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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Lise. Habt ihr grossen Hunger leiden müssen?

Betheli. Ach! wenns nur jezt besser wird.

Lise. Was habt ihr zu Mittag gehabt?

Betheli. Ich darf dir's nicht sagen.

Lise. Warum nicht?

Betheli. Wenn es der Vater vernähme, er
würde mir --

Lise. Ich würd' es ihm gewiß gleich sagen?

Das Betheli nimmt ein Stück ungekochte weis-
se Ruben aus dem Sack, und sagt: Da siehe -- --

Lise. Herr Jesus! sonst nichts?

Betheli. Nein, weiß Gott! jezt schon zween
Tage.

Lise. Und du darfst es Niemand sagen, und
Niemand nichts fordern?

Betheli. Ja, wenn er nur wüßte, was ich
dir gesagt habe, es würde mir zehn! --

Lise. Iß doch das Brod, ehe du wieder hin-
ein mußst.

Betheli. Ja, ich will; ich muß bald wieder
hinein, sonst fehlts -- Es fängt an zu essen, und
eben öffnet der fromme Marx ab der Reuti das
kleinere Thürlein der Tenne, und sagt: Was issest
du da, mein Kind!

Sein Kind worget und schluckt ganz erschrocken
über dem lieben Vater den ungekauten Mundvoll
herunter, und sagt: Nichts, nichts, Vater!

Marx.

Liſe. Habt ihr groſſen Hunger leiden muͤſſen?

Betheli. Ach! wenns nur jezt beſſer wird.

Liſe. Was habt ihr zu Mittag gehabt?

Betheli. Ich darf dir’s nicht ſagen.

Liſe. Warum nicht?

Betheli. Wenn es der Vater vernaͤhme, er
wuͤrde mir —

Liſe. Ich wuͤrd’ es ihm gewiß gleich ſagen?

Das Betheli nimmt ein Stuͤck ungekochte weiſ-
ſe Ruben aus dem Sack, und ſagt: Da ſiehe — —

Liſe. Herr Jeſus! ſonſt nichts?

Betheli. Nein, weiß Gott! jezt ſchon zween
Tage.

Liſe. Und du darfſt es Niemand ſagen, und
Niemand nichts fordern?

Betheli. Ja, wenn er nur wuͤßte, was ich
dir geſagt habe, es wuͤrde mir zehn! —

Liſe. Iß doch das Brod, ehe du wieder hin-
ein mußſt.

Betheli. Ja, ich will; ich muß bald wieder
hinein, ſonſt fehlts — Es faͤngt an zu eſſen, und
eben oͤffnet der fromme Marx ab der Reuti das
kleinere Thuͤrlein der Tenne, und ſagt: Was iſſeſt
du da, mein Kind!

Sein Kind worget und ſchluckt ganz erſchrocken
uͤber dem lieben Vater den ungekauten Mundvoll
herunter, und ſagt: Nichts, nichts, Vater!

Marx.
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[246/0271] Liſe. Habt ihr groſſen Hunger leiden muͤſſen? Betheli. Ach! wenns nur jezt beſſer wird. Liſe. Was habt ihr zu Mittag gehabt? Betheli. Ich darf dir’s nicht ſagen. Liſe. Warum nicht? Betheli. Wenn es der Vater vernaͤhme, er wuͤrde mir — Liſe. Ich wuͤrd’ es ihm gewiß gleich ſagen? Das Betheli nimmt ein Stuͤck ungekochte weiſ- ſe Ruben aus dem Sack, und ſagt: Da ſiehe — — Liſe. Herr Jeſus! ſonſt nichts? Betheli. Nein, weiß Gott! jezt ſchon zween Tage. Liſe. Und du darfſt es Niemand ſagen, und Niemand nichts fordern? Betheli. Ja, wenn er nur wuͤßte, was ich dir geſagt habe, es wuͤrde mir zehn! — Liſe. Iß doch das Brod, ehe du wieder hin- ein mußſt. Betheli. Ja, ich will; ich muß bald wieder hinein, ſonſt fehlts — Es faͤngt an zu eſſen, und eben oͤffnet der fromme Marx ab der Reuti das kleinere Thuͤrlein der Tenne, und ſagt: Was iſſeſt du da, mein Kind! Sein Kind worget und ſchluckt ganz erſchrocken uͤber dem lieben Vater den ungekauten Mundvoll herunter, und ſagt: Nichts, nichts, Vater! Marx.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/271>, abgerufen am 24.11.2024.