Eine Weile antwortete Niemand: -- dann stuhnd Kienholz auf, und sagte: "Gnädiger Herr! wollten Sie uns eine Viertelstunde Bedenkzeit erlauben?"
"Man führe den Kienholz ins Gefängniß" -- war die Antwort des Junkers -- und es geschahe alsobald.
Die Uebrigen standen izt da, und wußten weder was sie sagen, noch was sie thun wollten.
Aber es ward auf einmal in allen Bänken lautes Gered -- Freund' und Verwandte rieffen ihnen zu: "Um Gottes willen, ihr sehet ja, daß er alles weiß, warum bekennt ihr doch nicht?" -- Doch sie standen noch da wie verstummt.
Aber der alte Renold, der wider einer von den hintersten stuhnd, drängte sich izt hervor, warff sich Arnern zu Füßen, und sagte: "Gnädiger Herr! ich bin ein alter eisgrauer Mann, und Gott weiß, daß ich keinen Gefallen hatte an dem Uebel, und an der Bosheit, die unter uns geherrschet; aber was sie klagen, ist wahr." --
Der Junker antwortete ihm: "Alter Mann, du daurst mich, mit deinen eisgrauen Haaren; ich weiß, daß du unter Allen am wenigsten schuldig: und es ist mir leid, daß du mit Leuten verwikelt, die so viel verbro-"
chen,
Eine Weile antwortete Niemand: — dann ſtuhnd Kienholz auf, und ſagte: „Gnaͤdiger Herr! wollten Sie uns eine Viertelſtunde Bedenkzeit erlauben?“
„Man fuͤhre den Kienholz ins Gefaͤngniß“ — war die Antwort des Junkers — und es geſchahe alſobald.
Die Uebrigen ſtanden izt da, und wußten weder was ſie ſagen, noch was ſie thun wollten.
Aber es ward auf einmal in allen Baͤnken lautes Gered — Freund' und Verwandte rieffen ihnen zu: „Um Gottes willen, ihr ſehet ja, daß er alles weiß, warum bekennt ihr doch nicht?“ — Doch ſie ſtanden noch da wie verſtummt.
Aber der alte Renold, der wider einer von den hinterſten ſtuhnd, draͤngte ſich izt hervor, warff ſich Arnern zu Fuͤßen, und ſagte: „Gnaͤdiger Herr! ich bin ein alter eisgrauer Mann, und Gott weiß, daß ich keinen Gefallen hatte an dem Uebel, und an der Bosheit, die unter uns geherrſchet; aber was ſie klagen, iſt wahr.“ —
Der Junker antwortete ihm: „Alter Mann, du daurſt mich, mit deinen eisgrauen Haaren; ich weiß, daß du unter Allen am wenigſten ſchuldig: und es iſt mir leid, daß du mit Leuten verwikelt, die ſo viel verbro-“
chen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0182"n="164"/><p>Eine Weile antwortete Niemand: — dann<lb/>ſtuhnd Kienholz auf, und ſagte: „Gnaͤdiger<lb/>
Herr! wollten Sie uns eine Viertelſtunde<lb/>
Bedenkzeit erlauben?“</p><lb/><p>„Man fuͤhre den Kienholz ins Gefaͤngniß“<lb/>— war die Antwort des Junkers — und<lb/>
es geſchahe alſobald.</p><lb/><p>Die Uebrigen ſtanden izt da, und wußten<lb/>
weder was ſie ſagen, noch was ſie thun<lb/>
wollten.</p><lb/><p>Aber es ward auf einmal in allen Baͤnken<lb/>
lautes Gered — Freund' und Verwandte<lb/>
rieffen ihnen zu: „Um Gottes willen, ihr<lb/>ſehet ja, daß er alles weiß, warum bekennt<lb/>
ihr doch nicht?“— Doch ſie ſtanden noch<lb/>
da wie verſtummt.</p><lb/><p>Aber der alte Renold, der wider einer<lb/>
von den hinterſten ſtuhnd, draͤngte ſich izt<lb/>
hervor, warff ſich Arnern zu Fuͤßen, und<lb/>ſagte: „Gnaͤdiger Herr! ich bin ein alter<lb/>
eisgrauer Mann, und Gott weiß, daß ich<lb/>
keinen Gefallen hatte an dem Uebel, und an<lb/>
der Bosheit, die unter uns geherrſchet; aber<lb/>
was ſie klagen, iſt wahr.“—</p><lb/><p>Der Junker antwortete ihm: „Alter<lb/>
Mann, du daurſt mich, mit deinen eisgrauen<lb/>
Haaren; ich weiß, daß du unter Allen am<lb/>
wenigſten ſchuldig: und es iſt mir leid, daß<lb/>
du mit Leuten verwikelt, die ſo viel verbro-“<lb/><fwplace="bottom"type="catch">chen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[164/0182]
Eine Weile antwortete Niemand: — dann
ſtuhnd Kienholz auf, und ſagte: „Gnaͤdiger
Herr! wollten Sie uns eine Viertelſtunde
Bedenkzeit erlauben?“
„Man fuͤhre den Kienholz ins Gefaͤngniß“
— war die Antwort des Junkers — und
es geſchahe alſobald.
Die Uebrigen ſtanden izt da, und wußten
weder was ſie ſagen, noch was ſie thun
wollten.
Aber es ward auf einmal in allen Baͤnken
lautes Gered — Freund' und Verwandte
rieffen ihnen zu: „Um Gottes willen, ihr
ſehet ja, daß er alles weiß, warum bekennt
ihr doch nicht?“ — Doch ſie ſtanden noch
da wie verſtummt.
Aber der alte Renold, der wider einer
von den hinterſten ſtuhnd, draͤngte ſich izt
hervor, warff ſich Arnern zu Fuͤßen, und
ſagte: „Gnaͤdiger Herr! ich bin ein alter
eisgrauer Mann, und Gott weiß, daß ich
keinen Gefallen hatte an dem Uebel, und an
der Bosheit, die unter uns geherrſchet; aber
was ſie klagen, iſt wahr.“ —
Der Junker antwortete ihm: „Alter
Mann, du daurſt mich, mit deinen eisgrauen
Haaren; ich weiß, daß du unter Allen am
wenigſten ſchuldig: und es iſt mir leid, daß
du mit Leuten verwikelt, die ſo viel verbro-“
chen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/182>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.