"Lohn's ihr Gott in Ewigkeit! -- Sie hat mir Gutes gethan, und ich hab ihr Bö- ses erwiesen. --
Nach einer Weile sagte er wieder: "Gott hat ihre Bitte erhört, und mich in Umstän- de gesezt, wo ich noch zur Erkenntniß meiner selbst kommen kann, wenn ich nicht der ver- worfneste unter allen Menschen seyn will."
Eine Weile war wieder alles still; der Vogt unterbrach das Stillschweigen wieder, und sagte: "Rudi, ich muß dich doch fra- gen, weist du sicher, welchen Tag es gewe- sen, da sie das meinetwegen zu dir gesagt?
Rudi. Es war an ihrem Todestage.
Vogt. An ihrem Todestage?
Rudi. Ja.
Vogt. Und bey was Anlaaß kam ihr an ihrem Todestag der Sinn an mich?
Rudi. Du kamst eben mir die Arbeit am Kirchhof anzusagen vor unser Haus. --
Vogt. (mit sichtbarer Bewegung und heftig) Wars da?
Rudi. Ja: Aber warum fragst du so heftig?
Vogt. Wenns da war, so ist sie vor Schreken über mich gestorben.
Rudi. Das ist nicht.
Vogt. Sag izt, was du willst -- Es ist mir, wie wenns den Augenblik geschehen,
Dein
„Lohn's ihr Gott in Ewigkeit! — Sie hat mir Gutes gethan, und ich hab ihr Boͤ- ſes erwieſen. —
Nach einer Weile ſagte er wieder: „Gott hat ihre Bitte erhoͤrt, und mich in Umſtaͤn- de geſezt, wo ich noch zur Erkenntniß meiner ſelbſt kommen kann, wenn ich nicht der ver- worfneſte unter allen Menſchen ſeyn will.“
Eine Weile war wieder alles ſtill; der Vogt unterbrach das Stillſchweigen wieder, und ſagte: „Rudi, ich muß dich doch fra- gen, weiſt du ſicher, welchen Tag es gewe- ſen, da ſie das meinetwegen zu dir geſagt?
Rudi. Es war an ihrem Todestage.
Vogt. An ihrem Todestage?
Rudi. Ja.
Vogt. Und bey was Anlaaß kam ihr an ihrem Todestag der Sinn an mich?
Rudi. Du kamſt eben mir die Arbeit am Kirchhof anzuſagen vor unſer Haus. —
Vogt. (mit ſichtbarer Bewegung und heftig) Wars da?
Rudi. Ja: Aber warum fragſt du ſo heftig?
Vogt. Wenns da war, ſo iſt ſie vor Schreken uͤber mich geſtorben.
Rudi. Das iſt nicht.
Vogt. Sag izt, was du willſt — Es iſt mir, wie wenns den Augenblik geſchehen,
Dein
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„Lohn's ihr Gott in Ewigkeit! — Sie
hat mir Gutes gethan, und ich hab ihr Boͤ-
ſes erwieſen. —
Nach einer Weile ſagte er wieder: „Gott
hat ihre Bitte erhoͤrt, und mich in Umſtaͤn-
de geſezt, wo ich noch zur Erkenntniß meiner
ſelbſt kommen kann, wenn ich nicht der ver-
worfneſte unter allen Menſchen ſeyn will.“
Eine Weile war wieder alles ſtill; der
Vogt unterbrach das Stillſchweigen wieder,
und ſagte: „Rudi, ich muß dich doch fra-
gen, weiſt du ſicher, welchen Tag es gewe-
ſen, da ſie das meinetwegen zu dir geſagt?
Rudi. Es war an ihrem Todestage.
Vogt. An ihrem Todestage?
Rudi. Ja.
Vogt. Und bey was Anlaaß kam ihr an
ihrem Todestag der Sinn an mich?
Rudi. Du kamſt eben mir die Arbeit am
Kirchhof anzuſagen vor unſer Haus. —
Vogt. (mit ſichtbarer Bewegung und
heftig) Wars da?
Rudi. Ja: Aber warum fragſt du ſo
heftig?
Vogt. Wenns da war, ſo iſt ſie vor
Schreken uͤber mich geſtorben.
Rudi. Das iſt nicht.
Vogt. Sag izt, was du willſt — Es
iſt mir, wie wenns den Augenblik geſchehen,
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/116>, abgerufen am 16.02.2025.
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