Kunz aber sagte: Und mir ahndet, ein Wild- dieb, oder ein Harzer, habe den Vogt und uns alle geäffet. Als ich ihm nahe kam, hörte das Geheul auf, und ein Mensch lief den Berg hinauf, was er konnte. Es hat mich tausendmal gereuet, daß ich ihm nicht nachgelaufen bin; und wir waren Narren, daß wir des Vogts Hund nicht mitgenom- men haben.
Du bist ein Narr, Kunz! das war in Ewig- keit keine Menschenstimme. Es gieng durch Leib und Seel; es drang durch Mark und Bein; und ein mit Eisen beladener Wagen rasselt nicht so auf der Bergstrasse, wie das gerasselt hat.
Ich will euch nicht widersprechen, Nachbaren! Es schauerte mir auch, da ich es hörte. Aber doch lasse ich mir nicht ausreden, daß ich Jemand wieder den Berg hinauf laufen gehört habe.
Meynst du, der Teufel könne nicht auch laufen, daß man ihn höre? sagten die Männer.
Der Vogt aber hörte von allem Gerede kein Wort. Und da er daheim war, bat er die Männer, daß sie doch diese Nacht bey ihm blieben; und sie blieben gar gern im Wirthshause.
§. 76.
Kunz aber ſagte: Und mir ahndet, ein Wild- dieb, oder ein Harzer, habe den Vogt und uns alle geaͤffet. Als ich ihm nahe kam, hoͤrte das Geheul auf, und ein Menſch lief den Berg hinauf, was er konnte. Es hat mich tauſendmal gereuet, daß ich ihm nicht nachgelaufen bin; und wir waren Narren, daß wir des Vogts Hund nicht mitgenom- men haben.
Du biſt ein Narr, Kunz! das war in Ewig- keit keine Menſchenſtimme. Es gieng durch Leib und Seel; es drang durch Mark und Bein; und ein mit Eiſen beladener Wagen raſſelt nicht ſo auf der Bergſtraſſe, wie das geraſſelt hat.
Ich will euch nicht widerſprechen, Nachbaren! Es ſchauerte mir auch, da ich es hoͤrte. Aber doch laſſe ich mir nicht ausreden, daß ich Jemand wieder den Berg hinauf laufen gehoͤrt habe.
Meynſt du, der Teufel koͤnne nicht auch laufen, daß man ihn hoͤre? ſagten die Maͤnner.
Der Vogt aber hoͤrte von allem Gerede kein Wort. Und da er daheim war, bat er die Maͤnner, daß ſie doch dieſe Nacht bey ihm blieben; und ſie blieben gar gern im Wirthshauſe.
§. 76.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0329"n="304"/><p>Kunz aber ſagte: Und mir ahndet, ein Wild-<lb/>
dieb, oder ein Harzer, habe den Vogt und uns<lb/>
alle geaͤffet. Als ich ihm nahe kam, hoͤrte das<lb/>
Geheul auf, und ein Menſch lief den Berg hinauf,<lb/>
was er konnte. Es hat mich tauſendmal gereuet,<lb/>
daß ich ihm nicht nachgelaufen bin; und wir waren<lb/>
Narren, daß wir des Vogts Hund nicht mitgenom-<lb/>
men haben.</p><lb/><p>Du biſt ein Narr, Kunz! das war in Ewig-<lb/>
keit keine Menſchenſtimme. Es gieng durch Leib<lb/>
und Seel; es drang durch Mark und Bein; und<lb/>
ein mit Eiſen beladener Wagen raſſelt nicht ſo auf<lb/>
der Bergſtraſſe, wie das geraſſelt hat.</p><lb/><p>Ich will euch nicht widerſprechen, Nachbaren!<lb/>
Es ſchauerte mir auch, da ich es hoͤrte. Aber<lb/>
doch laſſe ich mir nicht ausreden, daß ich Jemand<lb/>
wieder den Berg hinauf laufen gehoͤrt habe.</p><lb/><p>Meynſt du, der Teufel koͤnne nicht auch laufen,<lb/>
daß man ihn hoͤre? ſagten die Maͤnner.</p><lb/><p>Der Vogt aber hoͤrte von allem Gerede kein<lb/>
Wort. Und da er daheim war, bat er die Maͤnner,<lb/>
daß ſie doch dieſe Nacht bey ihm blieben; und ſie<lb/>
blieben gar gern im Wirthshauſe.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="catch">§. 76.</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[304/0329]
Kunz aber ſagte: Und mir ahndet, ein Wild-
dieb, oder ein Harzer, habe den Vogt und uns
alle geaͤffet. Als ich ihm nahe kam, hoͤrte das
Geheul auf, und ein Menſch lief den Berg hinauf,
was er konnte. Es hat mich tauſendmal gereuet,
daß ich ihm nicht nachgelaufen bin; und wir waren
Narren, daß wir des Vogts Hund nicht mitgenom-
men haben.
Du biſt ein Narr, Kunz! das war in Ewig-
keit keine Menſchenſtimme. Es gieng durch Leib
und Seel; es drang durch Mark und Bein; und
ein mit Eiſen beladener Wagen raſſelt nicht ſo auf
der Bergſtraſſe, wie das geraſſelt hat.
Ich will euch nicht widerſprechen, Nachbaren!
Es ſchauerte mir auch, da ich es hoͤrte. Aber
doch laſſe ich mir nicht ausreden, daß ich Jemand
wieder den Berg hinauf laufen gehoͤrt habe.
Meynſt du, der Teufel koͤnne nicht auch laufen,
daß man ihn hoͤre? ſagten die Maͤnner.
Der Vogt aber hoͤrte von allem Gerede kein
Wort. Und da er daheim war, bat er die Maͤnner,
daß ſie doch dieſe Nacht bey ihm blieben; und ſie
blieben gar gern im Wirthshauſe.
§. 76.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/329>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.