Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Abth. IV. Cap. Von der
ses immer noch weiter bekräfftiget. Wiewohl nun die
Sache an und vor sich selbst nicht unbillig/ so taugen doch
die meisten Ursachen nichts/ die zu derselben Vertheidigung
Ursachen
der Ver-
schwiegen-
heit.
vorgebracht werden. Einige wollen die Verschwiegenheit
daher behaupten/ weil die Beichte ein Sacrament. Chri-
stus hätte solches selbst eingesetzet b). Sie kommen ferner
auf die Gedancken/ man beichtete nicht dem Priester/ son-
dern GOtt. Jn innerlichen Stücken der Religion/ re-
praesenti
ren Sie GOtt. Dieses ist die durchgehende Leh-
re der Papisten. Die Protestirenden sind derselben eben-
falls beygethan. Selbst Lutherus hat sich dieselbe belie-

ben
centius solche
geboten.
gehalten seyn solten. Es ware also nöthig, daß er die Geheim-
haltung des gebeichteten, feste setzete. Dieserwegen ordnete er,
wie solche Klätscher zu bestraffen wären. Wenn dieses nicht
wäre, sahe er wohl, daß die Leute ihre Sünden niemand herbeten
würden. Sie musten befürchten, daß sie sonsten in Schimpff
nnd Schande gesetzet werden könten. Da man aber versichert
ware, daß nichts entdecket werden dürffte, reitzete solches die Leu-
te an, alles was sie auf dem Hertzen hatten, zu bekennen.
b) Ob die Beichte
ein Sacra-
ment, und ob
man dierserwe-
gen alles ge-
heim halten
soll?
Man beruffet sich auf einige Schrifft-Stellen, Matth. XVI. 19.
XVIII. 18. Joh. XX. 25.
Von dem Jnnhalt aber derselben, habe
schon oben meine Meinung eröffnet. Unsere Theologi geben
nicht zu, daß die Beichte ein Sacrament sey. Und wenn auch
die Beichte unter die Sacramenta gehörete, wie reimet sich das
Stillschweigen dazu? Verrichtet man denn die andern Sacra-
menta
in Winckeln oder ingeheim? Keinesweges. Nicht al-
lein die Tauffe und Abendmahl, sondern auch diejenigen Sacra-
menta,
die die Catholicken dazu machen, wollen nichts von sol-
cher Geheimhaltung zulassen. Warum solte aber nun die
Beichte, wenn solche würcklich ein Sacrament wäre, eine gantz
andere Eigenschafft haben? Darum ist der Schluß abgeschmackt:
Die Beichte, ist ein Sacrament, darum darf man nicht aus
der Beichte schwatzen.

Lu-

II. Abth. IV. Cap. Von der
ſes immer noch weiter bekraͤfftiget. Wiewohl nun die
Sache an und vor ſich ſelbſt nicht unbillig/ ſo taugen doch
die meiſten Urſachen nichts/ die zu derſelben Vertheidigung
Urſachen
der Ver-
ſchwiegen-
heit.
vorgebracht werden. Einige wollen die Verſchwiegenheit
daher behaupten/ weil die Beichte ein Sacrament. Chri-
ſtus haͤtte ſolches ſelbſt eingeſetzet b). Sie kommen ferner
auf die Gedancken/ man beichtete nicht dem Prieſter/ ſon-
dern GOtt. Jn innerlichen Stuͤcken der Religion/ re-
præſenti
ren Sie GOtt. Dieſes iſt die durchgehende Leh-
re der Papiſten. Die Proteſtirenden ſind derſelben eben-
falls beygethan. Selbſt Lutherus hat ſich dieſelbe belie-

