Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Der Bau der menschlichen Sprache. die Verrichtung eines Hauptwortes, Eigenschaftswortes, Thätigkeits-wortes, ja selbst einer Präposition vollziehen kann. Keinerlei Laut- gruppen sind vorhanden, durch deren Beifügung Geschlecht, Casus, Zahl, Zeit, Modus oder Person ausgedrückt werden könnte. Blos Fürwörter, hinweisende Partikeln und einige Präpositionen ver- richten bereits ihre besonderen grammatischen Aufgaben. Nur die persönlichen Fürwörter sind durch Verbindung mit den Zahlaus- drücken einer Art von Mehrheitsbestimmung fähig und zwar ent- steht dadurch nicht blos ein Dual und Plural, sondern beide For- men können einschliessend oder ausschliessend gebraucht werden, je nachdem der oder die Angeredeten mit einbegriffen werden sollen oder nicht. Ein ächtes Zeitwort fehlt noch gänzlich, es treten vielmehr an seine Stelle Hauptwörter, die eine Thätigkeit ausdrücken, etwa wie wenn wir den Gedanken: ich gehe nach Osten, durch die Worte: mein Gang nach Osten wiedergeben wollten. So liegt in dem Präfix ba des Dayakischen der Sinn, mit etwas behaftet sein. Aus tiroh, Schlaf entsteht batiroh, schlafen, aus kahovut Decke, bakahovut, bedeckt, also iä batiroh bakahovut, wörtlich: er mit Schlaf mit Decke, vertritt den Gedanken: er schläft bedeckt. Eigenthümlich ist diesen Sprachen der häufige Gebrauch von 1) Steinthal, Sprachtypen. S. 156. Whitney, Study of language, Lon-
don 1867. p. 338. Der Bau der menschlichen Sprache. die Verrichtung eines Hauptwortes, Eigenschaftswortes, Thätigkeits-wortes, ja selbst einer Präposition vollziehen kann. Keinerlei Laut- gruppen sind vorhanden, durch deren Beifügung Geschlecht, Casus, Zahl, Zeit, Modus oder Person ausgedrückt werden könnte. Blos Fürwörter, hinweisende Partikeln und einige Präpositionen ver- richten bereits ihre besonderen grammatischen Aufgaben. Nur die persönlichen Fürwörter sind durch Verbindung mit den Zahlaus- drücken einer Art von Mehrheitsbestimmung fähig und zwar ent- steht dadurch nicht blos ein Dual und Plural, sondern beide For- men können einschliessend oder ausschliessend gebraucht werden, je nachdem der oder die Angeredeten mit einbegriffen werden sollen oder nicht. Ein ächtes Zeitwort fehlt noch gänzlich, es treten vielmehr an seine Stelle Hauptwörter, die eine Thätigkeit ausdrücken, etwa wie wenn wir den Gedanken: ich gehe nach Osten, durch die Worte: mein Gang nach Osten wiedergeben wollten. So liegt in dem Präfix ba des Dayakischen der Sinn, mit etwas behaftet sein. Aus tiroh, Schlaf entsteht batiroh, schlafen, aus kahovut Decke, bakahovut, bedeckt, also iä batiroh bakahovut, wörtlich: er mit Schlaf mit Decke, vertritt den Gedanken: er schläft bedeckt. Eigenthümlich ist diesen Sprachen der häufige Gebrauch von 1) Steinthal, Sprachtypen. S. 156. Whitney, Study of language, Lon-
don 1867. p. 338. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0140" n="122"/><fw place="top" type="header">Der Bau der menschlichen Sprache.</fw><lb/> die Verrichtung eines Hauptwortes, Eigenschaftswortes, Thätigkeits-<lb/> wortes, ja selbst einer Präposition vollziehen kann. Keinerlei Laut-<lb/> gruppen sind vorhanden, durch deren Beifügung Geschlecht, Casus,<lb/> Zahl, Zeit, Modus oder Person ausgedrückt werden könnte. Blos<lb/> Fürwörter, hinweisende Partikeln und einige Präpositionen ver-<lb/> richten bereits ihre besonderen grammatischen Aufgaben. Nur die<lb/> persönlichen Fürwörter sind durch Verbindung mit den Zahlaus-<lb/> drücken einer Art von Mehrheitsbestimmung fähig und zwar ent-<lb/> steht dadurch nicht blos ein Dual und Plural, sondern beide For-<lb/> men können einschliessend oder ausschliessend gebraucht werden,<lb/> je nachdem der oder die Angeredeten mit einbegriffen werden<lb/> sollen oder nicht. Ein ächtes Zeitwort fehlt noch gänzlich, es<lb/> treten vielmehr an seine Stelle Hauptwörter, die eine Thätigkeit<lb/> ausdrücken, etwa wie wenn wir den Gedanken: ich gehe nach<lb/> Osten, durch die Worte: mein Gang nach Osten wiedergeben<lb/> wollten. So liegt in dem Präfix <hi rendition="#i">ba</hi> des Dayakischen der Sinn, mit<lb/> etwas behaftet sein. Aus <hi rendition="#i">tiroh</hi>, Schlaf entsteht <hi rendition="#i">batiroh</hi>, schlafen,<lb/> aus <hi rendition="#i">kahovut</hi> Decke, <hi rendition="#i">bakahovut</hi>, bedeckt, also <hi rendition="#i">iä batiroh bakahovut</hi>,<lb/> wörtlich: er mit Schlaf mit Decke, vertritt den Gedanken: er<lb/> schläft bedeckt.