Vogt. Du hast durchaus Recht; aber es ist gar nicht leicht.
Vögtinn. Es mag schwer seyn oder nicht, es muß seyn; sie müssen dir vom Hals.
Vogt. Du weissest wohl, wie viel mich an sie bindet, und was sie wissen.
Vögtinn. Du weissest noch viel mehr von ih- nen: sie sind Schelmen, und dürfen nichts sagen; du mußst dich von ihnen losmachen.
Der Vogt seufzet; die Frau aber fährt fort: Sie fressen und saufen immer bey dir, und zahlen dich nicht. Und wenn du besoffen bist, so lassest du dich noch von ihnen anführen, wie ein Tropf -- Denk doch, um Gottes willen! nur wie es gestern mit dem Joseph gegangen ist: Ich habe dir, ach mein Gott! wie gut hab ich's gemeynt, rathen wollen, aber wie bist du mit mir umgegangen? Und ohne das sind auch gestern zween Thaler aus deinem Camisolsack weiter spatziert, und sind nicht einmal aufgeschrieben -- Wie lang kann das noch gehn? Wenn du bey deinen schlimmen Händeln nachrechnest, was nebenhin gegangen ist, so hast du bey allem ver- loren; und doch fährst du noch immer fort mit diesen Leuten, und oft und viel nur um deines gottlosen Hochmuths willen. Bald muß dir so ein Hund reden, was du willst, und bald ein ande- rer schweigen, wo du willst; darfür dann fressen und saufen sie bey dir, und zum schönen Dank, wenn
dich
Vogt. Du haſt durchaus Recht; aber es iſt gar nicht leicht.
Voͤgtinn. Es mag ſchwer ſeyn oder nicht, es muß ſeyn; ſie muͤſſen dir vom Hals.
Vogt. Du weiſſeſt wohl, wie viel mich an ſie bindet, und was ſie wiſſen.
Voͤgtinn. Du weiſſeſt noch viel mehr von ih- nen: ſie ſind Schelmen, und duͤrfen nichts ſagen; du mußſt dich von ihnen losmachen.
Der Vogt ſeufzet; die Frau aber faͤhrt fort: Sie freſſen und ſaufen immer bey dir, und zahlen dich nicht. Und wenn du beſoffen biſt, ſo laſſeſt du dich noch von ihnen anfuͤhren, wie ein Tropf — Denk doch, um Gottes willen! nur wie es geſtern mit dem Joſeph gegangen iſt: Ich habe dir, ach mein Gott! wie gut hab ich’s gemeynt, rathen wollen, aber wie biſt du mit mir umgegangen? Und ohne das ſind auch geſtern zween Thaler aus deinem Camiſolſack weiter ſpatziert, und ſind nicht einmal aufgeſchrieben — Wie lang kann das noch gehn? Wenn du bey deinen ſchlimmen Haͤndeln nachrechneſt, was nebenhin gegangen iſt, ſo haſt du bey allem ver- loren; und doch faͤhrſt du noch immer fort mit dieſen Leuten, und oft und viel nur um deines gottloſen Hochmuths willen. Bald muß dir ſo ein Hund reden, was du willſt, und bald ein ande- rer ſchweigen, wo du willſt; darfuͤr dann freſſen und ſaufen ſie bey dir, und zum ſchoͤnen Dank, wenn
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Vogt. Du haſt durchaus Recht; aber es iſt
gar nicht leicht.
Voͤgtinn. Es mag ſchwer ſeyn oder nicht,
es muß ſeyn; ſie muͤſſen dir vom Hals.
Vogt. Du weiſſeſt wohl, wie viel mich an
ſie bindet, und was ſie wiſſen.
Voͤgtinn. Du weiſſeſt noch viel mehr von ih-
nen: ſie ſind Schelmen, und duͤrfen nichts ſagen;
du mußſt dich von ihnen losmachen.
Der Vogt ſeufzet; die Frau aber faͤhrt fort:
Sie freſſen und ſaufen immer bey dir, und zahlen
dich nicht. Und wenn du beſoffen biſt, ſo laſſeſt du
dich noch von ihnen anfuͤhren, wie ein Tropf —
Denk doch, um Gottes willen! nur wie es geſtern mit
dem Joſeph gegangen iſt: Ich habe dir, ach mein
Gott! wie gut hab ich’s gemeynt, rathen wollen,
aber wie biſt du mit mir umgegangen? Und ohne
das ſind auch geſtern zween Thaler aus deinem
Camiſolſack weiter ſpatziert, und ſind nicht einmal
aufgeſchrieben — Wie lang kann das noch gehn?
Wenn du bey deinen ſchlimmen Haͤndeln nachrechneſt,
was nebenhin gegangen iſt, ſo haſt du bey allem ver-
loren; und doch faͤhrſt du noch immer fort mit
dieſen Leuten, und oft und viel nur um deines
gottloſen Hochmuths willen. Bald muß dir ſo ein
Hund reden, was du willſt, und bald ein ande-
rer ſchweigen, wo du willſt; darfuͤr dann freſſen und
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/251>, abgerufen am 22.11.2024.
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