aber es ist auch schwer, ihm den Fehler zu ver- schweigen, wenn du wahre Ruhe und Zufrieden- heit für dein Herz suchest.
Der Vogt seufzet, und redet nichts.
Der Pfarrer fährt fort, und sagt wieder: Thue jezt in Gottes Namen, was du willst, Vogt! ich will dir nichts, zumuthen; aber je mehr ich es über- lege, desto mehr dünkt mich, du fahrest am besten, wenn du es auf Arners Barmherzigkeit ankommen lassest; denn ich muß dir doch auch sagen, es kön- ne nicht anders seyn, der Junker werde nachfor- schen, warum du in dieser späthen Nachtzeit auf der Strasse gewesen seyst?
Vogt. Herr Jesus, Herr Pfarrer! was mir in Sinn kommt. Ich habe Pickel und Schaufel und Karst, und was weiß ich noch, beym Mark- stein gelassen, und er ist schon halb umgegraben; das kann alles ausbringen. Es übernimmt mich eine Angst und ein Schrecken von wegen des Pi- ckels und des Karsts, daß es entsetzlich ist, Herr Pfarrer!
Pfarrer. Wenn dich wegen dem armseligen Pickel und Karst, die man ja leicht heut noch vor Tag wegtragen und verbergen kann, eine solche Angst übernimmt, Vogt! so denke doch, wie tau- send solche Umstände und Vorfälle begegnen wer- den und begegnen müssen, wenn du schweigest, die dir deine übrigen Tage noch alle zu Tagen der grö-
sten
aber es iſt auch ſchwer, ihm den Fehler zu ver- ſchweigen, wenn du wahre Ruhe und Zufrieden- heit fuͤr dein Herz ſucheſt.
Der Vogt ſeufzet, und redet nichts.
Der Pfarrer faͤhrt fort, und ſagt wieder: Thue jezt in Gottes Namen, was du willſt, Vogt! ich will dir nichts, zumuthen; aber je mehr ich es uͤber- lege, deſto mehr duͤnkt mich, du fahreſt am beſten, wenn du es auf Arners Barmherzigkeit ankommen laſſeſt; denn ich muß dir doch auch ſagen, es koͤn- ne nicht anders ſeyn, der Junker werde nachfor- ſchen, warum du in dieſer ſpaͤthen Nachtzeit auf der Straſſe geweſen ſeyſt?
Vogt. Herr Jeſus, Herr Pfarrer! was mir in Sinn kommt. Ich habe Pickel und Schaufel und Karſt, und was weiß ich noch, beym Mark- ſtein gelaſſen, und er iſt ſchon halb umgegraben; das kann alles ausbringen. Es uͤbernimmt mich eine Angſt und ein Schrecken von wegen des Pi- ckels und des Karſts, daß es entſetzlich iſt, Herr Pfarrer!
Pfarrer. Wenn dich wegen dem armſeligen Pickel und Karſt, die man ja leicht heut noch vor Tag wegtragen und verbergen kann, eine ſolche Angſt uͤbernimmt, Vogt! ſo denke doch, wie tau- ſend ſolche Umſtaͤnde und Vorfaͤlle begegnen wer- den und begegnen muͤſſen, wenn du ſchweigeſt, die dir deine uͤbrigen Tage noch alle zu Tagen der groͤ-
ſten
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aber es iſt auch ſchwer, ihm den Fehler zu ver-
ſchweigen, wenn du wahre Ruhe und Zufrieden-
heit fuͤr dein Herz ſucheſt.
Der Vogt ſeufzet, und redet nichts.
Der Pfarrer faͤhrt fort, und ſagt wieder: Thue
jezt in Gottes Namen, was du willſt, Vogt! ich
will dir nichts, zumuthen; aber je mehr ich es uͤber-
lege, deſto mehr duͤnkt mich, du fahreſt am beſten,
wenn du es auf Arners Barmherzigkeit ankommen
laſſeſt; denn ich muß dir doch auch ſagen, es koͤn-
ne nicht anders ſeyn, der Junker werde nachfor-
ſchen, warum du in dieſer ſpaͤthen Nachtzeit auf
der Straſſe geweſen ſeyſt?
Vogt. Herr Jeſus, Herr Pfarrer! was mir
in Sinn kommt. Ich habe Pickel und Schaufel
und Karſt, und was weiß ich noch, beym Mark-
ſtein gelaſſen, und er iſt ſchon halb umgegraben;
das kann alles ausbringen. Es uͤbernimmt mich
eine Angſt und ein Schrecken von wegen des Pi-
ckels und des Karſts, daß es entſetzlich iſt, Herr
Pfarrer!
Pfarrer. Wenn dich wegen dem armſeligen
Pickel und Karſt, die man ja leicht heut noch
vor Tag wegtragen und verbergen kann, eine ſolche
Angſt uͤbernimmt, Vogt! ſo denke doch, wie tau-
ſend ſolche Umſtaͤnde und Vorfaͤlle begegnen wer-
den und begegnen muͤſſen, wenn du ſchweigeſt, die
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/337>, abgerufen am 22.11.2024.
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