Ihre Sprachähnlichkeit mit den Namollo, ihre nautische Ge- schicklichkeit, ihre Bezähmung des Hundes, ihr Gebrauch des Schlittens, ihre mongolische Gesichtsbildung, ihre Anlagen zu höherer Gesittung lassen die Frage, ob hier eine Wanderung aus Asien nach Amerika oder umgekehrt stattgefunden habe, mit einem hinreichenden Mass von Wahrscheinlichkeit für das erstere entscheiden, doch muss eine solche Wanderung von Asien über die Beringstrasse viel später erfolgt sein als die erste Besiedelung der neuen Welt aus der alten.
Sprach- und blutverwandt mit den Namollo und Eskimo sind die Bewohner in dem nördlichen und westlichen Theile des ehe- mals russischen Amerika, die man wohl auch aliaskische Eskimo genannt hat. Sie bewohnen die Ufer des Beringmeeres, die Halb- insel Aliaska und die angrenzende Küste gegen Osten bis etwa zum Eliasberg. Sie zerfallen in 13 Horden, zu denen die Kon- jaken oder Konäken der Insel Kadjak, die Tschugatschen am Prinz-Williamsund und auf der Kenai-Halbinsel, sowie elf andere Horden zählen 1), deren Namen sämmtlich auf -- mjuten oder -- muten endigen. Zu letzteren gehören Whymper's Malemuten, die wie alle übrigen nur durch ihre Mundart von den Eskimo und Namollo sich unterscheiden. Unter ihnen sieht man Männer bis zu 6' engl. Leibeshöhe, woraus sich ergibt, dass die Körpergrösse innerhalb dieses Volksstammes beträchtlich schwankt. Zwischen den asiatischen und amerikanischen Beringsvölkern hat beständig Handelsverkehr geherrscht. Die Tschuktschen ziehen nach der Diomedes-Insel und die Malemuten setzen von der äussersten Nord- westspitze Amerikas über, um Renthierfelle gegen Pelze umzu- tauschen. Der Handel geht so flott, dass die Kleidungen der Eingeborenen am Yukonstrome einige hundert Meilen (miles) auf- wärts aus asiatischen Fellen bestehen die von den Tschuktschen stammen 2). O. v. Kotzebue, der beide Ufer des Beringmeeres befuhr, bemerkt dass die Bewohner der St. Lorenz-Insel die näm- liche Sprache reden, wie die Stämme auf dem amerikanischen Ufer und sie Brüder nennen. "Ich finde überhaupt", heisst es an einer andern Stelle, "einen so unmerklichen Unterschied
1) s. ihre vollen Namen bei Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 301.
2)Whymper, Alaska. S. 149.
Die Beringsvölker.
Ihre Sprachähnlichkeit mit den Namollo, ihre nautische Ge- schicklichkeit, ihre Bezähmung des Hundes, ihr Gebrauch des Schlittens, ihre mongolische Gesichtsbildung, ihre Anlagen zu höherer Gesittung lassen die Frage, ob hier eine Wanderung aus Asien nach Amerika oder umgekehrt stattgefunden habe, mit einem hinreichenden Mass von Wahrscheinlichkeit für das erstere entscheiden, doch muss eine solche Wanderung von Asien über die Beringstrasse viel später erfolgt sein als die erste Besiedelung der neuen Welt aus der alten.
