den, und also solcherley Zeugs weder glauben noch fürchten; deshalben nahm er mich zu Nacht, wenn weder Mond noch Sterne schienen, wenn die Stürme braußten, auf Fronfasten und Weyhnacht in den Wald; wenn er dann ein Feuer oder einen Schein sah, oder ein Geräusch hörte, so mußte ich mit ihm drauf los über Stauden und Stöcke, über Gräben und Sümpfe, und über alle Kreuzwege mußte ich mit ihm dem Geräusch nach; und es waren immer Zigeuner, Diebe und Bettler -- sodann rief er ihnen mit seiner erschrecklichen Stim- me zu: Vom Platze, ihr Schelmen!
Und wenn's ihrer zehn und zwanzig waren, sie strichen sich immer fort, und sie liessen oft noch Häfen und Pfannen und Braten zurück, daß es eine Lust war. Oft war das Geräusch auch nur Hochgewild, das manchmal gar wunderbare Thöne von sich giebt, und die faulen, alten Holzstämme geben einen Schein, und machen in der Nacht Gestalten, die jedermann, der nicht hinzu darf, in Schrecken setzen können. Und das ist alles, was ich in meinem Leben im Wald Unrichtiges gefunden habe; aber immer wird's mein Amtsvortheil seyn und bleiben, daß meine Nachbaren ordentlich glauben, er sey wohl gespickt mit Gespenstern und mit Teufeln; denn siehe, unser einer altet, und ist froh, bey dunkeln Nächten den Frevlern nicht nachlaufen zu müssen.
§. 67.
den, und alſo ſolcherley Zeugs weder glauben noch fuͤrchten; deshalben nahm er mich zu Nacht, wenn weder Mond noch Sterne ſchienen, wenn die Stuͤrme braußten, auf Fronfaſten und Weyhnacht in den Wald; wenn er dann ein Feuer oder einen Schein ſah, oder ein Geraͤuſch hoͤrte, ſo mußte ich mit ihm drauf los uͤber Stauden und Stoͤcke, uͤber Graͤben und Suͤmpfe, und uͤber alle Kreuzwege mußte ich mit ihm dem Geraͤuſch nach; und es waren immer Zigeuner, Diebe und Bettler — ſodann rief er ihnen mit ſeiner erſchrecklichen Stim- me zu: Vom Platze, ihr Schelmen!
Und wenn’s ihrer zehn und zwanzig waren, ſie ſtrichen ſich immer fort, und ſie lieſſen oft noch Haͤfen und Pfannen und Braten zuruͤck, daß es eine Luſt war. Oft war das Geraͤuſch auch nur Hochgewild, das manchmal gar wunderbare Thoͤne von ſich giebt, und die faulen, alten Holzſtaͤmme geben einen Schein, und machen in der Nacht Geſtalten, die jedermann, der nicht hinzu darf, in Schrecken ſetzen koͤnnen. Und das iſt alles, was ich in meinem Leben im Wald Unrichtiges gefunden habe; aber immer wird’s mein Amtsvortheil ſeyn und bleiben, daß meine Nachbaren ordentlich glauben, er ſey wohl geſpickt mit Geſpenſtern und mit Teufeln; denn ſiehe, unſer einer altet, und iſt froh, bey dunkeln Naͤchten den Frevlern nicht nachlaufen zu muͤſſen.
§. 67.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0309"n="284"/>
den, und alſo ſolcherley Zeugs weder glauben noch<lb/>
fuͤrchten; deshalben nahm er mich zu Nacht, wenn<lb/>
weder Mond noch Sterne ſchienen, wenn die<lb/>
Stuͤrme braußten, auf Fronfaſten und Weyhnacht<lb/>
in den Wald; wenn er dann ein Feuer oder einen<lb/>
Schein ſah, oder ein Geraͤuſch hoͤrte, ſo mußte ich<lb/>
mit ihm drauf los uͤber Stauden und Stoͤcke, uͤber<lb/>
Graͤben und Suͤmpfe, und uͤber alle Kreuzwege<lb/>
mußte ich mit ihm dem Geraͤuſch nach; und es<lb/>
waren immer Zigeuner, Diebe und Bettler —<lb/>ſodann rief er ihnen mit ſeiner erſchrecklichen Stim-<lb/>
me zu: Vom Platze, ihr Schelmen!</p><lb/><p>Und wenn’s ihrer zehn und zwanzig waren, ſie<lb/>ſtrichen ſich immer fort, und ſie lieſſen oft noch Haͤfen<lb/>
und Pfannen und Braten zuruͤck, daß es eine Luſt<lb/>
war. Oft war das Geraͤuſch auch nur Hochgewild,<lb/>
das manchmal gar wunderbare Thoͤne von ſich giebt,<lb/>
und die faulen, alten Holzſtaͤmme geben einen Schein,<lb/>
und machen in der Nacht Geſtalten, die jedermann,<lb/>
der nicht hinzu darf, in Schrecken ſetzen koͤnnen.<lb/>
Und das iſt alles, was ich in meinem Leben<lb/>
im Wald Unrichtiges gefunden habe; aber immer<lb/>
wird’s mein Amtsvortheil ſeyn und bleiben, daß<lb/>
meine Nachbaren ordentlich glauben, er ſey wohl<lb/>
geſpickt mit Geſpenſtern und mit Teufeln; denn<lb/>ſiehe, unſer einer altet, und iſt froh, bey dunkeln<lb/>
Naͤchten den Frevlern nicht nachlaufen zu muͤſſen.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 67.</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[284/0309]
den, und alſo ſolcherley Zeugs weder glauben noch
fuͤrchten; deshalben nahm er mich zu Nacht, wenn
weder Mond noch Sterne ſchienen, wenn die
Stuͤrme braußten, auf Fronfaſten und Weyhnacht
in den Wald; wenn er dann ein Feuer oder einen
Schein ſah, oder ein Geraͤuſch hoͤrte, ſo mußte ich
mit ihm drauf los uͤber Stauden und Stoͤcke, uͤber
Graͤben und Suͤmpfe, und uͤber alle Kreuzwege
mußte ich mit ihm dem Geraͤuſch nach; und es
waren immer Zigeuner, Diebe und Bettler —
ſodann rief er ihnen mit ſeiner erſchrecklichen Stim-
me zu: Vom Platze, ihr Schelmen!
Und wenn’s ihrer zehn und zwanzig waren, ſie
ſtrichen ſich immer fort, und ſie lieſſen oft noch Haͤfen
und Pfannen und Braten zuruͤck, daß es eine Luſt
war. Oft war das Geraͤuſch auch nur Hochgewild,
das manchmal gar wunderbare Thoͤne von ſich giebt,
und die faulen, alten Holzſtaͤmme geben einen Schein,
und machen in der Nacht Geſtalten, die jedermann,
der nicht hinzu darf, in Schrecken ſetzen koͤnnen.
Und das iſt alles, was ich in meinem Leben
im Wald Unrichtiges gefunden habe; aber immer
wird’s mein Amtsvortheil ſeyn und bleiben, daß
meine Nachbaren ordentlich glauben, er ſey wohl
geſpickt mit Geſpenſtern und mit Teufeln; denn
ſiehe, unſer einer altet, und iſt froh, bey dunkeln
Naͤchten den Frevlern nicht nachlaufen zu muͤſſen.
§. 67.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/309>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.