Vogt. Ach Gott! Herr Pfarrer! hätte ich auch das gewußt, ich würde nicht in dieses Un- glück gefallen seyn.
Pfarrer. Man muß Gott vertrauen; auch wenn man noch nicht sieht, wo seine Vatergüte eigentlich hervor blicken will; und von einem guten Herrn muß man Gutes hoffen, auch wenn man noch nicht siehet, wie und worinn er sein gutes Herz offenbaren will. Das macht, daß man ihm getreu und gewärtig bleibt, und dardurch denn sein Herz in allen Fällen zum Mitleiden und zu aller Vatergüte offen findet.
Vogt. Ach Gott! wie ein unglücklicher Mann ich bin! Hätte ich nur auch die Helfte von diesem gewußt.
Pfarrer. Das Geschehene ist jezt nicht mehr zu ändern; aber was willst du jezt thun, Vogt?
Vogt. Ich weiß es in Gottes Namen nicht; das Bekenntniß bringt mich um's Leben. Was meynt ihr, Herr Pfarrer?
Pfarrer. Ich wiederhole, was ich dir eben gesagt habe. Ich will dir kein Bekenntniß zumu- then; das, was ich sage, ist ein blosser Rath -- aber meine Meynung ist, der gerade Weg habe noch Niemanden übel ausgeschlagen. Arner ist barmher- zig, und du bist schuldig, thu jezt, was du willst; aber ich würde es auf seine Barmherzigkeit ankommen lassen. Ich sehe wohl, daß der Schritt schwer ist;
aber
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Vogt. Ach Gott! Herr Pfarrer! haͤtte ich auch das gewußt, ich wuͤrde nicht in dieſes Un- gluͤck gefallen ſeyn.
Pfarrer. Man muß Gott vertrauen; auch wenn man noch nicht ſieht, wo ſeine Vaterguͤte eigentlich hervor blicken will; und von einem guten Herrn muß man Gutes hoffen, auch wenn man noch nicht ſiehet, wie und worinn er ſein gutes Herz offenbaren will. Das macht, daß man ihm getreu und gewaͤrtig bleibt, und dardurch denn ſein Herz in allen Faͤllen zum Mitleiden und zu aller Vaterguͤte offen findet.
Vogt. Ach Gott! wie ein ungluͤcklicher Mann ich bin! Haͤtte ich nur auch die Helfte von dieſem gewußt.
Pfarrer. Das Geſchehene iſt jezt nicht mehr zu aͤndern; aber was willſt du jezt thun, Vogt?
Vogt. Ich weiß es in Gottes Namen nicht; das Bekenntniß bringt mich um’s Leben. Was meynt ihr, Herr Pfarrer?
Pfarrer. Ich wiederhole, was ich dir eben geſagt habe. Ich will dir kein Bekenntniß zumu- then; das, was ich ſage, iſt ein bloſſer Rath — aber meine Meynung iſt, der gerade Weg habe noch Niemanden uͤbel ausgeſchlagen. Arner iſt barmher- zig, und du biſt ſchuldig, thu jezt, was du willſt; aber ich wuͤrde es auf ſeine Barmherzigkeit ankom̃en laſſen. Ich ſehe wohl, daß der Schritt ſchwer iſt;
aber
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Vogt. Ach Gott! Herr Pfarrer! haͤtte ich
auch das gewußt, ich wuͤrde nicht in dieſes Un-
gluͤck gefallen ſeyn.
Pfarrer. Man muß Gott vertrauen; auch
wenn man noch nicht ſieht, wo ſeine Vaterguͤte
eigentlich hervor blicken will; und von einem guten
Herrn muß man Gutes hoffen, auch wenn man
noch nicht ſiehet, wie und worinn er ſein gutes
Herz offenbaren will. Das macht, daß man ihm
getreu und gewaͤrtig bleibt, und dardurch denn ſein
Herz in allen Faͤllen zum Mitleiden und zu aller
Vaterguͤte offen findet.
Vogt. Ach Gott! wie ein ungluͤcklicher Mann
ich bin! Haͤtte ich nur auch die Helfte von dieſem
gewußt.
Pfarrer. Das Geſchehene iſt jezt nicht mehr
zu aͤndern; aber was willſt du jezt thun, Vogt?
Vogt. Ich weiß es in Gottes Namen nicht;
das Bekenntniß bringt mich um’s Leben. Was
meynt ihr, Herr Pfarrer?
Pfarrer. Ich wiederhole, was ich dir eben
geſagt habe. Ich will dir kein Bekenntniß zumu-
then; das, was ich ſage, iſt ein bloſſer Rath —
aber meine Meynung iſt, der gerade Weg habe noch
Niemanden uͤbel ausgeſchlagen. Arner iſt barmher-
zig, und du biſt ſchuldig, thu jezt, was du willſt;
aber ich wuͤrde es auf ſeine Barmherzigkeit ankom̃en
laſſen. Ich ſehe wohl, daß der Schritt ſchwer iſt;
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/336>, abgerufen am 22.11.2024.
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