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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Eine Weile antwortete Niemand: -- dann
stuhnd Kienholz auf, und sagte: "Gnädiger
Herr! wollten Sie uns eine Viertelstunde
Bedenkzeit erlauben?"

"Man führe den Kienholz ins Gefängniß"
-- war die Antwort des Junkers -- und
es geschahe alsobald.

Die Uebrigen standen izt da, und wußten
weder was sie sagen, noch was sie thun
wollten.

Aber es ward auf einmal in allen Bänken
lautes Gered -- Freund' und Verwandte
rieffen ihnen zu: "Um Gottes willen, ihr
sehet ja, daß er alles weiß, warum bekennt
ihr doch nicht?" -- Doch sie standen noch
da wie verstummt.

Aber der alte Renold, der wider einer
von den hintersten stuhnd, drängte sich izt
hervor, warff sich Arnern zu Füßen, und
sagte: "Gnädiger Herr! ich bin ein alter
eisgrauer Mann, und Gott weiß, daß ich
keinen Gefallen hatte an dem Uebel, und an
der Bosheit, die unter uns geherrschet; aber
was sie klagen, ist wahr." --

Der Junker antwortete ihm: "Alter
Mann, du daurst mich, mit deinen eisgrauen
Haaren; ich weiß, daß du unter Allen am
wenigsten schuldig: und es ist mir leid, daß
du mit Leuten verwikelt, die so viel verbro-"

chen,

Eine Weile antwortete Niemand: — dann
ſtuhnd Kienholz auf, und ſagte: „Gnaͤdiger
Herr! wollten Sie uns eine Viertelſtunde
Bedenkzeit erlauben?“

„Man fuͤhre den Kienholz ins Gefaͤngniß“
— war die Antwort des Junkers — und
es geſchahe alſobald.

Die Uebrigen ſtanden izt da, und wußten
weder was ſie ſagen, noch was ſie thun
wollten.

Aber es ward auf einmal in allen Baͤnken
lautes Gered — Freund' und Verwandte
rieffen ihnen zu: „Um Gottes willen, ihr
ſehet ja, daß er alles weiß, warum bekennt
ihr doch nicht?“ — Doch ſie ſtanden noch
da wie verſtummt.

Aber der alte Renold, der wider einer
von den hinterſten ſtuhnd, draͤngte ſich izt
hervor, warff ſich Arnern zu Fuͤßen, und
ſagte: „Gnaͤdiger Herr! ich bin ein alter
eisgrauer Mann, und Gott weiß, daß ich
keinen Gefallen hatte an dem Uebel, und an
der Bosheit, die unter uns geherrſchet; aber
was ſie klagen, iſt wahr.“ —

Der Junker antwortete ihm: „Alter
Mann, du daurſt mich, mit deinen eisgrauen
Haaren; ich weiß, daß du unter Allen am
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du mit Leuten verwikelt, die ſo viel verbro-“

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[164/0182] Eine Weile antwortete Niemand: — dann ſtuhnd Kienholz auf, und ſagte: „Gnaͤdiger Herr! wollten Sie uns eine Viertelſtunde Bedenkzeit erlauben?“ „Man fuͤhre den Kienholz ins Gefaͤngniß“ — war die Antwort des Junkers — und es geſchahe alſobald. Die Uebrigen ſtanden izt da, und wußten weder was ſie ſagen, noch was ſie thun wollten. Aber es ward auf einmal in allen Baͤnken lautes Gered — Freund' und Verwandte rieffen ihnen zu: „Um Gottes willen, ihr ſehet ja, daß er alles weiß, warum bekennt ihr doch nicht?“ — Doch ſie ſtanden noch da wie verſtummt. Aber der alte Renold, der wider einer von den hinterſten ſtuhnd, draͤngte ſich izt hervor, warff ſich Arnern zu Fuͤßen, und ſagte: „Gnaͤdiger Herr! ich bin ein alter eisgrauer Mann, und Gott weiß, daß ich keinen Gefallen hatte an dem Uebel, und an der Bosheit, die unter uns geherrſchet; aber was ſie klagen, iſt wahr.“ — Der Junker antwortete ihm: „Alter Mann, du daurſt mich, mit deinen eisgrauen Haaren; ich weiß, daß du unter Allen am wenigſten ſchuldig: und es iſt mir leid, daß du mit Leuten verwikelt, die ſo viel verbro-“ chen,

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/182>, abgerufen am 21.11.2024.