Die gleichen Männer, die ihn gerettet, verklagten ihn dem Junker; aber sie konn- ten nichts beweisen; u. der Junker ließ, solchen Bosheiten zu steuren, den Knaben das Nacht- schneiden überall verbieten. Aber dieses that Jungen und Alten so weh, und es war ein so allgemeines Gemürmel in der Kirche, da der Pfarrer dieses Verbott ver- las, daß es nicht größer hätte seyn können, wenn der Pfarrer eine neue Auflage verlesen hätte. Jedermann sagte: es ist nicht recht, daß wir um dieses Bösewichts willen diese alte Freude verlieren müssen. Und der Amts- Untervogt Lindenberger, ein alter eisgrauer Mann, sagte dem Hummel, da er ihn un- ter der Kirchthüre antraf, vor vielen Leu- ten: Es wäre besser, der Junker hätte dich an den Galgen hängen lassen, als daß er um deinetwillen unser ganzes junges Volk in ein Bokshorn hineinstoßen will.
Um diese Zeit giengen auch die alten eh- renvesten Lichtstubeten ab. Die wildern Knaben fiengen izt an, zu den Töchtern in ihre Kammern zu steigen, und vor den Fen- stern derer Ehrenleute, deren Kinder offent- lich und unter dem Auge der Eltern bey ein- ander waren, allerley Bosheiten zu treiben, und ihnen die Freude dieses offentlichen Zu- sammenkommens zu verderben.
Das
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Die gleichen Maͤnner, die ihn gerettet, verklagten ihn dem Junker; aber ſie konn- ten nichts beweiſen; u. der Junker ließ, ſolchen Bosheiten zu ſteuren, den Knaben das Nacht- ſchneiden uͤberall verbieten. Aber dieſes that Jungen und Alten ſo weh, und es war ein ſo allgemeines Gemuͤrmel in der Kirche, da der Pfarrer dieſes Verbott ver- las, daß es nicht groͤßer haͤtte ſeyn koͤnnen, wenn der Pfarrer eine neue Auflage verleſen haͤtte. Jedermann ſagte: es iſt nicht recht, daß wir um dieſes Boͤſewichts willen dieſe alte Freude verlieren muͤſſen. Und der Amts- Untervogt Lindenberger, ein alter eisgrauer Mann, ſagte dem Hummel, da er ihn un- ter der Kirchthuͤre antraf, vor vielen Leu- ten: Es waͤre beſſer, der Junker haͤtte dich an den Galgen haͤngen laſſen, als daß er um deinetwillen unſer ganzes junges Volk in ein Bokshorn hineinſtoßen will.
Um dieſe Zeit giengen auch die alten eh- renveſten Lichtſtubeten ab. Die wildern Knaben fiengen izt an, zu den Toͤchtern in ihre Kammern zu ſteigen, und vor den Fen- ſtern derer Ehrenleute, deren Kinder offent- lich und unter dem Auge der Eltern bey ein- ander waren, allerley Bosheiten zu treiben, und ihnen die Freude dieſes offentlichen Zu- ſammenkommens zu verderben.
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Die gleichen Maͤnner, die ihn gerettet,
verklagten ihn dem Junker; aber ſie konn-
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Bosheiten zu ſteuren, den Knaben das Nacht-
ſchneiden uͤberall verbieten. Aber dieſes
that Jungen und Alten ſo weh, und es
war ein ſo allgemeines Gemuͤrmel in der
Kirche, da der Pfarrer dieſes Verbott ver-
las, daß es nicht groͤßer haͤtte ſeyn koͤnnen,
wenn der Pfarrer eine neue Auflage verleſen
haͤtte. Jedermann ſagte: es iſt nicht recht,
daß wir um dieſes Boͤſewichts willen dieſe
alte Freude verlieren muͤſſen. Und der Amts-
Untervogt Lindenberger, ein alter eisgrauer
Mann, ſagte dem Hummel, da er ihn un-
ter der Kirchthuͤre antraf, vor vielen Leu-
ten: Es waͤre beſſer, der Junker haͤtte dich
an den Galgen haͤngen laſſen, als daß er um
deinetwillen unſer ganzes junges Volk in
ein Bokshorn hineinſtoßen will.
Um dieſe Zeit giengen auch die alten eh-
renveſten Lichtſtubeten ab. Die wildern
Knaben fiengen izt an, zu den Toͤchtern in
ihre Kammern zu ſteigen, und vor den Fen-
ſtern derer Ehrenleute, deren Kinder offent-
lich und unter dem Auge der Eltern bey ein-
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und ihnen die Freude dieſes offentlichen Zu-
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/277>, abgerufen am 21.11.2024.
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