Plözlich und aufgebracht fragte der Jun- ker, ob der Henkerskerl an der Gemeinde wäre?
Er war nicht da. "Aber daheim ist er," sagten etliche seiner Nachbarn, und der Jun- ker sandte im Augenblik den Waibel zu ihm, mit Befehl, daß er hieher kommen sollte.
Der Treufaug gab diesem zum Fenster hinaus Antwort, und fragte, was er mit ihm wolle. So bald er aber verstanden, daß es die Vögtin antreffe, beliebte es ihm nicht, mit dem Waibel zu gehen, und er sagte ihm: Du weist, wenns auf den Abend geht, so ists zu spät für mich, um Red und Antwort zu geben; und heute hab ich so viel getrunken, daß mir begegnen könnte, den Mann auf dem Brunnenstok für den Jun- ker anzusehen, wenn ich an die Gemeind müßte, und darum ists besser, ich bleibe da- heim. Sey doch so gut, und sag dem Jun- ker, ich lieg' im Bett, und es sey mir gar nicht wohl: aber ich wolle morgen oder über- morgen ins Schloß kommen, wenn er wolle.
Der Waibel, der den Treufaug haßte, brachte dem Junker die Antwort, just wie sie ihm gegeben worden, nämlich, er habe ihm zum Fenster heraus in der Peruque ge- sagt, er liege im Bett, sey krank, u. s. w. doch von dem Brunnenstok sagte er nichts.
Der
Ploͤzlich und aufgebracht fragte der Jun- ker, ob der Henkerskerl an der Gemeinde waͤre?
Er war nicht da. „Aber daheim iſt er,“ ſagten etliche ſeiner Nachbarn, und der Jun- ker ſandte im Augenblik den Waibel zu ihm, mit Befehl, daß er hieher kommen ſollte.
Der Treufaug gab dieſem zum Fenſter hinaus Antwort, und fragte, was er mit ihm wolle. So bald er aber verſtanden, daß es die Voͤgtin antreffe, beliebte es ihm nicht, mit dem Waibel zu gehen, und er ſagte ihm: Du weiſt, wenns auf den Abend geht, ſo iſts zu ſpaͤt fuͤr mich, um Red und Antwort zu geben; und heute hab ich ſo viel getrunken, daß mir begegnen koͤnnte, den Mann auf dem Brunnenſtok fuͤr den Jun- ker anzuſehen, wenn ich an die Gemeind muͤßte, und darum iſts beſſer, ich bleibe da- heim. Sey doch ſo gut, und ſag dem Jun- ker, ich lieg' im Bett, und es ſey mir gar nicht wohl: aber ich wolle morgen oder uͤber- morgen ins Schloß kommen, wenn er wolle.
Der Waibel, der den Treufaug haßte, brachte dem Junker die Antwort, juſt wie ſie ihm gegeben worden, naͤmlich, er habe ihm zum Fenſter heraus in der Peruque ge- ſagt, er liege im Bett, ſey krank, u. ſ. w. doch von dem Brunnenſtok ſagte er nichts.
Der
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Ploͤzlich und aufgebracht fragte der Jun-
ker, ob der Henkerskerl an der Gemeinde
waͤre?
Er war nicht da. „Aber daheim iſt er,“
ſagten etliche ſeiner Nachbarn, und der Jun-
ker ſandte im Augenblik den Waibel zu ihm,
mit Befehl, daß er hieher kommen ſollte.
Der Treufaug gab dieſem zum Fenſter
hinaus Antwort, und fragte, was er mit
ihm wolle. So bald er aber verſtanden,
daß es die Voͤgtin antreffe, beliebte es ihm
nicht, mit dem Waibel zu gehen, und er
ſagte ihm: Du weiſt, wenns auf den Abend
geht, ſo iſts zu ſpaͤt fuͤr mich, um Red und
Antwort zu geben; und heute hab ich ſo viel
getrunken, daß mir begegnen koͤnnte, den
Mann auf dem Brunnenſtok fuͤr den Jun-
ker anzuſehen, wenn ich an die Gemeind
muͤßte, und darum iſts beſſer, ich bleibe da-
heim. Sey doch ſo gut, und ſag dem Jun-
ker, ich lieg' im Bett, und es ſey mir gar
nicht wohl: aber ich wolle morgen oder uͤber-
morgen ins Schloß kommen, wenn er wolle.
Der Waibel, der den Treufaug haßte,
brachte dem Junker die Antwort, juſt wie
ſie ihm gegeben worden, naͤmlich, er habe
ihm zum Fenſter heraus in der Peruque ge-
ſagt, er liege im Bett, ſey krank, u. ſ. w.
doch von dem Brunnenſtok ſagte er nichts.
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/223>, abgerufen am 24.11.2024.
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