Sprach- und blutverwandt mit den Namollo und Eskimo sind die Bewohner in dem nördlichen und westlichen Theile des ehe- mals russischen Amerika, die man wohl auch aliaskische Eskimo genannt hat. Sie bewohnen die Ufer des Beringmeeres, die Halb- insel Aliaska und die angrenzende Küste gegen Osten bis etwa zum Eliasberg. Sie zerfallen in 13 Horden, zu denen die Kon- jaken oder Konäken der Insel Kadjak, die Tschugatschen am Prinz-Williamsund und auf der Kenai-Halbinsel, sowie elf andere Horden zählen 1), deren Namen sämmtlich auf — mjuten oder — muten endigen. Zu letzteren gehören Whymper’s Malemuten, die wie alle übrigen nur durch ihre Mundart von den Eskimo und Namollo sich unterscheiden. Unter ihnen sieht man Männer bis zu 6′ engl. Leibeshöhe, woraus sich ergibt, dass die Körpergrösse innerhalb dieses Volksstammes beträchtlich schwankt. Zwischen den asiatischen und amerikanischen Beringsvölkern hat beständig Handelsverkehr geherrscht. Die Tschuktschen ziehen nach der Diomedes-Insel und die Malemuten setzen von der äussersten Nord- westspitze Amerikas über, um Renthierfelle gegen Pelze umzu- tauschen. Der Handel geht so flott, dass die Kleidungen der Eingeborenen am Yukonstrome einige hundert Meilen (miles) auf- wärts aus asiatischen Fellen bestehen die von den Tschuktschen stammen 2). O. v. Kotzebue, der beide Ufer des Beringmeeres befuhr, bemerkt dass die Bewohner der St. Lorenz-Insel die näm- liche Sprache reden, wie die Stämme auf dem amerikanischen Ufer und sie Brüder nennen. „Ich finde überhaupt“, heisst es an einer andern Stelle, „einen so unmerklichen Unterschied
1) s. ihre vollen Namen bei Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 301.
2)Whymper, Alaska. S. 149.
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Die Beringsvölker.
Ihre Sprachähnlichkeit mit den Namollo, ihre nautische Ge-
schicklichkeit, ihre Bezähmung des Hundes, ihr Gebrauch des
Schlittens, ihre mongolische Gesichtsbildung, ihre Anlagen zu
höherer Gesittung lassen die Frage, ob hier eine Wanderung aus
Asien nach Amerika oder umgekehrt stattgefunden habe, mit
einem hinreichenden Mass von Wahrscheinlichkeit für das erstere
entscheiden, doch muss eine solche Wanderung von Asien über
die Beringstrasse viel später erfolgt sein als die erste Besiedelung
der neuen Welt aus der alten.
Sprach- und blutverwandt mit den Namollo und Eskimo sind
die Bewohner in dem nördlichen und westlichen Theile des ehe-
mals russischen Amerika, die man wohl auch aliaskische Eskimo
genannt hat. Sie bewohnen die Ufer des Beringmeeres, die Halb-
insel Aliaska und die angrenzende Küste gegen Osten bis etwa
zum Eliasberg. Sie zerfallen in 13 Horden, zu denen die Kon-
jaken oder Konäken der Insel Kadjak, die Tschugatschen am
Prinz-Williamsund und auf der Kenai-Halbinsel, sowie elf andere
Horden zählen 1), deren Namen sämmtlich auf — mjuten oder
— muten endigen. Zu letzteren gehören Whymper’s Malemuten, die
wie alle übrigen nur durch ihre Mundart von den Eskimo und
Namollo sich unterscheiden. Unter ihnen sieht man Männer bis
zu 6′ engl. Leibeshöhe, woraus sich ergibt, dass die Körpergrösse
innerhalb dieses Volksstammes beträchtlich schwankt. Zwischen
den asiatischen und amerikanischen Beringsvölkern hat beständig
Handelsverkehr geherrscht. Die Tschuktschen ziehen nach der
Diomedes-Insel und die Malemuten setzen von der äussersten Nord-
westspitze Amerikas über, um Renthierfelle gegen Pelze umzu-
tauschen. Der Handel geht so flott, dass die Kleidungen der
Eingeborenen am Yukonstrome einige hundert Meilen (miles) auf-
wärts aus asiatischen Fellen bestehen die von den Tschuktschen
stammen 2). O. v. Kotzebue, der beide Ufer des Beringmeeres
befuhr, bemerkt dass die Bewohner der St. Lorenz-Insel die näm-
liche Sprache reden, wie die Stämme auf dem amerikanischen
Ufer und sie Brüder nennen. „Ich finde überhaupt“, heisst es
an einer andern Stelle, „einen so unmerklichen Unterschied
1) s. ihre vollen Namen bei Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 301.
2) Whymper, Alaska. S. 149.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/441>, abgerufen am 23.12.2024.
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