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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die amerikanische Urbevölkerung.
erst mundartlich, dann bis zur völligen Unähnlichkeit ihre Sprache
umgestalteten. Doch bedurfte es nur ernster Forschungen, um
wiederum für eine Mehrzahl von Sprachen eine gemeinsame Her-
kunft zu ermitteln. Dies ist bis jetzt in Nordamerika besonders
durch die Arbeiten Buschmann's gelungen, auf welche Waitz seine
Eintheilung gründete, die wiederum auf einer Karte von Otto
Delitsch dargestellt worden ist. Wir brauchen uns daher nicht
mehr mit einer Aufzählung todter Namen zu belästigen, sondern
es wird genügen, die grossen Gruppen anzugeben.

Begrenzt von den Eskimo und den anderen Beringsvölkern
der Nordwestküste, stossen wir zunächst auf die Gruppe der Kenai
und Athabasken, die trotz ihrer starken Entfremdung immer noch eine
ehemalige Sprachverwandtschaft verrathen. Die Kenai, unter denen
die Yellow-Knife oder die Ahtna-Horde1) am besten bekannt ist,
wohnen hauptsächlich am Yukonstrome. Die Athabasken dagegen
sitzen östlich von ihnen und erfüllen den Raum zwischen der
Hudsonsbai und den Felsengebirgen, soweit etwa die britischen
Grenzen reichen. Bekanntere Horden sind die Tschepewyan-
(verschieden von den Odschibwä), die Kupferminen-, Hundsrippen-
und Biberindianer. Aus ihrer Urheimat im Norden haben sich
ausserdem durch Wanderungen bis nach Oregon nahe der Meeres-
küste die Tlatskanai, Umpkwa und Hupah verloren. Noch weiter
nach Süden, östlich vom Colorado, in das Hochland Neu-Mexico's
wanderten die athabaskischen Navajos, ja selbst die gefürchteten
Apatschen, die vom westlichen Colorado bis nach den mexicanischen
Provinzen Chihuahua und Coahuila streifen, gehören noch zu dieser
Gruppe. Endlich entdecken wir nördlich von der Mündung des
Rio grande del Norte eine Athabaskenhorde, die Lipani, so dass
also das Verbreitungsgebiet dieser Völkerstämme jenseits des
Polarkreises beginnt und bis an den mexicanischen Golf reicht.

Von den Felsengebirgen angefangen, im Quellengebiete des
Missouri bis zum atlantischen Meere, besonders aber in den nörd-
lichen Staaten der Union vom Mississippi gegen Osten sitzen oder
sassen vielmehr zur Zeit der Entdeckung die Algonkinen. Der

1) Eigentlich Ah-tena; tena oder tinneh bedeutet nämlich "Leute", und
mit diesem Suffix werden die Hordennamen stets bekleidet, daher die Kenai-
besser Tenastämme genannt würden. W. Dall, Alaska and its resources.
Boston 1870. p. 428.

Die amerikanische Urbevölkerung.
erst mundartlich, dann bis zur völligen Unähnlichkeit ihre Sprache
umgestalteten. Doch bedurfte es nur ernster Forschungen, um
wiederum für eine Mehrzahl von Sprachen eine gemeinsame Her-
kunft zu ermitteln. Dies ist bis jetzt in Nordamerika besonders
durch die Arbeiten Buschmann’s gelungen, auf welche Waitz seine
Eintheilung gründete, die wiederum auf einer Karte von Otto
Delitsch dargestellt worden ist. Wir brauchen uns daher nicht
mehr mit einer Aufzählung todter Namen zu belästigen, sondern
es wird genügen, die grossen Gruppen anzugeben.

