Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

suchte, sonder für Unglük weissagend erklär-
te, und der Siegerist ließ in der zweyten
Nacht den Hund der Vögtin wieder zum
Haus führen, und sagte zum Wächter, der
ihn brachte: "Wenn das Geheul ein Unglük
bedeutet, so ists immer besser, der Hund heu-
le, wo er zu Haus ist, und es treffe, wer
es verdient, als die Kirche und das Pfarr-
haus, welche wir alle mit einander wieder
bauen müßten." -- Die Vögtin mußte den
Hund von nun an Tag und Nacht anbinden,
und diese hatte so böse Zeit, daß er sich fast
gar nicht mehr aus dem Hundsstall heraus
ließ, denn Junges und Altes, was alles sei-
nem Meister häßig war, schänzelte izt den
Hund, und warff ihm Steine an; Und er
war nunmehr acht Tag lang so an der Ket-
ten: da aber izt der Vogt heimkam, ward
er wie wild, schleppte den ganzen Hundsstall
mit seinen Ketten von der Scheune zur Haus-
thür, und da man ihm das Haus aufthat,
und ihn abließ, sprang er mit beyden Füßen
dem Vogt auf die Achsel, und war fast gar
nicht wieder von ihm abzubringen; -- da er
endlich folgen mußte, legte er sich nieder,
hielt den rechten Dazzen dem Vogt auf den
Schoos, und entzog ihm kein Aug.

Es freute den Vogt auch, daß sein Türk
sich so anhänglich zeigte; Er streichelte ihn,

und
H 3

ſuchte, ſonder fuͤr Ungluͤk weiſſagend erklaͤr-
te, und der Siegeriſt ließ in der zweyten
Nacht den Hund der Voͤgtin wieder zum
Haus fuͤhren, und ſagte zum Waͤchter, der
ihn brachte: „Wenn das Geheul ein Ungluͤk
bedeutet, ſo iſts immer beſſer, der Hund heu-
le, wo er zu Haus iſt, und es treffe, wer
es verdient, als die Kirche und das Pfarr-
haus, welche wir alle mit einander wieder
bauen muͤßten.“ — Die Voͤgtin mußte den
Hund von nun an Tag und Nacht anbinden,
und dieſe hatte ſo boͤſe Zeit, daß er ſich faſt
gar nicht mehr aus dem Hundsſtall heraus
ließ, denn Junges und Altes, was alles ſei-
nem Meiſter haͤßig war, ſchaͤnzelte izt den
Hund, und warff ihm Steine an; Und er
war nunmehr acht Tag lang ſo an der Ket-
ten: da aber izt der Vogt heimkam, ward
er wie wild, ſchleppte den ganzen Hundsſtall
mit ſeinen Ketten von der Scheune zur Haus-
thuͤr, und da man ihm das Haus aufthat,
und ihn abließ, ſprang er mit beyden Fuͤßen
dem Vogt auf die Achſel, und war faſt gar
nicht wieder von ihm abzubringen; — da er
endlich folgen mußte, legte er ſich nieder,
hielt den rechten Dazzen dem Vogt auf den
Schoos, und entzog ihm kein Aug.

Es freute den Vogt auch, daß ſein Tuͤrk
ſich ſo anhaͤnglich zeigte; Er ſtreichelte ihn,

