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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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ihnen aber gar übel bekommen. Zum Spaß,
oder zum Unglük waren sie beyde, als der
Vogt und die Männer ins Dorf kamen, bey
Haus -- der einte wegen der Schul, und
der andre wegen des Läutens: sie wohnten
unter einem Dach, und waren Brüder.

Der Siegerist hatte noch alles Heu, so
er auf dem Kirchhof macht; er hatte kein
Vieh, und verkaufte das Heu alle Jahre
um baares Geld.

Aber er erschrak gar gewaltig, als die
Männer ins Dorf kamen; denn er hatte
ausgeredt, er habe nur ein Klafter Futter,
und es war mehr als zwey. Geschwind
dekte er izt einen Eken vom Heu mit so viel
Strohwellen, als er nur hatte -- und als
die Männer in sein Tenn kamen, sagte er,
die Kappe unter dem Arm haltend, und die
Hände reibend: Jhr wisset wohl, ihr Her-
ren, ich mache keinen Halm Futter als ab
dem Kirchhöfli, das macht etwa ein Klafter,
wie ich es angegeben. --

"Du verkauffest doch sonst alle Jahre zwey
Klafter," sagte der Hünerträger.

"Es ist einmal izt gewiß nicht zwey" --
antwortete der Siegerist.

"Wir müssen es messen" -- sagte der
Waibel.

Der

ihnen aber gar uͤbel bekommen. Zum Spaß,
oder zum Ungluͤk waren ſie beyde, als der
Vogt und die Maͤnner ins Dorf kamen, bey
Haus — der einte wegen der Schul, und
der andre wegen des Laͤutens: ſie wohnten
unter einem Dach, und waren Bruͤder.

Der Siegeriſt hatte noch alles Heu, ſo
er auf dem Kirchhof macht; er hatte kein
Vieh, und verkaufte das Heu alle Jahre
um baares Geld.

Aber er erſchrak gar gewaltig, als die
Maͤnner ins Dorf kamen; denn er hatte
ausgeredt, er habe nur ein Klafter Futter,
und es war mehr als zwey. Geſchwind
dekte er izt einen Eken vom Heu mit ſo viel
Strohwellen, als er nur hatte — und als
die Maͤnner in ſein Tenn kamen, ſagte er,
die Kappe unter dem Arm haltend, und die
Haͤnde reibend: Jhr wiſſet wohl, ihr Her-
ren, ich mache keinen Halm Futter als ab
dem Kirchhoͤfli, das macht etwa ein Klafter,
wie ich es angegeben. —

„Du verkauffeſt doch ſonſt alle Jahre zwey
Klafter,“ ſagte der Huͤnertraͤger.

„Es iſt einmal izt gewiß nicht zwey“ —
antwortete der Siegeriſt.

„Wir muͤſſen es meſſen“ — ſagte der
Waibel.

Der
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[168/0186] ihnen aber gar uͤbel bekommen. Zum Spaß, oder zum Ungluͤk waren ſie beyde, als der Vogt und die Maͤnner ins Dorf kamen, bey Haus — der einte wegen der Schul, und der andre wegen des Laͤutens: ſie wohnten unter einem Dach, und waren Bruͤder. Der Siegeriſt hatte noch alles Heu, ſo er auf dem Kirchhof macht; er hatte kein Vieh, und verkaufte das Heu alle Jahre um baares Geld. Aber er erſchrak gar gewaltig, als die Maͤnner ins Dorf kamen; denn er hatte ausgeredt, er habe nur ein Klafter Futter, und es war mehr als zwey. Geſchwind dekte er izt einen Eken vom Heu mit ſo viel Strohwellen, als er nur hatte — und als die Maͤnner in ſein Tenn kamen, ſagte er, die Kappe unter dem Arm haltend, und die Haͤnde reibend: Jhr wiſſet wohl, ihr Her- ren, ich mache keinen Halm Futter als ab dem Kirchhoͤfli, das macht etwa ein Klafter, wie ich es angegeben. — „Du verkauffeſt doch ſonſt alle Jahre zwey Klafter,“ ſagte der Huͤnertraͤger. „Es iſt einmal izt gewiß nicht zwey“ — antwortete der Siegeriſt. „Wir muͤſſen es meſſen“ — ſagte der Waibel. Der

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/186>, abgerufen am 21.11.2024.