Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 67.
Ein Mann, den es gelüstet, einen Markstein
zu versctzen, möchte auch gern die
Gespenster nicht glauben, und er darf
nicht.

So redete der Mann -- Und sie kamen indessen
an den Seitenweg, durch welchen der Förster in
Wald gieng; und der Vogt, der nunmehr allein
war, redete da mit sich selber:

Er ist vierzig Jahre lang Förster, und hat noch
kein Gespenst gesehen, und glaubt keines; und ich
bin ein Narr und glaube sie, und darf nicht ein-
mal dran denken eine Viertelstunde im Wald einen
Stein auszugraben. Wie ein Schelm und ein
Dieb nimmt er mir das Wirthsrecht, und der
Hundsstein da auf dem Felsen ist keine rechte
Mark; ich glaub's nicht -- Und wenn sie es wäre!
hätte er ein besseres Recht, als mein Wirthshaus?

So gewaltthätig einem Mann sein Eigenthum
rauben! Wer, als der Satan, hat ihm das ein-
geben können? Und da er meinem Haus nicht
schont, so habe ich keinen Grund, seinem verdamm-
ten Kieselstein zu schonen; aber ich darf nicht.
Zu Nacht darf ich nicht auf den Platz, und am

Tage

§. 67.
Ein Mann, den es geluͤſtet, einen Markſtein
zu verſctzen, moͤchte auch gern die
Geſpenſter nicht glauben, und er darf
nicht.

So redete der Mann — Und ſie kamen indeſſen
an den Seitenweg, durch welchen der Foͤrſter in
Wald gieng; und der Vogt, der nunmehr allein
war, redete da mit ſich ſelber:

Er iſt vierzig Jahre lang Foͤrſter, und hat noch
kein Geſpenſt geſehen, und glaubt keines; und ich
bin ein Narr und glaube ſie, und darf nicht ein-
mal dran denken eine Viertelſtunde im Wald einen
Stein auszugraben. Wie ein Schelm und ein
Dieb nimmt er mir das Wirthsrecht, und der
Hundsſtein da auf dem Felſen iſt keine rechte
Mark; ich glaub’s nicht — Und wenn ſie es waͤre!
haͤtte er ein beſſeres Recht, als mein Wirthshaus?

So gewaltthaͤtig einem Mann ſein Eigenthum
rauben! Wer, als der Satan, hat ihm das ein-
geben koͤnnen? Und da er meinem Haus nicht
ſchont, ſo habe ich keinen Grund, ſeinem verdamm-
ten Kieſelſtein zu ſchonen; aber ich darf nicht.
Zu Nacht darf ich nicht auf den Platz, und am

Tage
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0310" n="285"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>§. 67.<lb/><hi rendition="#b">Ein Mann, den es gelu&#x0364;&#x017F;tet, einen Mark&#x017F;tein<lb/>
zu ver&#x017F;ctzen, mo&#x0364;chte auch gern die<lb/>
Ge&#x017F;pen&#x017F;ter nicht glauben, und er darf<lb/>
nicht.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi>o redete der Mann &#x2014; Und &#x017F;ie kamen inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
an den Seitenweg, durch welchen der Fo&#x0364;r&#x017F;ter in<lb/>
Wald gieng; und der Vogt, der nunmehr allein<lb/>
war, redete da mit &#x017F;ich &#x017F;elber:</p><lb/>
          <p>Er i&#x017F;t vierzig Jahre lang Fo&#x0364;r&#x017F;ter, und hat noch<lb/>
kein Ge&#x017F;pen&#x017F;t ge&#x017F;ehen, und glaubt keines; und ich<lb/>
bin ein Narr und glaube &#x017F;ie, und darf nicht ein-<lb/>
mal dran denken eine Viertel&#x017F;tunde im Wald einen<lb/>
Stein auszugraben. Wie ein Schelm und ein<lb/>
Dieb nimmt er mir das Wirthsrecht, und der<lb/>
Hunds&#x017F;tein da auf dem Fel&#x017F;en i&#x017F;t keine rechte<lb/>
Mark; ich glaub&#x2019;s nicht &#x2014; Und wenn &#x017F;ie es wa&#x0364;re!<lb/>
ha&#x0364;tte er ein be&#x017F;&#x017F;eres Recht, als mein Wirthshaus?</p><lb/>
          <p>So gewalttha&#x0364;tig einem Mann &#x017F;ein Eigenthum<lb/>
rauben! Wer, als der Satan, hat ihm das ein-<lb/>
geben ko&#x0364;nnen? Und da er meinem Haus nicht<lb/>
&#x017F;chont, &#x017F;o habe ich keinen Grund, &#x017F;einem verdamm-<lb/>
ten Kie&#x017F;el&#x017F;tein zu &#x017F;chonen; aber ich darf nicht.<lb/>
Zu Nacht darf ich nicht auf den Platz, und am<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Tage</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0310] §. 67. Ein Mann, den es geluͤſtet, einen Markſtein zu verſctzen, moͤchte auch gern die Geſpenſter nicht glauben, und er darf nicht. So redete der Mann — Und ſie kamen indeſſen an den Seitenweg, durch welchen der Foͤrſter in Wald gieng; und der Vogt, der nunmehr allein war, redete da mit ſich ſelber: Er iſt vierzig Jahre lang Foͤrſter, und hat noch kein Geſpenſt geſehen, und glaubt keines; und ich bin ein Narr und glaube ſie, und darf nicht ein- mal dran denken eine Viertelſtunde im Wald einen Stein auszugraben. Wie ein Schelm und ein Dieb nimmt er mir das Wirthsrecht, und der Hundsſtein da auf dem Felſen iſt keine rechte Mark; ich glaub’s nicht — Und wenn ſie es waͤre! haͤtte er ein beſſeres Recht, als mein Wirthshaus? So gewaltthaͤtig einem Mann ſein Eigenthum rauben! Wer, als der Satan, hat ihm das ein- geben koͤnnen? Und da er meinem Haus nicht ſchont, ſo habe ich keinen Grund, ſeinem verdamm- ten Kieſelſtein zu ſchonen; aber ich darf nicht. Zu Nacht darf ich nicht auf den Platz, und am Tage

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/310
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/310>, abgerufen am 22.11.2024.