Begrenzt von den Eskimo und den anderen Beringsvölkern
der Nordwestküste, stossen wir zunächst auf die Gruppe der Kenai
und Athabasken, die trotz ihrer starken Entfremdung immer noch eine
ehemalige Sprachverwandtschaft verrathen. Die Kenai, unter denen
die Yellow-Knife oder die Ahtna-Horde1) am besten bekannt ist,
wohnen hauptsächlich am Yukonstrome. Die Athabasken dagegen
sitzen östlich von ihnen und erfüllen den Raum zwischen der
Hudsonsbai und den Felsengebirgen, soweit etwa die britischen
Grenzen reichen. Bekanntere Horden sind die Tschepewyan-
(verschieden von den Odschibwä), die Kupferminen-, Hundsrippen-
und Biberindianer. Aus ihrer Urheimat im Norden haben sich
ausserdem durch Wanderungen bis nach Oregon nahe der Meeres-
küste die Tlatskanai, Umpkwa und Hupah verloren. Noch weiter
nach Süden, östlich vom Colorado, in das Hochland Neu-Mexico’s
wanderten die athabaskischen Navajos, ja selbst die gefürchteten
Apatschen, die vom westlichen Colorado bis nach den mexicanischen
Provinzen Chihuahua und Coahuila streifen, gehören noch zu dieser
Gruppe. Endlich entdecken wir nördlich von der Mündung des
Rio grande del Norte eine Athabaskenhorde, die Lipani, so dass
also das Verbreitungsgebiet dieser Völkerstämme jenseits des
Polarkreises beginnt und bis an den mexicanischen Golf reicht.

Von den Felsengebirgen angefangen, im Quellengebiete des
Missouri bis zum atlantischen Meere, besonders aber in den nörd-
lichen Staaten der Union vom Mississippi gegen Osten sitzen oder
sassen vielmehr zur Zeit der Entdeckung die Algonkinen. Der

1) Eigentlich Ah-tená; tená oder tinneh bedeutet nämlich „Leute“, und
mit diesem Suffix werden die Hordennamen stets bekleidet, daher die Kenai-
besser Tenástämme genannt würden. W. Dall, Alaska and its resources.
Boston 1870. p. 428.
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[448/0466] Die amerikanische Urbevölkerung. erst mundartlich, dann bis zur völligen Unähnlichkeit ihre Sprache umgestalteten. Doch bedurfte es nur ernster Forschungen, um wiederum für eine Mehrzahl von Sprachen eine gemeinsame Her- kunft zu ermitteln. Dies ist bis jetzt in Nordamerika besonders durch die Arbeiten Buschmann’s gelungen, auf welche Waitz seine Eintheilung gründete, die wiederum auf einer Karte von Otto Delitsch dargestellt worden ist. Wir brauchen uns daher nicht mehr mit einer Aufzählung todter Namen zu belästigen, sondern es wird genügen, die grossen Gruppen anzugeben. Begrenzt von den Eskimo und den anderen Beringsvölkern der Nordwestküste, stossen wir zunächst auf die Gruppe der Kenai und Athabasken, die trotz ihrer starken Entfremdung immer noch eine ehemalige Sprachverwandtschaft verrathen. Die Kenai, unter denen die Yellow-Knife oder die Ahtna-Horde 1) am besten bekannt ist, wohnen hauptsächlich am Yukonstrome. Die Athabasken dagegen sitzen östlich von ihnen und erfüllen den Raum zwischen der Hudsonsbai und den Felsengebirgen, soweit etwa die britischen Grenzen reichen. Bekanntere Horden sind die Tschepewyan- (verschieden von den Odschibwä), die Kupferminen-, Hundsrippen- und Biberindianer. Aus ihrer Urheimat im Norden haben sich ausserdem durch Wanderungen bis nach Oregon nahe der Meeres- küste die Tlatskanai, Umpkwa und Hupah verloren. Noch weiter nach Süden, östlich vom Colorado, in das Hochland Neu-Mexico’s wanderten die athabaskischen Navajos, ja selbst die gefürchteten Apatschen, die vom westlichen Colorado bis nach den mexicanischen Provinzen Chihuahua und Coahuila streifen, gehören noch zu dieser Gruppe. Endlich entdecken wir nördlich von der Mündung des Rio grande del Norte eine Athabaskenhorde, die Lipani, so dass also das Verbreitungsgebiet dieser Völkerstämme jenseits des Polarkreises beginnt und bis an den mexicanischen Golf reicht. Von den Felsengebirgen angefangen, im Quellengebiete des Missouri bis zum atlantischen Meere, besonders aber in den nörd- lichen Staaten der Union vom Mississippi gegen Osten sitzen oder sassen vielmehr zur Zeit der Entdeckung die Algonkinen. Der 1) Eigentlich Ah-tená; tená oder tinneh bedeutet nämlich „Leute“, und mit diesem Suffix werden die Hordennamen stets bekleidet, daher die Kenai- besser Tenástämme genannt würden. W. Dall, Alaska and its resources. Boston 1870. p. 428.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/466>, abgerufen am 23.12.2024.