Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Ja, lieber Pfarrer, sagte der Junker,
wir wollen immer auf jenes Leben hoffen --
Aber wenn wir Menschen sind, und Men-
schen bleiben wollen, so müssen wirs mit dem
armen Volke der Erde, das wir Verbre-
cher heißen, anders anfangen, und ihre Ret-
tung und Besserung als die erste Angelegen-
heit der Menschheit ansehen.

Das war das lezte Wort Arners, das er
zum Pfarrer sagte, ehe er wieder an die
Gemeinde gieng.

§. 52.
Wohin bringt den Menschen sein
armes Herz, wenn er für das-
selbe keinen Zaum hat.

Ehe ich erzähle, was er da gethan, muß
ich vorher noch ein Wort sagen, wie
dieser Mittag auch den Bauren von Bon-
nal vorüber gegangen.

Jhre Weiber, und insonderheit die Vor-
geseztenweiber konnten fast nicht erwarten,
wie die Gemeind abgelauffen, und sprangen
ihren Männern aus Stall und Küche eilends
entgegen, als sie heim kamen. Aber die
Vorgesezten, und überhaupt die 22., und
was ihren Anhang ausmachte, waren nicht
in der Laune, gute Antwort zu geben.

Ja, lieber Pfarrer, ſagte der Junker,
wir wollen immer auf jenes Leben hoffen —
Aber wenn wir Menſchen ſind, und Men-
ſchen bleiben wollen, ſo muͤſſen wirs mit dem
armen Volke der Erde, das wir Verbre-
cher heißen, anders anfangen, und ihre Ret-
tung und Beſſerung als die erſte Angelegen-
heit der Menſchheit anſehen.

Das war das lezte Wort Arners, das er
zum Pfarrer ſagte, ehe er wieder an die
Gemeinde gieng.

§. 52.
Wohin bringt den Menſchen ſein
armes Herz, wenn er fuͤr das-
ſelbe keinen Zaum hat.

Ehe ich erzaͤhle, was er da gethan, muß
ich vorher noch ein Wort ſagen, wie
dieſer Mittag auch den Bauren von Bon-
nal voruͤber gegangen.

Jhre Weiber, und inſonderheit die Vor-
geſeztenweiber konnten faſt nicht erwarten,
wie die Gemeind abgelauffen, und ſprangen
ihren Maͤnnern aus Stall und Kuͤche eilends
entgegen, als ſie heim kamen. Aber die
Vorgeſezten, und uͤberhaupt die 22., und
was ihren Anhang ausmachte, waren nicht
in der Laune, gute Antwort zu geben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0212" n="194"/>
          <p>Ja, lieber Pfarrer, &#x017F;agte der Junker,<lb/>
wir wollen immer auf jenes Leben hoffen &#x2014;<lb/>
Aber wenn wir Men&#x017F;chen &#x017F;ind, und Men-<lb/>
&#x017F;chen bleiben wollen, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wirs mit dem<lb/>
armen Volke der Erde, das wir Verbre-<lb/>
cher heißen, anders anfangen, und ihre Ret-<lb/>
tung und Be&#x017F;&#x017F;erung als die er&#x017F;te Angelegen-<lb/>
heit der Men&#x017F;chheit an&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>Das war das lezte Wort Arners, das er<lb/>
zum Pfarrer &#x017F;agte, ehe er wieder an die<lb/>
Gemeinde gieng.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 52.<lb/>
Wohin bringt den Men&#x017F;chen &#x017F;ein<lb/>
armes Herz, wenn er fu&#x0364;r das-<lb/>
&#x017F;elbe keinen Zaum hat.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>he ich erza&#x0364;hle, was er da gethan, muß<lb/>
ich vorher noch ein Wort &#x017F;agen, wie<lb/>
die&#x017F;er Mittag auch den Bauren von Bon-<lb/>
nal voru&#x0364;ber gegangen.</p><lb/>
          <p>Jhre Weiber, und in&#x017F;onderheit die Vor-<lb/>
ge&#x017F;eztenweiber konnten fa&#x017F;t nicht erwarten,<lb/>
wie die Gemeind abgelauffen, und &#x017F;prangen<lb/>
ihren Ma&#x0364;nnern aus Stall und Ku&#x0364;che eilends<lb/>
entgegen, als &#x017F;ie heim kamen. Aber die<lb/>
Vorge&#x017F;ezten, und u&#x0364;berhaupt die 22., und<lb/>
was ihren Anhang ausmachte, waren nicht<lb/>
in der Laune, gute Antwort zu geben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0212] Ja, lieber Pfarrer, ſagte der Junker, wir wollen immer auf jenes Leben hoffen — Aber wenn wir Menſchen ſind, und Men- ſchen bleiben wollen, ſo muͤſſen wirs mit dem armen Volke der Erde, das wir Verbre- cher heißen, anders anfangen, und ihre Ret- tung und Beſſerung als die erſte Angelegen- heit der Menſchheit anſehen. Das war das lezte Wort Arners, das er zum Pfarrer ſagte, ehe er wieder an die Gemeinde gieng. §. 52. Wohin bringt den Menſchen ſein armes Herz, wenn er fuͤr das- ſelbe keinen Zaum hat. Ehe ich erzaͤhle, was er da gethan, muß ich vorher noch ein Wort ſagen, wie dieſer Mittag auch den Bauren von Bon- nal voruͤber gegangen. Jhre Weiber, und inſonderheit die Vor- geſeztenweiber konnten faſt nicht erwarten, wie die Gemeind abgelauffen, und ſprangen ihren Maͤnnern aus Stall und Kuͤche eilends entgegen, als ſie heim kamen. Aber die Vorgeſezten, und uͤberhaupt die 22., und was ihren Anhang ausmachte, waren nicht in der Laune, gute Antwort zu geben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/212
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/212>, abgerufen am 21.11.2024.