ben
centius ſolche
geboten.
gehalten ſeyn ſolten. Es ware alſo noͤthig, daß er die Geheim-
haltung des gebeichteten, feſte ſetzete. Dieſerwegen ordnete er,
wie ſolche Klaͤtſcher zu beſtraffen waͤren. Wenn dieſes nicht
waͤre, ſahe er wohl, daß die Leute ihre Suͤnden niemand herbeten
wuͤrden. Sie muſten befuͤrchten, daß ſie ſonſten in Schimpff
nnd Schande geſetzet werden koͤnten. Da man aber verſichert
ware, daß nichts entdecket werden duͤrffte, reitzete ſolches die Leu-
te an, alles was ſie auf dem Hertzen hatten, zu bekennen.
b) Ob die Beichte
ein Sacra-
ment, und ob
man dierſerwe-
gen alles ge-
heim halten
ſoll?
Man beruffet ſich auf einige Schrifft-Stellen, Matth. XVI. 19.
XVIII. 18. Joh. XX. 25.
Von dem Jnnhalt aber derſelben, habe
ſchon oben meine Meinung eroͤffnet. Unſere Theologi geben
nicht zu, daß die Beichte ein Sacrament ſey. Und wenn auch
die Beichte unter die Sacramenta gehoͤrete, wie reimet ſich das
Stillſchweigen dazu? Verrichtet man denn die andern Sacra-
menta
in Winckeln oder ingeheim? Keinesweges. Nicht al-
lein die Tauffe und Abendmahl, ſondern auch diejenigen Sacra-
menta,
die die Catholicken dazu machen, wollen nichts von ſol-
cher Geheimhaltung zulaſſen. Warum ſolte aber nun die
Beichte, wenn ſolche wuͤrcklich ein Sacrament waͤre, eine gantz
andere Eigenſchafft haben? Darum iſt der Schluß abgeſchmackt:
Die Beichte, iſt ein Sacrament, darum darf man nicht aus
der Beichte ſchwatzen.

