Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite
IV.
DIE DRAVIDA ODER URBEWOHNER VORDERINDIENS.

Vorderindien und Belutschistan wurde vor dem Einfall der
brahmanischen Arier von einer Race bewohnt, die jetzt allgemein
Dravida genannt wird. Ihre Haut ist meistens stark gedunkelt, oft
geradezu schwarz. Darin würden sie den Negern gleichen, doch
fehlt ihnen der widerliche Geruch der Letzteren. Vor allem aber
haben sie langes schwarzes, niemals büschelförmiges, auch nicht
straffes, sondern krauses oder gelocktes Haar. Dadurch lassen
sie sich leicht von den mongolenähnlichen Völkern trennen,
zumal bei ihnen auch das Bart- und Leibhaar reichlich sprosst.
Grobe wie feine, edlere und unedlere Gesichtsbildungen kommen
untermischt vor. Die wulstigen Lippen erinnern bisweilen an die
Neger, aber die Kiefern sind nie vorspringend 1). Alle Kenner des
indischen Alterthums sind einig, dass wenn auch die Kasten-
gliederung in der Zeit der Hymnendichtung schon bestand 2), doch
erst später die Zwischenheirathen streng verboten wurden. Mischun-
gen mit der Urbevölkerung müssen vorher vielfach stattgefunden
haben und finden zwischen männlichen Brahmanen und Sudra-
frauen noch jetzt im südlichen Indien reichlich statt. Daher unter-
scheiden sich auch die hohen Kasten, bei denen wir das afische Blut
noch am reinsten suchen müssen, durch keine strengen Merkmale
von der Urbevölkerung. Der Brahmanenschädel, bemerkt Barnard
Davis 3) gestützt auf zahlreiche Messungen, zeigt keine Verschieden-

1) H. v. Schlagintweit, Indien u. Hochasien. Bd. 1. S. 546.
2) Martin Haug, Brahma und die Brahmanen. München 1871. S. 13. S. 22.
3) Thesaurus Craniorum. London 1867. p. 149.
31*
IV.
DIE DRAVIDA ODER URBEWOHNER VORDERINDIENS.

Vorderindien und Belutschistan wurde vor dem Einfall der
brahmanischen Arier von einer Race bewohnt, die jetzt allgemein
Dravida genannt wird. Ihre Haut ist meistens stark gedunkelt, oft
geradezu schwarz. Darin würden sie den Negern gleichen, doch
fehlt ihnen der widerliche Geruch der Letzteren. Vor allem aber
haben sie langes schwarzes, niemals büschelförmiges, auch nicht
straffes, sondern krauses oder gelocktes Haar. Dadurch lassen
sie sich leicht von den mongolenähnlichen Völkern trennen,
zumal bei ihnen auch das Bart- und Leibhaar reichlich sprosst.
Grobe wie feine, edlere und unedlere Gesichtsbildungen kommen
untermischt vor. Die wulstigen Lippen erinnern bisweilen an die
Neger, aber die Kiefern sind nie vorspringend 1). Alle Kenner des
indischen Alterthums sind einig, dass wenn auch die Kasten-
gliederung in der Zeit der Hymnendichtung schon bestand 2), doch
erst später die Zwischenheirathen streng verboten wurden. Mischun-
gen mit der Urbevölkerung müssen vorher vielfach stattgefunden
haben und finden zwischen männlichen Brahmanen und Sudra-
frauen noch jetzt im südlichen Indien reichlich statt. Daher unter-
scheiden sich auch die hohen Kasten, bei denen wir das afische Blut
noch am reinsten suchen müssen, durch keine strengen Merkmale
von der Urbevölkerung. Der Brahmanenschädel, bemerkt Barnard
Davis 3) gestützt auf zahlreiche Messungen, zeigt keine Verschieden-