</p><lb/> <p>Eigenthümlich ist diesen Sprachen der häufige Gebrauch von<lb/> Wiederholungen und Verdoppelungen, die auf älteren Entwicklungs-<lb/> stufen auch sehr hoch gestiegenen Sprachen eigen gewesen sind,<lb/> wie im Lateinischen sich in <hi rendition="#i">quisquis</hi> noch ein Rest solcher Wort-<lb/> bildungen, sowie in <hi rendition="#i">dedit</hi> und <hi rendition="#i">peperit</hi> ähnliche Trümmer aus der<lb/> Vorzeit erhalten haben. Die malayischen Sprachen unterscheiden<lb/> übrigens die einfache Wiederholung, bei welcher die Betonung un-<lb/> verändert bleibt, von der Verdoppelung, bei welcher das vordere<lb/> Wort die Betonung verliert. Durch die Wiederholung drücken sie<lb/> Vervielfachung, Steigerung oder Dauer, durch die Verdoppelung aber<lb/> eine Abschwächung oder Flüchtigkeit aus, so das <hi rendition="#i">téndäténdä</hi> oft,<lb/><hi rendition="#i">tendä téndä</hi> dagegen von Zeit zu Zeit innehalten bedeutet <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Steinthal</hi>, Sprachtypen. S. 156. <hi rendition="#g">Whitney</hi>, Study of language, Lon-<lb/> don 1867. p. 338.</note> Diese<lb/> Spärlichkeit von sinnbegrenzenden Hilfsmitteln schliesst aber nicht<lb/> einen Reichthum an Ausdrücken aus. Im Malayischen gibt es nicht<lb/> weniger als zwanzig Lautbildungen für den Begriff schlagen, je<lb/> nachdem mit einem dünnen oder dicken Holz, sanft, von oben<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0140]
Der Bau der menschlichen Sprache.
die Verrichtung eines Hauptwortes, Eigenschaftswortes, Thätigkeits-
wortes, ja selbst einer Präposition vollziehen kann. Keinerlei Laut-
gruppen sind vorhanden, durch deren Beifügung Geschlecht, Casus,
Zahl, Zeit, Modus oder Person ausgedrückt werden könnte. Blos
Fürwörter, hinweisende Partikeln und einige Präpositionen ver-
richten bereits ihre besonderen grammatischen Aufgaben. Nur die
persönlichen Fürwörter sind durch Verbindung mit den Zahlaus-
drücken einer Art von Mehrheitsbestimmung fähig und zwar ent-
steht dadurch nicht blos ein Dual und Plural, sondern beide For-
men können einschliessend oder ausschliessend gebraucht werden,
je nachdem der oder die Angeredeten mit einbegriffen werden
sollen oder nicht. Ein ächtes Zeitwort fehlt noch gänzlich, es
treten vielmehr an seine Stelle Hauptwörter, die eine Thätigkeit
ausdrücken, etwa wie wenn wir den Gedanken: ich gehe nach
Osten, durch die Worte: mein Gang nach Osten wiedergeben
wollten. So liegt in dem Präfix ba des Dayakischen der Sinn, mit
etwas behaftet sein. Aus tiroh, Schlaf entsteht batiroh, schlafen,
aus kahovut Decke, bakahovut, bedeckt, also iä batiroh bakahovut,
wörtlich: er mit Schlaf mit Decke, vertritt den Gedanken: er
schläft bedeckt.
Eigenthümlich ist diesen Sprachen der häufige Gebrauch von
Wiederholungen und Verdoppelungen, die auf älteren Entwicklungs-
stufen auch sehr hoch gestiegenen Sprachen eigen gewesen sind,
wie im Lateinischen sich in quisquis noch ein Rest solcher Wort-
bildungen, sowie in dedit und peperit ähnliche Trümmer aus der
Vorzeit erhalten haben. Die malayischen Sprachen unterscheiden
übrigens die einfache Wiederholung, bei welcher die Betonung un-
verändert bleibt, von der Verdoppelung, bei welcher das vordere
Wort die Betonung verliert. Durch die Wiederholung drücken sie
Vervielfachung, Steigerung oder Dauer, durch die Verdoppelung aber
eine Abschwächung oder Flüchtigkeit aus, so das téndäténdä oft,
tendä téndä dagegen von Zeit zu Zeit innehalten bedeutet 1) Diese
Spärlichkeit von sinnbegrenzenden Hilfsmitteln schliesst aber nicht
einen Reichthum an Ausdrücken aus. Im Malayischen gibt es nicht
weniger als zwanzig Lautbildungen für den Begriff schlagen, je
nachdem mit einem dünnen oder dicken Holz, sanft, von oben
1) Steinthal, Sprachtypen. S. 156. Whitney, Study of language, Lon-
don 1867. p. 338.
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