Vogt. Es war mir so wunderlich als es mir seyn konnte; und unausstehlich allein zu seyn.
Vögtinn. Das ist gleich viel. Aber Nach- baren! geht doch so schnell ihr könnet durch die hintere Thür heim, und machet, daß das Volk, wenn es aus der Kirche kommt, einen jeden vor seinem Hause antreffe; so könnt ihr die Sache noch bemänteln. Man hat noch nicht vollends ausgesun- gen; aber gehet, es ist doch Zeit.
Vogt. Ja, gehet -- gehet -- das ist ein Abi- gailsrath.
Die Bauern giengen.
Da erzählte die Frau ihm erst recht, daß der Pfarrer vom Judas geprediget hätte; wie der Teufel ihm in sein Herz gefahren wäre -- wie er sich er- hängt hätte, und wie die, so vom Nachtmahl weggien- gen, zu saufen und zu spielen, ein gleiches Ende nehmen würden. Er war so eifrig, sagte die Frau, daß er mit den Fäusten auf's Kanzelbrett schluge, und mir ist schier geschwunden und ohnmächtig worden.
Der Vogt aber erschrack über das, so die Frau erzählte, so sehr, daß er war wie ein Stummer, und kein Wort antwortete. Aber schwäre tiefe Seufzer thönten jezt aus dem stolzen Munde, den man Jahre lang nie so seufzen gehört hatte.
Seine
Bauern. Ja, ja!
Vogt. Es war mir ſo wunderlich als es mir ſeyn konnte; und unausſtehlich allein zu ſeyn.
Voͤgtinn. Das iſt gleich viel. Aber Nach- baren! geht doch ſo ſchnell ihr koͤnnet durch die hintere Thuͤr heim, und machet, daß das Volk, wenn es aus der Kirche kommt, einen jeden vor ſeinem Hauſe antreffe; ſo koͤnnt ihr die Sache noch bemaͤnteln. Man hat noch nicht vollends ausgeſun- gen; aber gehet, es iſt doch Zeit.
Vogt. Ja, gehet — gehet — das iſt ein Abi- gailsrath.
Die Bauern giengen.
Da erzaͤhlte die Frau ihm erſt recht, daß der Pfarrer vom Judas geprediget haͤtte; wie der Teufel ihm in ſein Herz gefahren waͤre — wie er ſich er- haͤngt haͤtte, und wie die, ſo vom Nachtmahl weggien- gen, zu ſaufen und zu ſpielen, ein gleiches Ende nehmen wuͤrden. Er war ſo eifrig, ſagte die Frau, daß er mit den Faͤuſten auf’s Kanzelbrett ſchluge, und mir iſt ſchier geſchwunden und ohnmaͤchtig worden.
Der Vogt aber erſchrack uͤber das, ſo die Frau erzaͤhlte, ſo ſehr, daß er war wie ein Stummer, und kein Wort antwortete. Aber ſchwaͤre tiefe Seufzer thoͤnten jezt aus dem ſtolzen Munde, den man Jahre lang nie ſo ſeufzen gehoͤrt hatte.
Seine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0246"n="221"/><p><hirendition="#fr">Bauern.</hi> Ja, ja!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Es war mir ſo wunderlich als es mir<lb/>ſeyn konnte; und unausſtehlich allein zu ſeyn.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Voͤgtinn.</hi> Das iſt gleich viel. Aber Nach-<lb/>
baren! geht doch ſo ſchnell ihr koͤnnet durch die<lb/>
hintere Thuͤr heim, und machet, daß das Volk,<lb/>
wenn es aus der Kirche kommt, einen jeden vor<lb/>ſeinem Hauſe antreffe; ſo koͤnnt ihr die Sache noch<lb/>
bemaͤnteln. Man hat noch nicht vollends ausgeſun-<lb/>
gen; aber gehet, es iſt doch Zeit.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Ja, gehet — gehet — das iſt ein Abi-<lb/>
gailsrath.</p><lb/><p>Die Bauern giengen.</p><lb/><p>Da erzaͤhlte die Frau ihm erſt recht, daß der<lb/>
Pfarrer vom Judas geprediget haͤtte; wie der Teufel<lb/>
ihm in ſein Herz gefahren waͤre — wie er ſich er-<lb/>
haͤngt haͤtte, und wie die, ſo vom Nachtmahl weggien-<lb/>
gen, zu ſaufen und zu ſpielen, ein gleiches Ende<lb/>
nehmen wuͤrden. Er war ſo eifrig, ſagte die Frau,<lb/>
daß er mit den Faͤuſten auf’s Kanzelbrett ſchluge,<lb/>
und mir iſt ſchier geſchwunden und ohnmaͤchtig<lb/>
worden.</p><lb/><p>Der Vogt aber erſchrack uͤber das, ſo die Frau<lb/>
erzaͤhlte, ſo ſehr, daß er war wie ein Stummer,<lb/>
und kein Wort antwortete. Aber ſchwaͤre tiefe<lb/>
Seufzer thoͤnten jezt aus dem ſtolzen Munde, den<lb/>
man Jahre lang nie ſo ſeufzen gehoͤrt hatte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Seine</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[221/0246]
Bauern. Ja, ja!
Vogt. Es war mir ſo wunderlich als es mir
ſeyn konnte; und unausſtehlich allein zu ſeyn.
Voͤgtinn. Das iſt gleich viel. Aber Nach-
baren! geht doch ſo ſchnell ihr koͤnnet durch die
hintere Thuͤr heim, und machet, daß das Volk,
wenn es aus der Kirche kommt, einen jeden vor
ſeinem Hauſe antreffe; ſo koͤnnt ihr die Sache noch
bemaͤnteln. Man hat noch nicht vollends ausgeſun-
gen; aber gehet, es iſt doch Zeit.
Vogt. Ja, gehet — gehet — das iſt ein Abi-
gailsrath.
Die Bauern giengen.
Da erzaͤhlte die Frau ihm erſt recht, daß der
Pfarrer vom Judas geprediget haͤtte; wie der Teufel
ihm in ſein Herz gefahren waͤre — wie er ſich er-
haͤngt haͤtte, und wie die, ſo vom Nachtmahl weggien-
gen, zu ſaufen und zu ſpielen, ein gleiches Ende
nehmen wuͤrden. Er war ſo eifrig, ſagte die Frau,
daß er mit den Faͤuſten auf’s Kanzelbrett ſchluge,
und mir iſt ſchier geſchwunden und ohnmaͤchtig
worden.
Der Vogt aber erſchrack uͤber das, ſo die Frau
erzaͤhlte, ſo ſehr, daß er war wie ein Stummer,
und kein Wort antwortete. Aber ſchwaͤre tiefe
Seufzer thoͤnten jezt aus dem ſtolzen Munde, den
man Jahre lang nie ſo ſeufzen gehoͤrt hatte.
Seine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/246>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.