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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Pfr. Ha so -- Jch glaube, ihr könnet
vor Gott mit gutem Gewissen nicht sagen,
daß ihr ohne Gefahr für das Leben euerer
Mitmenschen euer Handwerk treibet? Und
wenn ihr das nicht könnt, so müßt ihr es
aufgeben, oder kein ehrlicher Mann seyn --
Und wenn ihr es aufgeben müßet, warum
wollt ihr das Gute, das in euerer Hande ist,
nicht zum Besten euerer Nebenmenschen je-
mand schenken, der es nuzen kann?

Der Treufaug schweigt noch immer, und
der Pfarrer fährt fort:

Mein Lieber! denket, ob ihr auf euerm
Todtbette nicht wünschen werdet, für die
Menschen, die ihr durch ein unvorsichtiges
und unvernünftiges Behandeln ins Grab
gebracht, auch etwas Gutes gethan, und
für das Leben und die Wohlfart der andern
auch etwas aufgeopfert zu haben?

Der Treufaug hatte bis izt seine Augen
gegen den Boden niedergeschlagen, und kein
Wort geredt. -- Jzt hub er den Kopf auf,
sah den Pfarrer an, und sagte:

"Ja, wenn man auch so mit mir um-
gieng und mit mir redte, ich würde vielleicht
das, was ihr sagt, nicht so weit wegwerfen.
Jhr mögt izt denken was ihr wollt, ich bin
gewiß kein Unmensch im Herzen, und kann
zulezt ohne das leben, und bleiben was ich
bin."


"Jch

Pfr. Ha ſo — Jch glaube, ihr koͤnnet
vor Gott mit gutem Gewiſſen nicht ſagen,
daß ihr ohne Gefahr fuͤr das Leben euerer
Mitmenſchen euer Handwerk treibet? Und
wenn ihr das nicht koͤnnt, ſo muͤßt ihr es
aufgeben, oder kein ehrlicher Mann ſeyn —
Und wenn ihr es aufgeben muͤßet, warum
wollt ihr das Gute, das in euerer Hande iſt,
nicht zum Beſten euerer Nebenmenſchen je-
mand ſchenken, der es nuzen kann?

Der Treufaug ſchweigt noch immer, und
der Pfarrer faͤhrt fort:

Mein Lieber! denket, ob ihr auf euerm
Todtbette nicht wuͤnſchen werdet, fuͤr die
Menſchen, die ihr durch ein unvorſichtiges
und unvernuͤnftiges Behandeln ins Grab
gebracht, auch etwas Gutes gethan, und
fuͤr das Leben und die Wohlfart der andern
auch etwas aufgeopfert zu haben?

Der Treufaug hatte bis izt ſeine Augen
gegen den Boden niedergeſchlagen, und kein
Wort geredt. — Jzt hub er den Kopf auf,
ſah den Pfarrer an, und ſagte:

„Ja, wenn man auch ſo mit mir um-
gieng und mit mir redte, ich wuͤrde vielleicht
das, was ihr ſagt, nicht ſo weit wegwerfen.
Jhr moͤgt izt denken was ihr wollt, ich bin
gewiß kein Unmenſch im Herzen, und kann
zulezt ohne das leben, und bleiben was ich
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[218/0236] Pfr. Ha ſo — Jch glaube, ihr koͤnnet vor Gott mit gutem Gewiſſen nicht ſagen, daß ihr ohne Gefahr fuͤr das Leben euerer Mitmenſchen euer Handwerk treibet? Und wenn ihr das nicht koͤnnt, ſo muͤßt ihr es aufgeben, oder kein ehrlicher Mann ſeyn — Und wenn ihr es aufgeben muͤßet, warum wollt ihr das Gute, das in euerer Hande iſt, nicht zum Beſten euerer Nebenmenſchen je- mand ſchenken, der es nuzen kann? Der Treufaug ſchweigt noch immer, und der Pfarrer faͤhrt fort: Mein Lieber! denket, ob ihr auf euerm Todtbette nicht wuͤnſchen werdet, fuͤr die Menſchen, die ihr durch ein unvorſichtiges und unvernuͤnftiges Behandeln ins Grab gebracht, auch etwas Gutes gethan, und fuͤr das Leben und die Wohlfart der andern auch etwas aufgeopfert zu haben? Der Treufaug hatte bis izt ſeine Augen gegen den Boden niedergeſchlagen, und kein Wort geredt. — Jzt hub er den Kopf auf, ſah den Pfarrer an, und ſagte: „Ja, wenn man auch ſo mit mir um- gieng und mit mir redte, ich wuͤrde vielleicht das, was ihr ſagt, nicht ſo weit wegwerfen. Jhr moͤgt izt denken was ihr wollt, ich bin gewiß kein Unmenſch im Herzen, und kann zulezt ohne das leben, und bleiben was ich bin.“ „Jch

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/236>, abgerufen am 24.11.2024.