Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

dachte in dieser Stunde an seinen Eid, den er ge-
schworen hatte, Acht zu geben auf allen Unfug
und auf alles gottlose Wesen, und solches dem
Pfarrer anzuzeigen. Und der Ehegaumer bestellte
einen ehrbaren Mann, daß er Acht geben sollte auf
diese Pursche, ob sie vor der Predigt wieder aus
dem Wirthshaus heim giengen oder nicht? Und da
es bald zusammen läuten wollte, und noch Nie-
mand wieder heraus kam, gieng er zum Pfarrer,
und sagt' ihm, was er gesehen und wie er den
Samuel Treu bestellt hätte, Acht zu geben.

Der Pfarrer aber erschrack über diesen Bericht;
seufzete still bey sich selber, und redete nicht viel.

Da dachte der Ehegaumer, der Herr! Pfar-
rer studiere noch an seiner Predigt, und redete
bey seinem Glas Wein auch minder, als er sonst
gewöhnt war.

Endlich als der Pfarrer eben in die Kirche ge-
hen wollte, kam der Samuel, und der Ehegaumer
sagte zu ihm:

Du kannst jezt dem Wohlehrwürdigen Herrn
Pfarrer alles selber erzählen.

Da sagte der Samuel: Gott grüß euch, Wohl-
ehrwürdiger Herr Pfarrer!

Der Pfarrer dankt' ihm, und sagte: Sind denn
die Leute noch nicht wieder heim?

Samuel. Nein, Herr Pfarrer! ich gieng
von dem Augenblick an, da mich der Ehegaumer be-

stellte,

dachte in dieſer Stunde an ſeinen Eid, den er ge-
ſchworen hatte, Acht zu geben auf allen Unfug
und auf alles gottloſe Weſen, und ſolches dem
Pfarrer anzuzeigen. Und der Ehegaumer beſtellte
einen ehrbaren Mann, daß er Acht geben ſollte auf
dieſe Purſche, ob ſie vor der Predigt wieder aus
dem Wirthshaus heim giengen oder nicht? Und da
es bald zuſammen laͤuten wollte, und noch Nie-
mand wieder heraus kam, gieng er zum Pfarrer,
und ſagt’ ihm, was er geſehen und wie er den
Samuel Treu beſtellt haͤtte, Acht zu geben.

Der Pfarrer aber erſchrack uͤber dieſen Bericht;
ſeufzete ſtill bey ſich ſelber, und redete nicht viel.

Da dachte der Ehegaumer, der Herr! Pfar-
rer ſtudiere noch an ſeiner Predigt, und redete
bey ſeinem Glas Wein auch minder, als er ſonſt
gewoͤhnt war.

Endlich als der Pfarrer eben in die Kirche ge-
hen wollte, kam der Samuel, und der Ehegaumer
ſagte zu ihm:

Du kannſt jezt dem Wohlehrwuͤrdigen Herrn
Pfarrer alles ſelber erzaͤhlen.

Da ſagte der Samuel: Gott gruͤß euch, Wohl-
ehrwuͤrdiger Herr Pfarrer!

Der Pfarrer dankt’ ihm, und ſagte: Sind denn
die Leute noch nicht wieder heim?

Samuel. Nein, Herr Pfarrer! ich gieng
von dem Augenblick an, da mich der Ehegaumer be-

ſtellte,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0241" n="216"/>
dachte in die&#x017F;er Stunde an &#x017F;einen Eid, den er ge-<lb/>
&#x017F;chworen hatte, Acht zu geben auf allen Unfug<lb/>
und auf alles gottlo&#x017F;e We&#x017F;en, und &#x017F;olches dem<lb/>
Pfarrer anzuzeigen. Und der Ehegaumer be&#x017F;tellte<lb/>
einen ehrbaren Mann, daß er Acht geben &#x017F;ollte auf<lb/>
die&#x017F;e Pur&#x017F;che, ob &#x017F;ie vor der Predigt wieder aus<lb/>
dem Wirthshaus heim giengen oder nicht? Und da<lb/>
es bald zu&#x017F;ammen la&#x0364;uten wollte, und noch Nie-<lb/>
mand wieder heraus kam, gieng er zum Pfarrer,<lb/>
und &#x017F;agt&#x2019; ihm, was er ge&#x017F;ehen und wie er den<lb/>
Samuel Treu be&#x017F;tellt ha&#x0364;tte, Acht zu geben.</p><lb/>
          <p>Der Pfarrer aber er&#x017F;chrack u&#x0364;ber die&#x017F;en Bericht;<lb/>
&#x017F;eufzete &#x017F;till bey &#x017F;ich &#x017F;elber, und redete nicht viel.</p><lb/>
          <p>Da dachte der Ehegaumer, der Herr! Pfar-<lb/>
rer &#x017F;tudiere noch an &#x017F;einer Predigt, und redete<lb/>
bey &#x017F;einem Glas Wein auch minder, als er &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
gewo&#x0364;hnt war.</p><lb/>
          <p>Endlich als der Pfarrer eben in die Kirche ge-<lb/>
hen wollte, kam der Samuel, und der Ehegaumer<lb/>
&#x017F;agte zu ihm:</p><lb/>
          <p>Du kann&#x017F;t jezt dem Wohlehrwu&#x0364;rdigen Herrn<lb/>
Pfarrer alles &#x017F;elber erza&#x0364;hlen.</p><lb/>
          <p>Da &#x017F;agte der Samuel: Gott gru&#x0364;ß euch, Wohl-<lb/>
ehrwu&#x0364;rdiger Herr Pfarrer!</p><lb/>
          <p>Der Pfarrer dankt&#x2019; ihm, und &#x017F;agte: Sind denn<lb/>
die Leute noch nicht wieder heim?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Samuel.</hi> Nein, Herr Pfarrer! ich gieng<lb/>
von dem Augenblick an, da mich der Ehegaumer be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tellte,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0241] dachte in dieſer Stunde an ſeinen Eid, den er ge- ſchworen hatte, Acht zu geben auf allen Unfug und auf alles gottloſe Weſen, und ſolches dem Pfarrer anzuzeigen. Und der Ehegaumer beſtellte einen ehrbaren Mann, daß er Acht geben ſollte auf dieſe Purſche, ob ſie vor der Predigt wieder aus dem Wirthshaus heim giengen oder nicht? Und da es bald zuſammen laͤuten wollte, und noch Nie- mand wieder heraus kam, gieng er zum Pfarrer, und ſagt’ ihm, was er geſehen und wie er den Samuel Treu beſtellt haͤtte, Acht zu geben. Der Pfarrer aber erſchrack uͤber dieſen Bericht; ſeufzete ſtill bey ſich ſelber, und redete nicht viel. Da dachte der Ehegaumer, der Herr! Pfar- rer ſtudiere noch an ſeiner Predigt, und redete bey ſeinem Glas Wein auch minder, als er ſonſt gewoͤhnt war. Endlich als der Pfarrer eben in die Kirche ge- hen wollte, kam der Samuel, und der Ehegaumer ſagte zu ihm: Du kannſt jezt dem Wohlehrwuͤrdigen Herrn Pfarrer alles ſelber erzaͤhlen. Da ſagte der Samuel: Gott gruͤß euch, Wohl- ehrwuͤrdiger Herr Pfarrer! Der Pfarrer dankt’ ihm, und ſagte: Sind denn die Leute noch nicht wieder heim? Samuel. Nein, Herr Pfarrer! ich gieng von dem Augenblick an, da mich der Ehegaumer be- ſtellte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/241
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/241>, abgerufen am 21.11.2024.