Gegen Westen, sollte man vermuthen, hätten die inselleeren Räume des indischen Oceans dem Wandertrieb der Malayen eine Grenze setzen sollen. Schon Joseph Banks, dem botanischen Be- gleiter Cooks auf der ersten Reise, und dem Sprachforscher Hervas war jedoch die Aehnlichkeit malagassischer Worte mit malayischen nicht entgangen, aber erst seit Wilhelm v. Humboldt's Untersuchungen über die Kawisprache ist die Thatsache fest begründet worden, dass Mada- gaskar von Malayen bevölkert worden sei 1), während die Inseln Rodriguez, Mauritius und Bourbon leer von europäischen See- fahrern angetroffen wurden. Spuren von Tabugebräuchen fehlen nicht gänzlich, denn die Fetischhüter vermögen durch ein Kiady, welches aus einem Grasbüschel an der Spitze einer aufgesteckten Stange besteht, das Betreten geheiligter Orte durch Ungeweihte ab- zuwehren 2). Keine Ueberlieferung hat sich bei den Malagassen selbst erhalten und dennoch gehört ihre Einwanderung vielleicht einer viel näheren Vergangenheit an, als die Abtrennung der Polynesier von ihren asiatischen Geschwistern. Nach Ellis' 3) Beschreibung bedienen sich nämlich die Hova auf Madagaskar beim Aus- schmelzen der Eisenerze eines Blasebalges aus zwei Bambusrohren, durch welche abwechselnd mit einer Pumpenbewegung Luft heraus- gedrückt wird. Diese scharfsinnige Erfindung kommt sonst nir- gends anders als auf den malayischen Inseln vor und Tylor 4) erscheint daher zu dem Schluss berechtigt, dass die Besiedelung Madagaskars erst stattgefunden habe, nachdem die Eisengewerbe auf den Sunda-Inseln bekannt wurden. Dazu gesellt sich noch der Umstand, dass die Hova das Zebu oder den indischen Buckel- ochsen züchten, während die einheimischen Rinder Madagaskars der afrikanischen Art gleichen 5). Verknüpfen wir damit die Thatsache, dass der südliche Rand der Insel Ceylon sowie die Malediven malayisch sprechende Bevölkerungen besitzen, so erhalten wir
1)Banks in Hawkesworth, Discoveries in the South-Sea. London 1773. tom. III. p. 776. Hervas, Catalogo de las lenguas. Madrid 1800. vol. II. p. 10. W. v. Humboldt, Ueber die Kawisprache. Berlin 1836. Bd. 2. S. 223.
2) Lieut. Oliver, im Journ. of the Anthropol. Society. London 1868. tom. VI. p. CXXIII.
3) Three visits to Madagascar. London 1858. p. 265.
4) Urgeschichte der Menschheit. S. 215.
5) Lieut. Oliver, l. c. p. CXXIV.
Der malayische Stamm.
Gegen Westen, sollte man vermuthen, hätten die inselleeren Räume des indischen Oceans dem Wandertrieb der Malayen eine Grenze setzen sollen. Schon Joseph Banks, dem botanischen Be- gleiter Cooks auf der ersten Reise, und dem Sprachforscher Hervás war jedoch die Aehnlichkeit malagassischer Worte mit malayischen nicht entgangen, aber erst seit Wilhelm v. Humboldt’s Untersuchungen über die Kawisprache ist die Thatsache fest begründet worden, dass Mada- gaskar von Malayen bevölkert worden sei 1), während die Inseln Rodriguez, Mauritius und Bourbon leer von europäischen See- fahrern angetroffen wurden. Spuren von Tabugebräuchen fehlen nicht gänzlich, denn die Fetischhüter vermögen durch ein Kiady, welches aus einem Grasbüschel an der Spitze einer aufgesteckten Stange besteht, das Betreten geheiligter Orte durch Ungeweihte ab- zuwehren 2). Keine Ueberlieferung hat sich bei den Malagassen selbst erhalten und dennoch gehört ihre Einwanderung vielleicht einer viel näheren Vergangenheit an, als die Abtrennung der Polynesier von ihren asiatischen Geschwistern. Nach Ellis’ 3) Beschreibung bedienen sich nämlich die Hova auf Madagaskar beim Aus- schmelzen der Eisenerze eines Blasebalges aus zwei Bambusrohren, durch welche abwechselnd mit einer Pumpenbewegung Luft heraus- gedrückt wird. Diese scharfsinnige Erfindung kommt sonst nir- gends anders als auf den malayischen Inseln vor und Tylor 4) erscheint daher zu dem Schluss berechtigt, dass die Besiedelung Madagaskars erst stattgefunden habe, nachdem die Eisengewerbe auf den Sunda-Inseln bekannt wurden. Dazu gesellt sich noch der Umstand, dass die Hova das Zebu oder den indischen Buckel- ochsen züchten, während die einheimischen Rinder Madagaskars der afrikanischen Art gleichen 5). Verknüpfen wir damit die Thatsache, dass der südliche Rand der Insel Ceylon sowie die Malediven malayisch sprechende Bevölkerungen besitzen, so erhalten wir
1)Banks in Hawkesworth, Discoveries in the South-Sea. London 1773. tom. III. p. 776. Hervás, Catálogo de las lenguas. Madrid 1800. vol. II. p. 10. W. v. Humboldt, Ueber die Kawisprache. Berlin 1836. Bd. 2. S. 223.