Lu-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0323" n="304"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Cap. Von der</hi></fw><lb/>
&#x017F;es immer noch weiter bekra&#x0364;fftiget. Wiewohl nun die<lb/>
Sache an und vor &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht unbillig/ &#x017F;o taugen doch<lb/>
die mei&#x017F;ten Ur&#x017F;achen nichts/ die zu der&#x017F;elben Vertheidigung<lb/><note place="left">Ur&#x017F;achen<lb/>
der Ver-<lb/>
&#x017F;chwiegen-<lb/>
heit.</note>vorgebracht werden. Einige wollen die Ver&#x017F;chwiegenheit<lb/>
daher behaupten/ weil die Beichte ein <hi rendition="#fr">Sacrament.</hi> Chri-<lb/>
&#x017F;tus ha&#x0364;tte &#x017F;olches &#x017F;elb&#x017F;t einge&#x017F;etzet <note place="foot" n="b)"><note place="left">Ob die Beichte<lb/>
ein Sacra-<lb/>
ment, und ob<lb/>
man dier&#x017F;erwe-<lb/>
gen alles ge-<lb/>
heim halten<lb/>
&#x017F;oll?</note>Man beruffet &#x017F;ich auf einige Schrifft-Stellen, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Matth. XVI. 19.<lb/>
XVIII. 18. Joh. XX. 25.</hi></hi> Von dem Jnnhalt aber der&#x017F;elben, habe<lb/>
&#x017F;chon oben meine Meinung ero&#x0364;ffnet. Un&#x017F;ere <hi rendition="#aq">Theologi</hi> geben<lb/>
nicht zu, daß die Beichte ein <hi rendition="#fr">Sacrament</hi> &#x017F;ey. Und wenn auch<lb/>
die Beichte unter die <hi rendition="#aq">Sacramenta</hi> geho&#x0364;rete, wie reimet &#x017F;ich das<lb/>
Still&#x017F;chweigen dazu? Verrichtet man denn die andern <hi rendition="#aq">Sacra-<lb/>
menta</hi> in <hi rendition="#fr">Winckeln oder ingeheim?</hi> Keinesweges. Nicht al-<lb/>
lein die Tauffe und Abendmahl, &#x017F;ondern auch diejenigen <hi rendition="#aq">Sacra-<lb/>
menta,</hi> die die Catholicken dazu machen, wollen nichts von &#x017F;ol-<lb/>
cher <hi rendition="#fr">Geheimhaltung</hi> zula&#x017F;&#x017F;en. Warum &#x017F;olte aber nun die<lb/>
Beichte, wenn &#x017F;olche wu&#x0364;rcklich ein Sacrament wa&#x0364;re, eine gantz<lb/>
andere Eigen&#x017F;chafft haben? Darum i&#x017F;t der Schluß abge&#x017F;chmackt:<lb/><hi rendition="#fr">Die Beichte, i&#x017F;t ein Sacrament, darum darf man nicht aus<lb/>
der Beichte &#x017F;chwatzen.</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Lu-</hi></fw></note>. Sie kommen ferner<lb/>
auf die Gedancken/ man beichtete nicht dem Prie&#x017F;ter/ &#x017F;on-<lb/>
dern GOtt. Jn innerlichen Stu&#x0364;cken der Religion/ <hi rendition="#aq">re-<lb/>
præ&#x017F;enti</hi>ren Sie GOtt. Die&#x017F;es i&#x017F;t die durchgehende Leh-<lb/>
re der Papi&#x017F;ten. Die <hi rendition="#aq">Prote&#x017F;tiren</hi>den &#x017F;ind der&#x017F;elben eben-<lb/>
falls beygethan. Selb&#x017F;t <hi rendition="#aq">Lutherus</hi> hat &#x017F;ich die&#x017F;elbe belie-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ben</fw><lb/><note xml:id="h99" prev="#h98" place="foot" n="(a)"><note place="left"><hi rendition="#aq">centius</hi> &#x017F;olche<lb/>
geboten.</note>gehalten &#x017F;eyn &#x017F;olten. Es ware al&#x017F;o no&#x0364;thig, daß er die Geheim-<lb/>
haltung des gebeichteten, fe&#x017F;te &#x017F;etzete. Die&#x017F;erwegen ordnete er,<lb/>
wie &#x017F;olche Kla&#x0364;t&#x017F;cher zu be&#x017F;traffen wa&#x0364;ren. Wenn die&#x017F;es nicht<lb/>
wa&#x0364;re, &#x017F;ahe er wohl, daß die Leute ihre Su&#x0364;nden niemand herbeten<lb/>
wu&#x0364;rden. Sie mu&#x017F;ten befu&#x0364;rchten, daß &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;ten in Schimpff<lb/>
nnd Schande ge&#x017F;etzet werden ko&#x0364;nten. Da man aber ver&#x017F;ichert<lb/>
ware, daß nichts entdecket werden du&#x0364;rffte, reitzete &#x017F;olches die Leu-<lb/>
te an, alles was &#x017F;ie auf dem Hertzen hatten, zu bekennen.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0323] II. Abth. IV. Cap. Von der ſes immer noch weiter bekraͤfftiget. Wiewohl nun die Sache an und vor ſich ſelbſt nicht unbillig/ ſo taugen doch die meiſten Urſachen nichts/ die zu derſelben Vertheidigung vorgebracht werden. Einige wollen die Verſchwiegenheit daher behaupten/ weil die Beichte ein Sacrament. Chri- ſtus haͤtte ſolches ſelbſt eingeſetzet b). Sie kommen ferner auf die Gedancken/ man beichtete nicht dem Prieſter/ ſon- dern GOtt. Jn innerlichen Stuͤcken der Religion/ re- præſentiren Sie GOtt. Dieſes iſt die durchgehende Leh- re der Papiſten. Die Proteſtirenden ſind derſelben eben- falls beygethan. Selbſt Lutherus hat ſich dieſelbe belie- ben (a) Urſachen der Ver- ſchwiegen- heit. b) Man beruffet ſich auf einige Schrifft-Stellen, Matth. XVI. 19. XVIII. 18. Joh. XX. 25. Von dem Jnnhalt aber derſelben, habe ſchon oben meine Meinung eroͤffnet. Unſere Theologi geben nicht zu, daß die Beichte ein Sacrament ſey. Und wenn auch die Beichte unter die Sacramenta gehoͤrete, wie reimet ſich das Stillſchweigen dazu? Verrichtet man denn die andern Sacra- menta in Winckeln oder ingeheim? Keinesweges. Nicht al- lein die Tauffe und Abendmahl, ſondern auch diejenigen Sacra- menta, die die Catholicken dazu machen, wollen nichts von ſol- cher Geheimhaltung zulaſſen. Warum ſolte aber nun die Beichte, wenn ſolche wuͤrcklich ein Sacrament waͤre, eine gantz andere Eigenſchafft haben? Darum iſt der Schluß abgeſchmackt: Die Beichte, iſt ein Sacrament, darum darf man nicht aus der Beichte ſchwatzen. Lu- (a) gehalten ſeyn ſolten. Es ware alſo noͤthig, daß er die Geheim- haltung des gebeichteten, feſte ſetzete. Dieſerwegen ordnete er, wie ſolche Klaͤtſcher zu beſtraffen waͤren. Wenn dieſes nicht waͤre, ſahe er wohl, daß die Leute ihre Suͤnden niemand herbeten wuͤrden. Sie muſten befuͤrchten, daß ſie ſonſten in Schimpff nnd Schande geſetzet werden koͤnten. Da man aber verſichert ware, daß nichts entdecket werden duͤrffte, reitzete ſolches die Leu- te an, alles was ſie auf dem Hertzen hatten, zu bekennen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/323
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/323>, abgerufen am 27.11.2024.