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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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freudig Sonn, Mond und Sternen an, weil
alles am Tag, und Jedermann sein Recht
wiederfahren. Er schlug hundertmal seine
Händ zusammen, und sagte: Weiß Gott,
es geht deinem Mann nicht übel, und es ist
auch für ihn besser, daß alles ausgekommen,
und er wird wills Gott izt auch anderst,
und ohne das wär ers nie worden. -- Und
dann hat mir der Hübel-Rudi und Gertrud
auch viel Liebs erwiesen; sie ist vier oder
fünfmal bey mir gewesen, aber izt ist sie un-
willig, daß ich den Treufaug brauche, und
hat mir unter das Angesicht gesagt, sie wisse
sicher, daß er mit seinen Henkerstropfen
schon viel Leut vergiftet.

Vogt. Es ist mir mit den Tröpfen auch
nicht durch und durch wohl; Jch hab schon
so viel allerley davon erzählen hören, daß
du, wenn ich da gewesen wäre, sie mir ge-
wiß auch nicht hättest nehmen müssen.

Vögtin. Es wird wills Gott nicht so
böse seyn.

Vogt. Hast du noch viel davon?

Vögtin. Nein, ich bin völlig fertig.

Vogt. Es macht mir Angst.

Vögtin. Mach mir izt den Kopf nicht
so groß; es ist izt, was es ist.

Vogt. Du hast Recht; ich will dir izt
etwas erzählen, das dich freut, und das ich

dir

freudig Sonn, Mond und Sternen an, weil
alles am Tag, und Jedermann ſein Recht
wiederfahren. Er ſchlug hundertmal ſeine
Haͤnd zuſammen, und ſagte: Weiß Gott,
es geht deinem Mann nicht uͤbel, und es iſt
auch fuͤr ihn beſſer, daß alles ausgekommen,
und er wird wills Gott izt auch anderſt,
und ohne das waͤr ers nie worden. — Und
dann hat mir der Huͤbel-Rudi und Gertrud
auch viel Liebs erwieſen; ſie iſt vier oder
fuͤnfmal bey mir geweſen, aber izt iſt ſie un-
willig, daß ich den Treufaug brauche, und
hat mir unter das Angeſicht geſagt, ſie wiſſe
ſicher, daß er mit ſeinen Henkerstropfen
ſchon viel Leut vergiftet.

Vogt. Es iſt mir mit den Troͤpfen auch
nicht durch und durch wohl; Jch hab ſchon
ſo viel allerley davon erzaͤhlen hoͤren, daß
du, wenn ich da geweſen waͤre, ſie mir ge-
wiß auch nicht haͤtteſt nehmen muͤſſen.

Voͤgtin. Es wird wills Gott nicht ſo
boͤſe ſeyn.

Vogt. Haſt du noch viel davon?

Voͤgtin. Nein, ich bin voͤllig fertig.

Vogt. Es macht mir Angſt.

Voͤgtin. Mach mir izt den Kopf nicht
ſo groß; es iſt izt, was es iſt.

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etwas erzaͤhlen, das dich freut, und das ich

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[109/0127] freudig Sonn, Mond und Sternen an, weil alles am Tag, und Jedermann ſein Recht wiederfahren. Er ſchlug hundertmal ſeine Haͤnd zuſammen, und ſagte: Weiß Gott, es geht deinem Mann nicht uͤbel, und es iſt auch fuͤr ihn beſſer, daß alles ausgekommen, und er wird wills Gott izt auch anderſt, und ohne das waͤr ers nie worden. — Und dann hat mir der Huͤbel-Rudi und Gertrud auch viel Liebs erwieſen; ſie iſt vier oder fuͤnfmal bey mir geweſen, aber izt iſt ſie un- willig, daß ich den Treufaug brauche, und hat mir unter das Angeſicht geſagt, ſie wiſſe ſicher, daß er mit ſeinen Henkerstropfen ſchon viel Leut vergiftet. Vogt. Es iſt mir mit den Troͤpfen auch nicht durch und durch wohl; Jch hab ſchon ſo viel allerley davon erzaͤhlen hoͤren, daß du, wenn ich da geweſen waͤre, ſie mir ge- wiß auch nicht haͤtteſt nehmen muͤſſen. Voͤgtin. Es wird wills Gott nicht ſo boͤſe ſeyn. Vogt. Haſt du noch viel davon? Voͤgtin. Nein, ich bin voͤllig fertig. Vogt. Es macht mir Angſt. Voͤgtin. Mach mir izt den Kopf nicht ſo groß; es iſt izt, was es iſt. Vogt. Du haſt Recht; ich will dir izt etwas erzaͤhlen, das dich freut, und das ich dir

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/127>, abgerufen am 21.11.2024.