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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Vogt. So will ich dirs izt sagen.

Rudi. Es ist ja nicht nöthig.

Vogt. Wohl, Rudi, ich will dirs sa-
gen, ich muß dirs sagen, du must wissen,
was ich für ein Unmensch bin, und was ich
in dem Augenblik, da sie mir verzigen und
für mich gebethen, ihr böses und abscheuli-
ches gethan.

Rudi. Schweig doch, es mag seyn, was
es will, und mach mir und dir das Herz
nicht noch groß. --

Vogt. Jch kann nicht schweigen, und
will nicht schweigen, du must es wissen. Jch
rief dir in dem Augenblik nach: Es ist nicht
schade, wenn die alte Hexe einmal todt ist.

Rudi. Hast du dieß auch sagen können?

Vogt. Jch hab es gesagt.

Dem Rudi entfiel izt eine Thräne, und
er konnte einen Augenblik nicht reden.

Der Vogt aber sagte dann wieder: Jch
verdiene nicht, daß Jemand mehr Mitlei-
den mit mir habe, und es geschieht mir nur
Recht, wenn im ganzen Dorf mir Niemand
mehr ein Stük Brod giebt, und mir Nie-
mand mehr eins wünscht.

Der Pfarrer nahm izt das Wort, und
sagte: "Vogt! der im Himmel wohnt, ist
größer, als wir denken: Er handelt nicht
mit uns nach unsern Sünden, und vergiltet

uns
G 3

Vogt. So will ich dirs izt ſagen.

Rudi. Es iſt ja nicht noͤthig.

Vogt. Wohl, Rudi, ich will dirs ſa-
gen, ich muß dirs ſagen, du muſt wiſſen,
was ich fuͤr ein Unmenſch bin, und was ich
in dem Augenblik, da ſie mir verzigen und
fuͤr mich gebethen, ihr boͤſes und abſcheuli-
ches gethan.

Rudi. Schweig doch, es mag ſeyn, was
es will, und mach mir und dir das Herz
nicht noch groß. —

Vogt. Jch kann nicht ſchweigen, und
will nicht ſchweigen, du muſt es wiſſen. Jch
rief dir in dem Augenblik nach: Es iſt nicht
ſchade, wenn die alte Hexe einmal todt iſt.

Rudi. Haſt du dieß auch ſagen koͤnnen?

Vogt. Jch hab es geſagt.

Dem Rudi entfiel izt eine Thraͤne, und
er konnte einen Augenblik nicht reden.

Der Vogt aber ſagte dann wieder: Jch
verdiene nicht, daß Jemand mehr Mitlei-
den mit mir habe, und es geſchieht mir nur
Recht, wenn im ganzen Dorf mir Niemand
mehr ein Stuͤk Brod giebt, und mir Nie-
mand mehr eins wuͤnſcht.

Der Pfarrer nahm izt das Wort, und
ſagte: „Vogt! der im Himmel wohnt, iſt
groͤßer, als wir denken: Er handelt nicht
mit uns nach unſern Suͤnden, und vergiltet

uns
G 3
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[101/0119] Vogt. So will ich dirs izt ſagen. Rudi. Es iſt ja nicht noͤthig. Vogt. Wohl, Rudi, ich will dirs ſa- gen, ich muß dirs ſagen, du muſt wiſſen, was ich fuͤr ein Unmenſch bin, und was ich in dem Augenblik, da ſie mir verzigen und fuͤr mich gebethen, ihr boͤſes und abſcheuli- ches gethan. Rudi. Schweig doch, es mag ſeyn, was es will, und mach mir und dir das Herz nicht noch groß. — Vogt. Jch kann nicht ſchweigen, und will nicht ſchweigen, du muſt es wiſſen. Jch rief dir in dem Augenblik nach: Es iſt nicht ſchade, wenn die alte Hexe einmal todt iſt. Rudi. Haſt du dieß auch ſagen koͤnnen? Vogt. Jch hab es geſagt. Dem Rudi entfiel izt eine Thraͤne, und er konnte einen Augenblik nicht reden. Der Vogt aber ſagte dann wieder: Jch verdiene nicht, daß Jemand mehr Mitlei- den mit mir habe, und es geſchieht mir nur Recht, wenn im ganzen Dorf mir Niemand mehr ein Stuͤk Brod giebt, und mir Nie- mand mehr eins wuͤnſcht. Der Pfarrer nahm izt das Wort, und ſagte: „Vogt! der im Himmel wohnt, iſt groͤßer, als wir denken: Er handelt nicht mit uns nach unſern Suͤnden, und vergiltet uns G 3

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/119>, abgerufen am 21.11.2024.