionis diejenige Verschwiegenheit ge-
nennet worden/ welche alles daßjenige/ was in der Beichte
geoffenbahret worden/ verborgen gehalten.

§. II.

Es ist aber die Geheimhaltung der BeichteDefinition
des sigilli
confessio-
nis.

nichts anders, als eine Verschwiegenheit desjenigen, was dem
Beicht-Vater in oder auch ausser der Beichte von verborge-
nen Sünden geoffenbahret worden
a). Dieses Stillschwei-

gen/
Sed & Haephestionem consiliarium suum Alexander M. sigillo
ori admoto, silentii voluit admonere.
a) Man könte auch das sigillum confessionis also umschreiben, daß
es eine Pflicht des Beicht-Vaters sey, die ihn verbinde, daß
er ordentlicher Weise keinem einigen Menschen etwas von
demjenigen, so ihm gebeichtet worden, offenbahre, bey Ver-
meidung gewisser Straffe.
Man hat also bey dieser Sache
vornehmlich auf vier Stücke zu sehenn. 1) Wer das anvertrau-
te geheim halten soll? 2) Welche Sachen geheim oder nicht ge-
heim zu halten sind? 3) Was das aus der, in der Beichte ge-
schehenen Offenbahrung, gegebene Zeugnüß vor eine Wirckung
habe? 4) Was derjenige, so etwas entdecket, vor eine Straffe
auszustehen hat?
a) Von
p p 3

Geheimhaltung der Beichte.
die verſchwiegen bleiben ſollen, verheele, dieweil ſolches ge-
meiniglich an etwas gefuͤget wird, damit es nicht kund wer-
de, zum Exempel zu denen Teſtamenten, und auch zu denen
Brieffen guter Freunde. Wenn aber ja jemand von einer
Sache Wiſſenſchafft erlangen ſoll, die man doch verſchwie-
gen halten muß, ſo ſoll er die Zunge mit einem Siegel verwah-
ren, nach dem Sprichwort: wenn dir etwas geheimes ent-
decket worden, ſo verſchlieſſe deine Zunge, denn was man ei-
nem vor Worte anvertrauet, die ſind hoͤher als Geld zu ach-
ten. Und was
Lucanus ſaget: damit die Zunge die geheimen
Sachen verborgen halte, muß man ſie verſiegeln.
Alexan-
der M.
wolte ſeinen Rath Hæpheſtionem ebenfalls des Still-
ſchweigens erinnern, da er ein Siegel auf ſeinen Mund ge-
halten.
Da man nun die Verſchwiegenheit unter die vor-
nehmſten Tugenden eines Beicht-Vaters gerechnet/ ſo iſt
endlich ſigillum confesſionis diejenige Verſchwiegenheit ge-
nennet worden/ welche alles daßjenige/ was in der Beichte
geoffenbahret worden/ verborgen gehalten.

§. II.

Es iſt aber die Geheimhaltung der BeichteDefinition
des ſigilli
confesſio-
nis.

nichts anders, als eine Verſchwiegenheit desjenigen, was dem
Beicht-Vater in oder auch auſſer der Beichte von verborge-
nen Suͤnden geoffenbahret worden
a). Dieſes Stillſchwei-

