Den Augenblick, antwortet der Vogt; trinkt aus -- zahlt die Irte -- und sie giengen gleich mit einander.
Da sie jezt allein auf der Strasse waren, fragte der Vogt den Förster: ob es auch sicher sey zu Nacht im Wald vor den Gespenstern.
Förster. Warum fragst du mich das?
Vogt. Ha! weil's mich wundert.
Förster. Du bist ein alter Narr! schon dreyßig Jahr Vogt, und solche Dummheiten fra- gen! du solltest dich schämen.
Vogt. Nein, bey Gott! mit den Gespenstern weiß ich nie recht, wie ich daran bin, ob ich sie glauben soll oder nicht? und doch hab ich auch noch keines gesehen.
Förster. Nun, weil du mich so treuherzig frägst, so will ich dir aus dem Wunder helfen -- Du zahlst mir einst eine Bouteille für meine Er- klärung.
Vogt. Gern zwey, wenn du sie recht machst.
Förster. Ich bin nun vierzig Jahre auf mei- nem Posten, und als ein Junge schon vom vierten Jahre an von meinem Vater im Wald erzogen worden. Dieser erzählte den Bauern in den Wirths- häusern und in den Schenken immer von den vielen Gespenstern und Schrecknissen des Waldes; aber er trieb nur mit ihnen den Narren; mit mir ver- stuhnd er's ganz anders: Ich sollte Förster wer-
den,
Den Augenblick, antwortet der Vogt; trinkt aus — zahlt die Irte — und ſie giengen gleich mit einander.
Da ſie jezt allein auf der Straſſe waren, fragte der Vogt den Foͤrſter: ob es auch ſicher ſey zu Nacht im Wald vor den Geſpenſtern.
Foͤrſter. Warum fragſt du mich das?
Vogt. Ha! weil’s mich wundert.
Foͤrſter. Du biſt ein alter Narr! ſchon dreyßig Jahr Vogt, und ſolche Dummheiten fra- gen! du ſollteſt dich ſchaͤmen.
Vogt. Nein, bey Gott! mit den Geſpenſtern weiß ich nie recht, wie ich daran bin, ob ich ſie glauben ſoll oder nicht? und doch hab ich auch noch keines geſehen.
Foͤrſter. Nun, weil du mich ſo treuherzig fraͤgſt, ſo will ich dir aus dem Wunder helfen — Du zahlſt mir einſt eine Bouteille fuͤr meine Er- klaͤrung.
Vogt. Gern zwey, wenn du ſie recht machſt.
Foͤrſter. Ich bin nun vierzig Jahre auf mei- nem Poſten, und als ein Junge ſchon vom vierten Jahre an von meinem Vater im Wald erzogen worden. Dieſer erzaͤhlte den Bauern in den Wirths- haͤuſern und in den Schenken immer von den vielen Geſpenſtern und Schreckniſſen des Waldes; aber er trieb nur mit ihnen den Narren; mit mir ver- ſtuhnd er’s ganz anders: Ich ſollte Foͤrſter wer-
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Den Augenblick, antwortet der Vogt; trinkt
aus — zahlt die Irte — und ſie giengen gleich
mit einander.
Da ſie jezt allein auf der Straſſe waren,
fragte der Vogt den Foͤrſter: ob es auch ſicher ſey
zu Nacht im Wald vor den Geſpenſtern.
Foͤrſter. Warum fragſt du mich das?
Vogt. Ha! weil’s mich wundert.
Foͤrſter. Du biſt ein alter Narr! ſchon
dreyßig Jahr Vogt, und ſolche Dummheiten fra-
gen! du ſollteſt dich ſchaͤmen.
Vogt. Nein, bey Gott! mit den Geſpenſtern
weiß ich nie recht, wie ich daran bin, ob ich ſie
glauben ſoll oder nicht? und doch hab ich auch
noch keines geſehen.
Foͤrſter. Nun, weil du mich ſo treuherzig
fraͤgſt, ſo will ich dir aus dem Wunder helfen —
Du zahlſt mir einſt eine Bouteille fuͤr meine Er-
klaͤrung.
Vogt. Gern zwey, wenn du ſie recht machſt.
Foͤrſter. Ich bin nun vierzig Jahre auf mei-
nem Poſten, und als ein Junge ſchon vom vierten
Jahre an von meinem Vater im Wald erzogen
worden. Dieſer erzaͤhlte den Bauern in den Wirths-
haͤuſern und in den Schenken immer von den vielen
Geſpenſtern und Schreckniſſen des Waldes; aber er
trieb nur mit ihnen den Narren; mit mir ver-
ſtuhnd er’s ganz anders: Ich ſollte Foͤrſter wer-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/308>, abgerufen am 15.08.2024.
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