1) H. v. Schlagintweit, Indien u. Hochasien. Bd. 1. S. 546.
2) Martin Haug, Brahma und die Brahmanen. München 1871. S. 13. S. 22.
3) Thesaurus Craniorum. London 1867. p. 149.
31*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0501" n="[483]"/>
        <div n="2">
          <head>IV.<lb/>
DIE DRAVIDA ODER URBEWOHNER VORDERINDIENS.</head><lb/>
          <p>Vorderindien und Belutschistan wurde vor dem Einfall der<lb/>
brahmanischen Arier von einer Race bewohnt, die jetzt allgemein<lb/>
Dravida genannt wird. Ihre Haut ist meistens stark gedunkelt, oft<lb/>
geradezu schwarz. Darin würden sie den Negern gleichen, doch<lb/>
fehlt ihnen der widerliche Geruch der Letzteren. Vor allem aber<lb/>
haben sie langes schwarzes, niemals büschelförmiges, auch nicht<lb/>
straffes, sondern krauses oder gelocktes Haar. Dadurch lassen<lb/>
sie sich leicht von den mongolenähnlichen Völkern trennen,<lb/>
zumal bei ihnen auch das Bart- und Leibhaar reichlich sprosst.<lb/>
Grobe wie feine, edlere und unedlere Gesichtsbildungen kommen<lb/>
untermischt vor. Die wulstigen Lippen erinnern bisweilen an die<lb/>
Neger, aber die Kiefern sind nie vorspringend <note place="foot" n="1)">H. v. <hi rendition="#g">Schlagintweit</hi>, Indien u. Hochasien. Bd. 1. S. 546.</note>. Alle Kenner des<lb/>
indischen Alterthums sind einig, dass wenn auch die Kasten-<lb/>
gliederung in der Zeit der Hymnendichtung schon bestand <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Martin Haug</hi>, Brahma und die Brahmanen. München 1871. S. 13. S. 22.</note>, doch<lb/>
erst später die Zwischenheirathen streng verboten wurden. Mischun-<lb/>
gen mit der Urbevölkerung müssen vorher vielfach stattgefunden<lb/>
haben und finden zwischen männlichen Brahmanen und Sudra-<lb/>
frauen noch jetzt im südlichen Indien reichlich statt. Daher unter-<lb/>
scheiden sich auch die hohen Kasten, bei denen wir das afische Blut<lb/>
noch am reinsten suchen müssen, durch keine strengen Merkmale<lb/>
von der Urbevölkerung. Der Brahmanenschädel, bemerkt Barnard<lb/>
Davis <note place="foot" n="3)">Thesaurus Craniorum. London 1867. p. 149.</note> gestützt auf zahlreiche Messungen, zeigt keine Verschieden-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">31*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[483]/0501] IV. DIE DRAVIDA ODER URBEWOHNER VORDERINDIENS. Vorderindien und Belutschistan wurde vor dem Einfall der brahmanischen Arier von einer Race bewohnt, die jetzt allgemein Dravida genannt wird. Ihre Haut ist meistens stark gedunkelt, oft geradezu schwarz. Darin würden sie den Negern gleichen, doch fehlt ihnen der widerliche Geruch der Letzteren. Vor allem aber haben sie langes schwarzes, niemals büschelförmiges, auch nicht straffes, sondern krauses oder gelocktes Haar. Dadurch lassen sie sich leicht von den mongolenähnlichen Völkern trennen, zumal bei ihnen auch das Bart- und Leibhaar reichlich sprosst. Grobe wie feine, edlere und unedlere Gesichtsbildungen kommen untermischt vor. Die wulstigen Lippen erinnern bisweilen an die Neger, aber die Kiefern sind nie vorspringend 1). Alle Kenner des indischen Alterthums sind einig, dass wenn auch die Kasten- gliederung in der Zeit der Hymnendichtung schon bestand 2), doch erst später die Zwischenheirathen streng verboten wurden. Mischun- gen mit der Urbevölkerung müssen vorher vielfach stattgefunden haben und finden zwischen männlichen Brahmanen und Sudra- frauen noch jetzt im südlichen Indien reichlich statt. Daher unter- scheiden sich auch die hohen Kasten, bei denen wir das afische Blut noch am reinsten suchen müssen, durch keine strengen Merkmale von der Urbevölkerung. Der Brahmanenschädel, bemerkt Barnard Davis 3) gestützt auf zahlreiche Messungen, zeigt keine Verschieden- 1) H. v. Schlagintweit, Indien u. Hochasien. Bd. 1. S. 546. 2) Martin Haug, Brahma und die Brahmanen. München 1871. S. 13. S. 22. 3) Thesaurus Craniorum. London 1867. p. 149. 31*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/501
Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. [483]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/501>, abgerufen am 23.12.2024.