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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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worden, ein Fürbitt-Schreiben an den Jun-
ker, und sagte darinn: Wenn er nur eine
halbe Stunde selber mit dem Michel reden
werde, so sey seine Fürbitt gewiß überflü-
ßig. --

Jn eben diesem Brief meldete er dem Jun-
ker, daß er den Vogt diese Nacht heimgelas-
sen, und warum.

Der Junker ließ den Michel warten, bis
er Zeit fand, sich mit ihm einzulassen. Es
gieng fast zwey Stund; der Michel machte
allerley Kalender während der Zeit, und war
eben im Stall, und pfiff den Pferden vor,
als der Junker unter die Linde kam, und
ihm rufte.

Arner sah den Michel mit Ernst vom
Kopf bis zun Füßen an; der Michel stand
aber auch da mit der Miene eines Mannes,
der in seinem Jnnern Ruhe hat und Stär-
ke: Er zeigte, daß er hoffe, Verziehung zu
erhalten, und auch daß er fühle, dieser Ver-
ziehung werth zu seyn.

Arner befahl ihm, umständlich alles zu er-
zählen, worinn er verwikelt sey.

Der Michel that es im Augenblik, ohne
sich zu bedenken, und erzählte, wie er unter
seinem Großvater für den Vogt und die an-
dern Bauren aus der Schloß-Scheuer gan-
ze Säk voll Korn ab den Garben getreten,

und

worden, ein Fuͤrbitt-Schreiben an den Jun-
ker, und ſagte darinn: Wenn er nur eine
halbe Stunde ſelber mit dem Michel reden
werde, ſo ſey ſeine Fuͤrbitt gewiß uͤberfluͤ-
ßig. —

Jn eben dieſem Brief meldete er dem Jun-
ker, daß er den Vogt dieſe Nacht heimgelaſ-
ſen, und warum.

Der Junker ließ den Michel warten, bis
er Zeit fand, ſich mit ihm einzulaſſen. Es
gieng faſt zwey Stund; der Michel machte
allerley Kalender waͤhrend der Zeit, und war
eben im Stall, und pfiff den Pferden vor,
als der Junker unter die Linde kam, und
ihm rufte.

Arner ſah den Michel mit Ernſt vom
Kopf bis zun Fuͤßen an; der Michel ſtand
aber auch da mit der Miene eines Mannes,
der in ſeinem Jnnern Ruhe hat und Staͤr-
ke: Er zeigte, daß er hoffe, Verziehung zu
erhalten, und auch daß er fuͤhle, dieſer Ver-
ziehung werth zu ſeyn.

Arner befahl ihm, umſtaͤndlich alles zu er-
zaͤhlen, worinn er verwikelt ſey.

Der Michel that es im Augenblik, ohne
ſich zu bedenken, und erzaͤhlte, wie er unter
ſeinem Großvater fuͤr den Vogt und die an-
dern Bauren aus der Schloß-Scheuer gan-
ze Saͤk voll Korn ab den Garben getreten,

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[122/0140] worden, ein Fuͤrbitt-Schreiben an den Jun- ker, und ſagte darinn: Wenn er nur eine halbe Stunde ſelber mit dem Michel reden werde, ſo ſey ſeine Fuͤrbitt gewiß uͤberfluͤ- ßig. — Jn eben dieſem Brief meldete er dem Jun- ker, daß er den Vogt dieſe Nacht heimgelaſ- ſen, und warum. Der Junker ließ den Michel warten, bis er Zeit fand, ſich mit ihm einzulaſſen. Es gieng faſt zwey Stund; der Michel machte allerley Kalender waͤhrend der Zeit, und war eben im Stall, und pfiff den Pferden vor, als der Junker unter die Linde kam, und ihm rufte. Arner ſah den Michel mit Ernſt vom Kopf bis zun Fuͤßen an; der Michel ſtand aber auch da mit der Miene eines Mannes, der in ſeinem Jnnern Ruhe hat und Staͤr- ke: Er zeigte, daß er hoffe, Verziehung zu erhalten, und auch daß er fuͤhle, dieſer Ver- ziehung werth zu ſeyn. Arner befahl ihm, umſtaͤndlich alles zu er- zaͤhlen, worinn er verwikelt ſey. Der Michel that es im Augenblik, ohne ſich zu bedenken, und erzaͤhlte, wie er unter ſeinem Großvater fuͤr den Vogt und die an- dern Bauren aus der Schloß-Scheuer gan- ze Saͤk voll Korn ab den Garben getreten, und

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/140>, abgerufen am 21.11.2024.