Jm dreyzehnten Jahr ist er seinem Vater entlauffen, und in der Waldrüti Waidhirt geworden. Der Reutibauer achtete seiner minder als eines Stüks Viehe, wenn er nur alle Abende seine Heerde richtig heim brachte.
Das Waidhirtenleben, wie es izt ist, ist entsezlich verderbt. Es kommen auf den Bergen immer bey halbduzenden, oft von Bättel- und Streifervolk angenommene Hü- terbuben zusammen, und thun da alle nur ersinnliche Bosheiten.
Der Hummel war bey diesem Waidhir- tenleben wie in seinem Elemente. Er schüt- telte weit und breit alle Obstbäume, ehe sie reiff waren, und warff das unzeitige Obst zu ganzen Körben voll dem Vieh nach und in Sümpf und Graben. Er nahm im Wald und auf den Bäumen alle Nester aus, und marterte die armen Vögel, ehe er sie tödtete. Er ließ, wo er konnte, das Bergwasser ins Feld, die Saat zu ver- derben. Er öffnete in allen Zäunen dem Viehe Wege, daß es zu schaden gehen konnte. Er rufte allen Vorbeygehenden schändliche Dinge nach. Er tyrannisirte einen kleinen Buben, der auch auf dem Berg hütete, daß er seiner Heerde hüten mußte, wenn er unter dem Baum lag und
schlief,
Jm dreyzehnten Jahr iſt er ſeinem Vater entlauffen, und in der Waldruͤti Waidhirt geworden. Der Reutibauer achtete ſeiner minder als eines Stuͤks Viehe, wenn er nur alle Abende ſeine Heerde richtig heim brachte.
Das Waidhirtenleben, wie es izt iſt, iſt entſezlich verderbt. Es kommen auf den Bergen immer bey halbduzenden, oft von Baͤttel- und Streifervolk angenommene Huͤ- terbuben zuſammen, und thun da alle nur erſinnliche Bosheiten.
Der Hummel war bey dieſem Waidhir- tenleben wie in ſeinem Elemente. Er ſchuͤt- telte weit und breit alle Obſtbaͤume, ehe ſie reiff waren, und warff das unzeitige Obſt zu ganzen Koͤrben voll dem Vieh nach und in Suͤmpf und Graben. Er nahm im Wald und auf den Baͤumen alle Neſter aus, und marterte die armen Voͤgel, ehe er ſie toͤdtete. Er ließ, wo er konnte, das Bergwaſſer ins Feld, die Saat zu ver- derben. Er oͤffnete in allen Zaͤunen dem Viehe Wege, daß es zu ſchaden gehen konnte. Er rufte allen Vorbeygehenden ſchaͤndliche Dinge nach. Er tyranniſirte einen kleinen Buben, der auch auf dem Berg huͤtete, daß er ſeiner Heerde huͤten mußte, wenn er unter dem Baum lag und
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Jm dreyzehnten Jahr iſt er ſeinem Vater
entlauffen, und in der Waldruͤti Waidhirt
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minder als eines Stuͤks Viehe, wenn er
nur alle Abende ſeine Heerde richtig heim
brachte.
Das Waidhirtenleben, wie es izt iſt, iſt
entſezlich verderbt. Es kommen auf den
Bergen immer bey halbduzenden, oft von
Baͤttel- und Streifervolk angenommene Huͤ-
terbuben zuſammen, und thun da alle nur
erſinnliche Bosheiten.
Der Hummel war bey dieſem Waidhir-
tenleben wie in ſeinem Elemente. Er ſchuͤt-
telte weit und breit alle Obſtbaͤume, ehe
ſie reiff waren, und warff das unzeitige Obſt
zu ganzen Koͤrben voll dem Vieh nach und
in Suͤmpf und Graben. Er nahm im
Wald und auf den Baͤumen alle Neſter
aus, und marterte die armen Voͤgel, ehe er
ſie toͤdtete. Er ließ, wo er konnte, das
Bergwaſſer ins Feld, die Saat zu ver-
derben. Er oͤffnete in allen Zaͤunen dem
Viehe Wege, daß es zu ſchaden gehen
konnte. Er rufte allen Vorbeygehenden
ſchaͤndliche Dinge nach. Er tyranniſirte
einen kleinen Buben, der auch auf dem
Berg huͤtete, daß er ſeiner Heerde huͤten
mußte, wenn er unter dem Baum lag und
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/270>, abgerufen am 21.11.2024.
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