gen/
Sed & Hæpheſtionem conſiliarium ſuum Alexander M. ſigillo
ori admoto, ſilentii voluit admonere.
a) Man koͤnte auch das ſigillum confesſionis alſo umſchreiben, daß
es eine Pflicht des Beicht-Vaters ſey, die ihn verbinde, daß
er ordentlicher Weiſe keinem einigen Menſchen etwas von
demjenigen, ſo ihm gebeichtet worden, offenbahre, bey Ver-
meidung gewiſſer Straffe.
Man hat alſo bey dieſer Sache
vornehmlich auf vier Stuͤcke zu ſehẽn. 1) Wer das anvertrau-
te geheim halten ſoll? 2) Welche Sachen geheim oder nicht ge-
heim zu halten ſind? 3) Was das aus der, in der Beichte ge-
ſchehenen Offenbahrung, gegebene Zeugnuͤß vor eine Wirckung
habe? 4) Was derjenige, ſo etwas entdecket, vor eine Straffe
auszuſtehen hat?
a) Von
p p 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0320" n="301"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Geheimhaltung der Beichte.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">die ver&#x017F;chwiegen bleiben &#x017F;ollen, verheele, dieweil &#x017F;olches ge-<lb/>
meiniglich an etwas gefu&#x0364;get wird, damit es nicht kund wer-<lb/>
de, zum Exempel zu denen Te&#x017F;tamenten, und auch zu denen<lb/>
Brieffen guter Freunde. Wenn aber ja jemand von einer<lb/>
Sache Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft erlangen &#x017F;oll, die man doch ver&#x017F;chwie-<lb/>
gen halten muß, &#x017F;o &#x017F;oll er die Zunge mit einem Siegel verwah-<lb/>
ren, nach dem Sprichwort: wenn dir etwas geheimes ent-<lb/>
decket worden, &#x017F;o ver&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;e deine Zunge, denn was man ei-<lb/>
nem vor Worte anvertrauet, die &#x017F;ind ho&#x0364;her als Geld zu ach-<lb/>
ten. Und was</hi><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Lucanus</hi></hi><hi rendition="#fr">&#x017F;aget: damit die Zunge die geheimen<lb/>
Sachen verborgen halte, muß man &#x017F;ie ver&#x017F;iegeln.</hi><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Alexan-<lb/>
der M.</hi></hi><hi rendition="#fr">wolte &#x017F;einen Rath</hi><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Hæphe&#x017F;tionem</hi></hi><hi rendition="#fr">ebenfalls des Still-<lb/>
&#x017F;chweigens erinnern, da er ein Siegel auf &#x017F;einen Mund ge-<lb/>
halten.</hi> Da man nun die Ver&#x017F;chwiegenheit unter die vor-<lb/>
nehm&#x017F;ten Tugenden eines Beicht-Vaters gerechnet/ &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
endlich <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">&#x017F;igillum confes&#x017F;ionis</hi></hi> diejenige Ver&#x017F;chwiegenheit ge-<lb/>
nennet worden/ welche alles daßjenige/ was in der Beichte<lb/>
geoffenbahret worden/ verborgen gehalten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. <hi rendition="#aq">II.</hi></head>
            <p>Es i&#x017F;t aber die Geheimhaltung der Beichte<note place="right"><hi rendition="#aq">Definition</hi><lb/>
des <hi rendition="#aq">&#x017F;igilli<lb/>
confes&#x017F;io-<lb/>
nis.</hi></note><lb/>
nichts anders, als <hi rendition="#fr">eine Ver&#x017F;chwiegenheit desjenigen, was dem<lb/>
Beicht-Vater in oder auch au&#x017F;&#x017F;er der Beichte von verborge-<lb/>
nen Su&#x0364;nden geoffenbahret worden</hi> <note place="foot" n="a)">Man ko&#x0364;nte auch das <hi rendition="#aq">&#x017F;igillum confes&#x017F;ionis</hi> al&#x017F;o um&#x017F;chreiben, daß<lb/>
es <hi rendition="#fr">eine Pflicht des Beicht-Vaters &#x017F;ey, die ihn verbinde, daß<lb/>
er ordentlicher Wei&#x017F;e keinem einigen Men&#x017F;chen etwas von<lb/>
demjenigen, &#x017F;o ihm gebeichtet worden, offenbahre, bey Ver-<lb/>
meidung gewi&#x017F;&#x017F;er Straffe.</hi> Man hat al&#x017F;o bey die&#x017F;er Sache<lb/>
vornehmlich auf vier Stu&#x0364;cke zu &#x017F;ehe&#x0303;n. 1) Wer das anvertrau-<lb/>
te geheim halten &#x017F;oll? 2) Welche Sachen geheim oder nicht ge-<lb/>
heim zu halten &#x017F;ind? 3) Was das aus der, in der Beichte ge-<lb/>
&#x017F;chehenen Offenbahrung, gegebene Zeugnu&#x0364;ß vor eine Wirckung<lb/>
habe? 4) Was derjenige, &#x017F;o etwas entdecket, vor eine Straffe<lb/>
auszu&#x017F;tehen hat?<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">a)</hi> Von</fw></note>. Die&#x017F;es Still&#x017F;chwei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen/</fw><lb/><note xml:id="h97" prev="#h96" place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">Sed &amp; Hæphe&#x017F;tionem con&#x017F;iliarium &#x017F;uum Alexander M. &#x017F;igillo<lb/>
ori admoto, &#x017F;ilentii voluit admonere.</hi></note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">p p 3</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0320] Geheimhaltung der Beichte. die verſchwiegen bleiben ſollen, verheele, dieweil ſolches ge- meiniglich an etwas gefuͤget wird, damit es nicht kund wer- de, zum Exempel zu denen Teſtamenten, und auch zu denen Brieffen guter Freunde. Wenn aber ja jemand von einer Sache Wiſſenſchafft erlangen ſoll, die man doch verſchwie- gen halten muß, ſo ſoll er die Zunge mit einem Siegel verwah- ren, nach dem Sprichwort: wenn dir etwas geheimes ent- decket worden, ſo verſchlieſſe deine Zunge, denn was man ei- nem vor Worte anvertrauet, die ſind hoͤher als Geld zu ach- ten. Und was Lucanus ſaget: damit die Zunge die geheimen Sachen verborgen halte, muß man ſie verſiegeln. Alexan- der M. wolte ſeinen Rath Hæpheſtionem ebenfalls des Still- ſchweigens erinnern, da er ein Siegel auf ſeinen Mund ge- halten. Da man nun die Verſchwiegenheit unter die vor- nehmſten Tugenden eines Beicht-Vaters gerechnet/ ſo iſt endlich ſigillum confesſionis diejenige Verſchwiegenheit ge- nennet worden/ welche alles daßjenige/ was in der Beichte geoffenbahret worden/ verborgen gehalten. §. II. Es iſt aber die Geheimhaltung der Beichte nichts anders, als eine Verſchwiegenheit desjenigen, was dem Beicht-Vater in oder auch auſſer der Beichte von verborge- nen Suͤnden geoffenbahret worden a). Dieſes Stillſchwei- gen/ (b) Definition des ſigilli confesſio- nis. a) Man koͤnte auch das ſigillum confesſionis alſo umſchreiben, daß es eine Pflicht des Beicht-Vaters ſey, die ihn verbinde, daß er ordentlicher Weiſe keinem einigen Menſchen etwas von demjenigen, ſo ihm gebeichtet worden, offenbahre, bey Ver- meidung gewiſſer Straffe. Man hat alſo bey dieſer Sache vornehmlich auf vier Stuͤcke zu ſehẽn. 1) Wer das anvertrau- te geheim halten ſoll? 2) Welche Sachen geheim oder nicht ge- heim zu halten ſind? 3) Was das aus der, in der Beichte ge- ſchehenen Offenbahrung, gegebene Zeugnuͤß vor eine Wirckung habe? 4) Was derjenige, ſo etwas entdecket, vor eine Straffe auszuſtehen hat? a) Von (b) Sed & Hæpheſtionem conſiliarium ſuum Alexander M. ſigillo ori admoto, ſilentii voluit admonere. p p 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/320
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/320>, abgerufen am 27.11.2024.