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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Schlangentreter ist unser liebe Herr und
Heiland und Seligmacher Jesus Christus.

Den alten Schulmeister kränkte er mit
Wort und Thaten, so viel er nur konnte
und mochte. Der alte Mann hatte seit vie-
len Jahren, da es in seiner Nachbarschaft
brannte, eine entsezliche Forcht vor dem
Feuer. Wenn dann der Hummel nicht gern
lernte, so warf er Sachen ins Feuer, die
schmürzten, damit er erschreke, und im
Hause herumlauffe, zu sehen, wo es un-
richtig sey. Er zündete sogar oft Zunder im
Sak an, und achtete es nicht, das gröste
Loch in den Sak zu brennen, wenn er nur
den Schulmeister in Schreken jagen konnte.

Der alte Mann hörte nicht mehr wohl;
und der Bube redte immer entweder so leise,
daß dieser ihn kein Wort verstuhnd, oder so
laut, daß die Leute auf der Gasse still stuhn-
den, zu hören, was für ein Geschrey in
der Schule sey; welches den Schulmeister
dann noch mehr verdroß.

Er hatte ihm einmal zwey Wochen den
Schullohn nicht gebracht; und da er ihn
von ihm foderte, gab er ihm zur Antwort:
Wenn du nicht g'warten magst, so will ich
eben heimlauffen, und dir ihn auf der Stoß-
bahre bringen.

Jm

Schlangentreter iſt unſer liebe Herr und
Heiland und Seligmacher Jeſus Chriſtus.

Den alten Schulmeiſter kraͤnkte er mit
Wort und Thaten, ſo viel er nur konnte
und mochte. Der alte Mann hatte ſeit vie-
len Jahren, da es in ſeiner Nachbarſchaft
brannte, eine entſezliche Forcht vor dem
Feuer. Wenn dann der Hummel nicht gern
lernte, ſo warf er Sachen ins Feuer, die
ſchmuͤrzten, damit er erſchreke, und im
Hauſe herumlauffe, zu ſehen, wo es un-
richtig ſey. Er zuͤndete ſogar oft Zunder im
Sak an, und achtete es nicht, das groͤſte
Loch in den Sak zu brennen, wenn er nur
den Schulmeiſter in Schreken jagen konnte.

Der alte Mann hoͤrte nicht mehr wohl;
und der Bube redte immer entweder ſo leiſe,
daß dieſer ihn kein Wort verſtuhnd, oder ſo
laut, daß die Leute auf der Gaſſe ſtill ſtuhn-
den, zu hoͤren, was fuͤr ein Geſchrey in
der Schule ſey; welches den Schulmeiſter
dann noch mehr verdroß.

Er hatte ihm einmal zwey Wochen den
Schullohn nicht gebracht; und da er ihn
von ihm foderte, gab er ihm zur Antwort:
Wenn du nicht g'warten magſt, ſo will ich
eben heimlauffen, und dir ihn auf der Stoß-
bahre bringen.

Jm
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[251/0269] Schlangentreter iſt unſer liebe Herr und Heiland und Seligmacher Jeſus Chriſtus. Den alten Schulmeiſter kraͤnkte er mit Wort und Thaten, ſo viel er nur konnte und mochte. Der alte Mann hatte ſeit vie- len Jahren, da es in ſeiner Nachbarſchaft brannte, eine entſezliche Forcht vor dem Feuer. Wenn dann der Hummel nicht gern lernte, ſo warf er Sachen ins Feuer, die ſchmuͤrzten, damit er erſchreke, und im Hauſe herumlauffe, zu ſehen, wo es un- richtig ſey. Er zuͤndete ſogar oft Zunder im Sak an, und achtete es nicht, das groͤſte Loch in den Sak zu brennen, wenn er nur den Schulmeiſter in Schreken jagen konnte. Der alte Mann hoͤrte nicht mehr wohl; und der Bube redte immer entweder ſo leiſe, daß dieſer ihn kein Wort verſtuhnd, oder ſo laut, daß die Leute auf der Gaſſe ſtill ſtuhn- den, zu hoͤren, was fuͤr ein Geſchrey in der Schule ſey; welches den Schulmeiſter dann noch mehr verdroß. Er hatte ihm einmal zwey Wochen den Schullohn nicht gebracht; und da er ihn von ihm foderte, gab er ihm zur Antwort: Wenn du nicht g'warten magſt, ſo will ich eben heimlauffen, und dir ihn auf der Stoß- bahre bringen. Jm

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/269>, abgerufen am 21.11.2024.