und
H 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="117"/>
&#x017F;uchte, &#x017F;onder fu&#x0364;r Unglu&#x0364;k wei&#x017F;&#x017F;agend erkla&#x0364;r-<lb/>
te, und der Siegeri&#x017F;t ließ in der zweyten<lb/>
Nacht den Hund der Vo&#x0364;gtin wieder zum<lb/>
Haus fu&#x0364;hren, und &#x017F;agte zum Wa&#x0364;chter, der<lb/>
ihn brachte: &#x201E;Wenn das Geheul ein Unglu&#x0364;k<lb/>
bedeutet, &#x017F;o i&#x017F;ts immer be&#x017F;&#x017F;er, der Hund heu-<lb/>
le, wo er zu Haus i&#x017F;t, und es treffe, wer<lb/>
es verdient, als die Kirche und das Pfarr-<lb/>
haus, welche wir alle mit einander wieder<lb/>
bauen mu&#x0364;ßten.&#x201C; &#x2014; Die Vo&#x0364;gtin mußte den<lb/>
Hund von nun an Tag und Nacht anbinden,<lb/>
und die&#x017F;e hatte &#x017F;o bo&#x0364;&#x017F;e Zeit, daß er &#x017F;ich fa&#x017F;t<lb/>
gar nicht mehr aus dem Hunds&#x017F;tall heraus<lb/>
ließ, denn Junges und Altes, was alles &#x017F;ei-<lb/>
nem Mei&#x017F;ter ha&#x0364;ßig war, &#x017F;cha&#x0364;nzelte izt den<lb/>
Hund, und warff ihm Steine an; Und er<lb/>
war nunmehr acht Tag lang &#x017F;o an der Ket-<lb/>
ten: da aber izt der Vogt heimkam, ward<lb/>
er wie wild, &#x017F;chleppte den ganzen Hunds&#x017F;tall<lb/>
mit &#x017F;einen Ketten von der Scheune zur Haus-<lb/>
thu&#x0364;r, und da man ihm das Haus aufthat,<lb/>
und ihn abließ, &#x017F;prang er mit beyden Fu&#x0364;ßen<lb/>
dem Vogt auf die Ach&#x017F;el, und war fa&#x017F;t gar<lb/>
nicht wieder von ihm abzubringen; &#x2014; da er<lb/>
endlich folgen mußte, legte er &#x017F;ich nieder,<lb/>
hielt den rechten Dazzen dem Vogt auf den<lb/>
Schoos, und entzog ihm kein Aug.</p><lb/>
          <p>Es freute den Vogt auch, daß &#x017F;ein Tu&#x0364;rk<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o anha&#x0364;nglich zeigte; Er &#x017F;treichelte ihn,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 3</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0135] ſuchte, ſonder fuͤr Ungluͤk weiſſagend erklaͤr- te, und der Siegeriſt ließ in der zweyten Nacht den Hund der Voͤgtin wieder zum Haus fuͤhren, und ſagte zum Waͤchter, der ihn brachte: „Wenn das Geheul ein Ungluͤk bedeutet, ſo iſts immer beſſer, der Hund heu- le, wo er zu Haus iſt, und es treffe, wer es verdient, als die Kirche und das Pfarr- haus, welche wir alle mit einander wieder bauen muͤßten.“ — Die Voͤgtin mußte den Hund von nun an Tag und Nacht anbinden, und dieſe hatte ſo boͤſe Zeit, daß er ſich faſt gar nicht mehr aus dem Hundsſtall heraus ließ, denn Junges und Altes, was alles ſei- nem Meiſter haͤßig war, ſchaͤnzelte izt den Hund, und warff ihm Steine an; Und er war nunmehr acht Tag lang ſo an der Ket- ten: da aber izt der Vogt heimkam, ward er wie wild, ſchleppte den ganzen Hundsſtall mit ſeinen Ketten von der Scheune zur Haus- thuͤr, und da man ihm das Haus aufthat, und ihn abließ, ſprang er mit beyden Fuͤßen dem Vogt auf die Achſel, und war faſt gar nicht wieder von ihm abzubringen; — da er endlich folgen mußte, legte er ſich nieder, hielt den rechten Dazzen dem Vogt auf den Schoos, und entzog ihm kein Aug. Es freute den Vogt auch, daß ſein Tuͤrk ſich ſo anhaͤnglich zeigte; Er ſtreichelte ihn, und H 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/135
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/135>, abgerufen am 24.11.2024.