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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Schulmstr. Es ist nicht mehr wie vor
altem -- und denn nimmt sich meine Frau
fast allein des Stalls an; ich habe in der
Schul zu thun.

Junker. Du hättest also deine Frau sol-
len angeben lassen, wie viel Vieh du hast.

Schulmstr. Es ist wahr -- aber -- --

Jkr. Jch brauche keine Aber -- -- du
bist Schulmeister, und die Jugend des Dorfs
ist in deinen Händen, und du hast mit kal-
tem Blute eine Meyeid-Aussage zweymal
bestätigt.

Schulmstr. Aber in Gottes Namen --
man kann doch auch etwas vergessen.

Jkr. Jnngehalten mit "Jn Gottes Na-
men!" -- Kerl! wenn du nicht hättest be-
triegen wollen, so hättest du in Stall gehen
können, zu sehen, ob du eine oder zwo Küh
habest; und ich meyne, du sollest wissen,
daß man schuldig ist, seine Augen zu brau-
chen, wenn du bey dem Eid ausreden willst.

Mann hätte meynen sollen, das wär izt
für alle genug gewesen: Aber der Kühhänd-
ler Stoffel meynte es nicht; Er trat auf,
und sagte: "Aber ich, Junker! einmal ich
bin völlig unschuldig; ich erwarte das Vieh,
das ich angegeben, alle Tage."

Jkr. Aber man hat dich doch nicht ange-
fragt, was für Vieh du erwartest, sonder
was du habest?


Stof-

Schulmſtr. Es iſt nicht mehr wie vor
altem — und denn nimmt ſich meine Frau
faſt allein des Stalls an; ich habe in der
Schul zu thun.

Junker. Du haͤtteſt alſo deine Frau ſol-
len angeben laſſen, wie viel Vieh du haſt.

Schulmſtr. Es iſt wahr — aber — —

Jkr. Jch brauche keine Aber — — du
biſt Schulmeiſter, und die Jugend des Dorfs
iſt in deinen Haͤnden, und du haſt mit kal-
tem Blute eine Meyeid-Auſſage zweymal
beſtaͤtigt.

Schulmſtr. Aber in Gottes Namen —
man kann doch auch etwas vergeſſen.

Jkr. Jnngehalten mit „Jn Gottes Na-
men!“ — Kerl! wenn du nicht haͤtteſt be-
triegen wollen, ſo haͤtteſt du in Stall gehen
koͤnnen, zu ſehen, ob du eine oder zwo Kuͤh
habeſt; und ich meyne, du ſolleſt wiſſen,
daß man ſchuldig iſt, ſeine Augen zu brau-
chen, wenn du bey dem Eid ausreden willſt.

Mann haͤtte meynen ſollen, das waͤr izt
fuͤr alle genug geweſen: Aber der Kuͤhhaͤnd-
ler Stoffel meynte es nicht; Er trat auf,
und ſagte: „Aber ich, Junker! einmal ich
bin voͤllig unſchuldig; ich erwarte das Vieh,
das ich angegeben, alle Tage.“

Jkr. Aber man hat dich doch nicht ange-
fragt, was fuͤr Vieh du erwarteſt, ſonder
was du habeſt?


Stof-
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[176/0194] Schulmſtr. Es iſt nicht mehr wie vor altem — und denn nimmt ſich meine Frau faſt allein des Stalls an; ich habe in der Schul zu thun. Junker. Du haͤtteſt alſo deine Frau ſol- len angeben laſſen, wie viel Vieh du haſt. Schulmſtr. Es iſt wahr — aber — — Jkr. Jch brauche keine Aber — — du biſt Schulmeiſter, und die Jugend des Dorfs iſt in deinen Haͤnden, und du haſt mit kal- tem Blute eine Meyeid-Auſſage zweymal beſtaͤtigt. Schulmſtr. Aber in Gottes Namen — man kann doch auch etwas vergeſſen. Jkr. Jnngehalten mit „Jn Gottes Na- men!“ — Kerl! wenn du nicht haͤtteſt be- triegen wollen, ſo haͤtteſt du in Stall gehen koͤnnen, zu ſehen, ob du eine oder zwo Kuͤh habeſt; und ich meyne, du ſolleſt wiſſen, daß man ſchuldig iſt, ſeine Augen zu brau- chen, wenn du bey dem Eid ausreden willſt. Mann haͤtte meynen ſollen, das waͤr izt fuͤr alle genug geweſen: Aber der Kuͤhhaͤnd- ler Stoffel meynte es nicht; Er trat auf, und ſagte: „Aber ich, Junker! einmal ich bin voͤllig unſchuldig; ich erwarte das Vieh, das ich angegeben, alle Tage.“ Jkr. Aber man hat dich doch nicht ange- fragt, was fuͤr Vieh du erwarteſt, ſonder was du habeſt? Stof-

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/194>, abgerufen am 21.11.2024.