2) Lieut. Oliver, im Journ. of the Anthropol. Society. London 1868. tom. VI. p. CXXIII.
3) Three visits to Madagascar. London 1858. p. 265.
4) Urgeschichte der Menschheit. S. 215.
5) Lieut. Oliver, l. c. p. CXXIV.
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Der malayische Stamm.
Gegen Westen, sollte man vermuthen, hätten die inselleeren
Räume des indischen Oceans dem Wandertrieb der Malayen eine
Grenze setzen sollen. Schon Joseph Banks, dem botanischen Be-
gleiter Cooks auf der ersten Reise, und dem Sprachforscher Hervás war
jedoch die Aehnlichkeit malagassischer Worte mit malayischen nicht
entgangen, aber erst seit Wilhelm v. Humboldt’s Untersuchungen über
die Kawisprache ist die Thatsache fest begründet worden, dass Mada-
gaskar von Malayen bevölkert worden sei 1), während die Inseln
Rodriguez, Mauritius und Bourbon leer von europäischen See-
fahrern angetroffen wurden. Spuren von Tabugebräuchen fehlen
nicht gänzlich, denn die Fetischhüter vermögen durch ein Kiady,
welches aus einem Grasbüschel an der Spitze einer aufgesteckten
Stange besteht, das Betreten geheiligter Orte durch Ungeweihte ab-
zuwehren 2). Keine Ueberlieferung hat sich bei den Malagassen selbst
erhalten und dennoch gehört ihre Einwanderung vielleicht einer
viel näheren Vergangenheit an, als die Abtrennung der Polynesier
von ihren asiatischen Geschwistern. Nach Ellis’ 3) Beschreibung
bedienen sich nämlich die Hova auf Madagaskar beim Aus-
schmelzen der Eisenerze eines Blasebalges aus zwei Bambusrohren,
durch welche abwechselnd mit einer Pumpenbewegung Luft heraus-
gedrückt wird. Diese scharfsinnige Erfindung kommt sonst nir-
gends anders als auf den malayischen Inseln vor und Tylor 4)
erscheint daher zu dem Schluss berechtigt, dass die Besiedelung
Madagaskars erst stattgefunden habe, nachdem die Eisengewerbe
auf den Sunda-Inseln bekannt wurden. Dazu gesellt sich noch der
Umstand, dass die Hova das Zebu oder den indischen Buckel-
ochsen züchten, während die einheimischen Rinder Madagaskars der
afrikanischen Art gleichen 5). Verknüpfen wir damit die Thatsache,
dass der südliche Rand der Insel Ceylon sowie die Malediven
malayisch sprechende Bevölkerungen besitzen, so erhalten wir
1) Banks in Hawkesworth, Discoveries in the South-Sea. London 1773.
tom. III. p. 776. Hervás, Catálogo de las lenguas. Madrid 1800. vol. II.
p. 10. W. v. Humboldt, Ueber die Kawisprache. Berlin 1836. Bd. 2. S. 223.
2) Lieut. Oliver, im Journ. of the Anthropol. Society. London 1868.
tom. VI. p. CXXIII.
3) Three visits to Madagascar. London 1858. p. 265.
4) Urgeschichte der Menschheit. S. 215.
5) Lieut. Oliver, l. c. p. CXXIV.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/396>, abgerufen am 23.12.2024.
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