von allen Europäern zuerst hinter die letzten Geheimnisse der Brahmanen gedrungen ist.
Besteht das Wesen des Schamanismus in der Ausübung irgend- eines Zaubers, der seinen Zwang auf göttlich gedachte Mächte erstreckt, ihnen die Erfüllung irgendeines Begehrens oder die Offenbarung künftiger Begebenheiten abnöthigt, so ist es offenbar ganz gleichgiltig, ob das angewendete Mittel im Rühren einer Trommel, im Schütteln einer Klapper, in Opfern, in Gebeten, in Fasten oder Bussübungen, im Befragen thierischer Eingeweide oder des Vogelfluges bestehe. Alle Völker sind diesem Wahne erlegen, wenige haben ihn völlig abgestreift; er treibt sein Spiel noch in Amerika, in Sibirien, im buddhistischen Asien, im brah- manischen Indien, als Amulet bei den Mohammedanern, im Gottes- gericht und im Regenzauber bei den Afrikanern, als Nahak-Spuk bei den Papuanen. Wir selbst sind erst seit kurzer Zeit die Hexenprocesse los geworden, noch unser grosser Kepler musste in seine schwäbische Heimat reisen und es kostete ihm schwere Mühe, seine alte Mutter vor dem Feuertode zu retten, mit welchem ihr protestantische Schamanistenriecher drohten. Klar aber ist wohl nach allem Gesagten, dass die sittliche Erziehung des Menschen durch die Religion nirgends einer grösseren Gefahr begegnet als dem schamanistischen Wahn. Man lege irgendeiner sinnbildlichen Handlung irgendeine übernatürliche Wirkung bei und der Ritus thront als Brahma über dem Göttlichen 1).
11. Die Lehre des Buddha.
Als die Arier über das Fünfstromland und die Gangesebenen sich ausbreiteten, geschah es auf Kosten einer rohen Urbevölkerung, der sie an geistiger Begabung und körperlicher Schönheit über- legen waren. Das Innewerden dieser Racenvorzüge führte in Manus Gesetzgebung zum Verbot der Zwischenheirathen und zu der lieblosesten Kastenordnung. Die Priester oder die Wissenden hatten die Kenntniss der schamanistischen Gebräuche, der Gebete
1) Der Inhalt dieses Abschnittes wurde, abgesehen von den Quellen- angaben und neueren Zusätzen, bereits in der Beilage zur Wiener Zeitung, 1873. No. 49 und 50, abgedruckt.
Der Schamanismus. — Die Lehre des Buddha.
von allen Europäern zuerst hinter die letzten Geheimnisse der Brahmanen gedrungen ist.
Besteht das Wesen des Schamanismus in der Ausübung irgend- eines Zaubers, der seinen Zwang auf göttlich gedachte Mächte erstreckt, ihnen die Erfüllung irgendeines Begehrens oder die Offenbarung künftiger Begebenheiten abnöthigt, so ist es offenbar ganz gleichgiltig, ob das angewendete Mittel im Rühren einer Trommel, im Schütteln einer Klapper, in Opfern, in Gebeten, in Fasten oder Bussübungen, im Befragen thierischer Eingeweide oder des Vogelfluges bestehe. Alle Völker sind diesem Wahne erlegen, wenige haben ihn völlig abgestreift; er treibt sein Spiel noch in Amerika, in Sibirien, im buddhistischen Asien, im brah- manischen Indien, als Amulet bei den Mohammedanern, im Gottes- gericht und im Regenzauber bei den Afrikanern, als Nahak-Spuk bei den Papuanen. Wir selbst sind erst seit kurzer Zeit die Hexenprocesse los geworden, noch unser grosser Kepler musste in seine schwäbische Heimat reisen und es kostete ihm schwere Mühe, seine alte Mutter vor dem Feuertode zu retten, mit welchem ihr protestantische Schamanistenriecher drohten. Klar aber ist wohl nach allem Gesagten, dass die sittliche Erziehung des Menschen durch die Religion nirgends einer grösseren Gefahr begegnet als dem schamanistischen Wahn. Man lege irgendeiner sinnbildlichen Handlung irgendeine übernatürliche Wirkung bei und der Ritus thront als Brahma über dem Göttlichen 1).
11. Die Lehre des Buddha.
Als die Arier über das Fünfstromland und die Gangesebenen sich ausbreiteten, geschah es auf Kosten einer rohen Urbevölkerung, der sie an geistiger Begabung und körperlicher Schönheit über- legen waren. Das Innewerden dieser Racenvorzüge führte in Manus Gesetzgebung zum Verbot der Zwischenheirathen und zu der lieblosesten Kastenordnung. Die Priester oder die Wissenden hatten die Kenntniss der schamanistischen Gebräuche, der Gebete
1) Der Inhalt dieses Abschnittes wurde, abgesehen von den Quellen- angaben und neueren Zusätzen, bereits in der Beilage zur Wiener Zeitung, 1873. No. 49 und 50, abgedruckt.
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Der Schamanismus. — Die Lehre des Buddha.
von allen Europäern zuerst hinter die letzten Geheimnisse der
Brahmanen gedrungen ist.
Besteht das Wesen des Schamanismus in der Ausübung irgend-
eines Zaubers, der seinen Zwang auf göttlich gedachte Mächte
erstreckt, ihnen die Erfüllung irgendeines Begehrens oder die
Offenbarung künftiger Begebenheiten abnöthigt, so ist es offenbar
ganz gleichgiltig, ob das angewendete Mittel im Rühren einer
Trommel, im Schütteln einer Klapper, in Opfern, in Gebeten, in
Fasten oder Bussübungen, im Befragen thierischer Eingeweide
oder des Vogelfluges bestehe. Alle Völker sind diesem Wahne
erlegen, wenige haben ihn völlig abgestreift; er treibt sein Spiel
noch in Amerika, in Sibirien, im buddhistischen Asien, im brah-
manischen Indien, als Amulet bei den Mohammedanern, im Gottes-
gericht und im Regenzauber bei den Afrikanern, als Nahak-Spuk
bei den Papuanen. Wir selbst sind erst seit kurzer Zeit die
Hexenprocesse los geworden, noch unser grosser Kepler musste
in seine schwäbische Heimat reisen und es kostete ihm schwere
Mühe, seine alte Mutter vor dem Feuertode zu retten, mit welchem
ihr protestantische Schamanistenriecher drohten. Klar aber ist
wohl nach allem Gesagten, dass die sittliche Erziehung des
Menschen durch die Religion nirgends einer grösseren Gefahr
begegnet als dem schamanistischen Wahn. Man lege irgendeiner
sinnbildlichen Handlung irgendeine übernatürliche Wirkung bei und
der Ritus thront als Brahma über dem Göttlichen 1).
11. Die Lehre des Buddha.
Als die Arier über das Fünfstromland und die Gangesebenen
sich ausbreiteten, geschah es auf Kosten einer rohen Urbevölkerung,
der sie an geistiger Begabung und körperlicher Schönheit über-
legen waren. Das Innewerden dieser Racenvorzüge führte in
Manus Gesetzgebung zum Verbot der Zwischenheirathen und zu
der lieblosesten Kastenordnung. Die Priester oder die Wissenden
hatten die Kenntniss der schamanistischen Gebräuche, der Gebete
1) Der Inhalt dieses Abschnittes wurde, abgesehen von den Quellen-
angaben und neueren Zusätzen, bereits in der Beilage zur Wiener Zeitung,
1873. No. 49 und 50, abgedruckt.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/301>, abgerufen am 23.12.2024.
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